VI.
386
Von der direkten Ausbeutung der Bauern durch den Adel geht Wolff auf die verschiedenen Formen der indirekten über, wobei die Mitwirkung des Staats eine Hauptrolle spielt.
Zuerst die Grundsteuer, die in Schlesien noch 1849 nach einem 1749 angelegten Kataster erhoben wurde. In diesem Kataster war von vornherein das Adelsland mit geringerer, das Bauernland mit größerer als der wirklichen Morgenzahl eingetragen, der Ertrag eines Morgens Wiesen- oder Ackerland zu 1 Thlr. veranschlagt und darnach die Grundsteuer erhoben. Wälder und Weiden waren frei. Die Adeligen hatten seitdem ganze Striche Waldungen ausgerodet und bedeutende Flächen Dedland urbar gemacht. Die Steuer wurde immer nach der im Kataster von 1749 aufgeführten Morgenzahl urbaren Landes fortentrichtet! Der Bauer, der kein Debland urbar zu machen hatte, wurde also bei beiderseits gleichbleibender Steuer bedeutend überlastet, vulgo geprellt. Noch mehr: ,, ein großer Theil der Ritterschaft, gerade derjenige Theil, der die größten und einträglichsten Güterkomplere besigt, hat unter dem Titel von, wohlerwor= benen Rechten als mediatisirte Standesherren bis jetzt noch nicht einen Deut Grundsteuer gezahlt."
-
,, Rechnen wir das, was die Herren Ritter in den letzten 30 Jahren blos an Grundsteuer zu wenig oder gar nicht gezahlt, auf 40 Millionen Thaler und das ist doch wahrlich noch eine Rechnung unter Brüdern, so macht dies mit den auf direkte Weise aus den Taschen des schlesischen Landvolkes geraubten 240 Millionen eine Summe von 280 Millionen."( ,, Neue Rheinische Zeitung " vom 25. März 1849.)
Folgt die Klassensteuer. Ein schlesischer Bauer, den Wolff aus der Masse herausnimmt ,,, besitzt 8 Morgen Landes von mittlerer Qualität, entrichtet jährlich eine Masse Abgaben an den , gnädigen Herrn, muß ihm jährlich eine Menge Frohndienste thun und zahlt dabei an Klassensteuer monatlich 7 Sgr. 8 Pf., macht jährlich 3 Thaler. Ihm gegenüber steht ein gnädiger Herr mit ausgedehntestem Grundbesitz, mit Wäldern und Wiesen, mit Eisenhütten, Galmeigruben, Kohlenbergwerken 2c., z. B. der Erzheuler, Russenfreund, Demokratenfresser und Deputirte zur Zweiten Kammer, Graf Renard. Dieser Mann hat ein jährliches Einkommen von 240,000 Thalern. Er entrichtet auf der höchsten Stufe jährlich 144 Thaler Klassensteuer. Im Verhältniß zu jenem Rustikalbesitzer mit 8 Morgen hätte er jährlich mindestens 7000 Thaler Klassensteuer zu zahlen, macht in 20 Jahren 140,000 Thaler. Er hat also in 20 Jahren zu wenig eingezahlt 137,120 Thaler."
Wolff vergleicht nun den Klassensteuer- Betrag, den derselbe Graf Renard zahlt, mit der Steuerzahlung eines Hoseknechts mit 10 Thalern jährlichem Lohn, der ½½ Thlr. oder 5 Prozent seines baaren Einkommens, und mit derjenigen einer Hofgärtnersmagd, die bei 6 Thalern Jahreslohn ebenfalls 12 Thlr. oder 83 Prozent ihres Einkommens an Klassensteuer zahlt. Hiernach hat der eble Graf in 20 Jahren gegenüber dem Knecht 237,210 Thlr., gegenüber der Magd sogar 397,120 Thlr. zu wenig Klassensteuer gezahlt.
,, Nach dem landesväterlichen Willen von Friedrich Wilhelm IV. , Eichhorn- Ladenberg und der übrigen christlich- germanischen Genossenschaft sollte die Volksschule( man vergleiche die Eichhorn'schen Reskripte bis Anfang 1848) fich lediglich auf Lesen, Schreiben und das nothdürftigste Rechnen beschränken. Die 4 Spezies wären also dem Landvolk immerhin erlaubt geblieben. Es bedurfte indessen der Volksschule nicht, um dem Landmann die verschiedenen Spezies, namentlich das Subtrahiren oder Ab- und Entziehen beizubringen. In Schlesien wenigstens hat die gottbegnadete Naubritterschaft soviel an ihm herum und von ihm heraus subtrahirt, daß er nun seinerseits bei der ersten besten Gelegenheit in dieser Spezies des Subtrahirens, auf die hohen Herren angewandt, ganz famos bestehen dürfte."
