388
Ich stand im Zimmer des ältesten Pensionärs des Hauses. Es war ein zweifenftriges, mit Komfort möblirtes Zimmer. Die In der Mitte des Fenster gingen nach dem Garten hinaus. Zimmers stand ein mit weißen Vorhängen umgebenes, weiß bezogenes Bett. Neben dem Bette ein großer, höchst bequemer Lehnstuhl. Die Vorhänge waren halb geöffnet. Im Bette lag der ehemalige Korporal der kaiserlichen Garde.
Ich sah hin und erblickte eine weißgekleidete Mumie, zu der mein Begleiter unter tiefen Verbeugungen sprach. Ich entschuldigte mich wegen meines späten Besuchs, erhielt aber nur ein unverständliches Brummen zur Antwort.
Dann trat er gebückten Hauptes in das Zimmer, um mich an-| Baumreihen und Taruswände; jedes Blumenbeet bildete, wie in den Gärten und Höfen des Schlosses von Bicêtre, eine geschnörzumelden. Hinter ihm trat ich selbst ein. Die Gärten waren kelte Figur von ecigen, steifen Formen. trefflich gehalten. Boulard hatte das Haus auch mit einigen Gärtnern ausgestattet. Während wir zwischen den geschorenen Baumreihen und Hecken umhergingen, und Tom uns bellend umsprang, wurde natürlich der letzte Krieg der Gegenstand der So war es überall! Wenn ich bei meinem Unterhaltung. jetzigen Aufenthalte in Paris mit der Besichtigung eines Gefängnisses, eines Krankenhauses, eines Zufluchtshauses zu Ende war und die Beamten mich in Allem, was ich zu wissen wünschte, unterrichtet hatten, lenkten sie schließlich das Gespräch auf den Krieg. Ich muß sagen, daß ich überall auf eine verständige Beurtheilung der Sachlage gestoßen bin. Von einem blinden Deutschenhaß, wie er mir umgekehrt in Deutschland so oft als Franzosen= haß entgegentritt, habe ich nie etwas gefunden. Nur, wenn das Gespräch die Milliardenplünderung, die zur Strafe" zerstörten Städte und Dörfer, die Plünderung der Gemeinden durch die enormsten Kontributionen bei den geringsten Veranlassungen, die und Bombardements, die Fortsetzung des 28 zweiten Krieges nach der Gefangennahme des Verbrechers Dezembers berührte, dann gerieth der Sprechende i mer in eine gerechte Entrüftung. So erging es auch dem Direktor des Zufluchtshauses des Pariser Arbeiters. Auf dem Rückwege nach dem vorderen Blumenhofe des Hauses kamen wir nochmals an Ein gewölbter Gang führte, unter derder Kapelle vorüber.
,, Gehen wir hinaus! Ihr Kamerad will schlafen. Ich habe das Zimmer gesehen. Weshalb also den Herrn noch stören?" Mit diesen Worten verließ ich das Zimmer, der Concierge hinter mir.
,, Ein Zimmer schaut ganz aus, wie das andere," sagte er, während wir die Treppe hinabstiegen.
Unten auf dem Flur des Erdgeschosses nahm mich der Direktor wieder in Empfang. Er zeigte mir zuerst die Badezimmer, während er mir von den großen Massen der Leinwandvorräthe des Hauses erzählte.
,, Bei der Verpflegung so alter Leute," sagte er ,,, ist Reinlich keit Hauptsache. Deshalb erhält jeder Pensionär täglich frische Wäsche. Jede Woche erhalten die Betten frische Bezüge. In der Stiftungsurkunde hat Herr Boulard ausdrücklich diese Bestimmungen getroffen. Ist es nöthig, auch täglich."
Dann führte mich der Direktor in die Kapelle. Sie nahm die Mitte des Mittelgebäudes ein. Durch ein schönes, hohes Atrium traten wir in die eigentliche Kapelle, welche in den edelsten architektonischen Verhältnissen ausgeführt war. Das Haus hatte einen besonderen Aumonier( Almosenier). An Sonntagen und Festtagen nahm die Bevölkerung von St. Mandé am Gottesdienste Theil. Dann wurden die Thüren der Kapelle geöffnet und Atrium und Kapelle bildeten einen einzigen, großen Raum.
Auch für einen würdigen Bilderschmuck hatte der Pariser Arbeiter in seiner Kapelle gesorgt. Die beiden Hauptwände waren mit großen Delgemälden von wirklichem Werthe geschmückt. Auf dem einen war der heilige Michael dargestellt, dem Boulard das Haus gewidmet hatte; auf dem andern führte die Mildthätigkeit einen armen, alten Mann in das Zufluchtshaus, welches der Arbeiter mit einem Komfort ausgestattet hatte, den der arme, alte Mann gewiß nie in seinem Leben kannte.
Zur rechten Seite des Haupteingangs erhob sich auf einem Sockel von karrarischem Marmor eine weiße Marmorsäule, welche eine Urne von karrarischem Marmor trug. Erstaunt über die Schönheit der Urne und über die Weiße des Marmors, auf welchem kein Fleckchen zu entdecken war, fragte ich den Direktor, ob die Masse nur als Schmud der Kapelle diene oder eine andere Bestimmung habe?
,, In der Urne befindet sich das Herz Boulard's," erwiderte Der Direktor. Sein Körper ruht in einer Gruft unter der Kapelle. Auch im Tode wollte er unter seinen Gästen bleiben."
Wir verließen die Kapelle und gingen um die andere Seite des Hauses herum, um in die Gärten zu gelangen. Sie waren von sehr großer Ausdehnung; die vordere Hälfte war in altfranzösischem Geschmack ausgeführt. Geschorene Hecken, geschorene
-
-
und
-
selben über Stufen in den Schoß der Erde. Der Direktor blieb an dem Eingangsthore stehen und fragte mich: Wünschen Sie in den Keller hinabzusteigen?"
Er bediente sich des Wortes caveau ". kleiner Keller", und auch„ Gruft".
Caveau bedeutet
Ich hatte grade mit dem Manne von der Ernährung der Pensionäre gesprochen, und er hatte mir erzählt, daß er bei der Ernährung so alter und schwacher Leute besonderes Gewicht auf starke, alte Weine lege. Was war natürlicher, als daß ich bei dem Worte caveau an Weinkeller dachte?
,, Haben Sie viele Weine dort unten?" Der Direktor sah mich fragend an.
,, Ich meine gute Weinsorten," sagte ich.
,, Wir haben gar keine Weine im Hause," sagte er ,,, wir beziehen sie flaschenweise aus Berry.
,, Aber Sie haben doch einen Keller?"
Jegt begriff der Direktor das Mißverständniß. Schweigend stieg er mit mir die Stufen hinab, der Concierge hinter uns her. Es waren ungefähr ein Dußend. Stufen. Als wir unten waren, und ich mich in dem matten Dämmerlichte orientirte, sah ich, daß wir uns in einem gewölbten, aufgemauerten Raum befanden. Wenige Schritte noch und ich stand vor einer durch eine vieredige Platte geschlossenen Gruft. Ueber der Gruft erhob sich ein Katafalt, der mit Immortellenkränzen, Trauerschleifen und Trauerbändern geschmückt war. Auf den Trauerbändern las ich Boulard's Namen.
Jezt wußte ich, wo ich war. Ich stand an der Gruft des Pariser Arbeiters, der das Zufluchtshaus erbaut und so reichlich ausgestattet hatte. Schweigend nahmen mein Begleiter und ich