Von dieser Subtraktions- Praxis des schlesischen Adels gibt Wolff dann wieder ein Beispiel: Die wüsten Huben.
,, Ueberall, wo im vorigen Jahrhundert durch Krieg, Epidemien, Feuersbrünste und andere Unfälle Rustikalwirthe( d. h. Bauern) zu Grunde gingen, da war der Patrimonialherr schleunig bei der Hand, um den Acker der betreffenden Rustikalstelle entweder ganz oder theilweise als wüste Hube" seinem Dominium einzuverleiben. Grundsteuer, Haussteuer und die übrigen Lasten hütetet Ihr Herren Euch wohl mit hinüber zu nehmen. Diese mußten fort und fort entweder die ganze Gemeinde oder der nachfolgende Besitzer tragen, der oft nur den dritten, den sechsten, den achten Theil der früheren Bodenfläche, aber alle früheren Steuern, Abgaben und Leistungen mit in den Kaufbrief gesetzt erhielt. Aehnlich machtet Ihr's mit Gemeinde- Weiden und-Aeckern, wenn z. B. die oben erwähnten Ursachen eine mehr oder weniger vollständige Entvölkerung des Dorfs herbeigeführt hatten. Diese und noch andere Gelegenheiten benutztet Ihr, um soviel Ländereien wie möglich zusammen zu schlagen. Die Gemeinden aber und die einzelnen Bauern mußten die Gemeinde-, Schul-, Kirchen-, Kreisund andere Lasten unvermindert tragen, als wenn ihnen nicht das Mindeste abhanden gekommen wäre... .. Mit dem Maß, womit Ihr messen wollt, wollen wir Euch auch messen, wird Euch der Landmann antworten.
,, In Eurem wüthigen Entschädigungs- Appetit seid 3hr blindlings an ein wahres Hornissennest von Volksentschädigungen angerannt; fliegen diese, gereizt wie sie sind, eines Tages hervor, dann könnte Euch leicht außer gewußter Entschädigung noch eine gute Portion Beschädigung zu Theil werden!"(„ Neue Rheinische Zeitung " vom 27. März.)
Im nächsten Artikel( Nummer vom 29. März) beschreibt Wolff das Verfahren bei der Ablösung der Feudallasten selbst. Unter den berüchtigten General- Kommissionen, welche die Angelegenheit für die ganze Provinz zu ordnen hatten, standen die kgl. Dekonomie. Kommissarien und ihre Gehülfen, die kgl. Vermessungs- Kondukteure und Aktuare. Sowie der Ablösungsantrag vom Gutsherrn oder Bauern gestellt war, erschienen diese Beamte im Dorf, wo sie vom gnädigen Herrn sofort im Schloß auf's flotteste bewirthet und bearbeitet wurden. ,, Oft hatte diese Bearbeitung auch schon vorher stattgefunden, und da die Herren Ritter den Champagner nicht sparen, wenn etwas dadurch erreicht werden kann, so waren die patrimonialvergnüglichen Bemühungen meist erfolgreich." Allerdings gab es hie und da auch unbestechliche Beamte, allein sie waren die Ausnahmen, und selbst dann war den Bauern nicht geholfen. In Fällen, wo der Dekonomie- Kommissarius seinerseits sich genau an's Gesetz hielt, nutzte es den Bauern wenig, sobald z. B. der Kondukteur vom Dominialherrn oder dessen Beamten gewonnen war. Noch schlimmer für die Bauern, wenn, wie es in der Regel der Fall war, zwischen Dekonomie- Kommissarius, Kondukteur und Patrimonialherrn das herzlichste Einverständniß herrschte. Dann war das ritterliche Herz fröhlich und guter Dinge.
In seiner ganzen Machtfülle, womit namentlich das altpreußische Beamtenthum seine Angehörigen zu umkleiden wußte, trat jetzt der kgl. Kommissarius unter die im Gerichtskretscham versammelten Bauern. Er verfehlte nicht, die Bauern zu erinnern, daß er im Namen des Königs hier sei und mit ihnen verhandele.
,, Im Namen des Königs!" Bei dieser Phrase treten dem Bauer alle düsteren Gestalten, wie Gensdarmen, Exekutoren, Patrimonialrichter, Landräthe 2c., gleichzeitig vor Augen. War er doch von ihnen Allen stets in jenem Namen bedrückt oder ausgesaugt worden! Im Namen des Königs! Das klang ihm gleich Stock oder Zuchthaus, es klang wie Steuern, Zehnten, Frohnden und Sportelgelder. Das Alles mußte er ja auch im Namen des Königs zahlen. Schlug diese kommissarische Einleitung nicht vollständig an, zeigte sich die Gemeinde oder einzelne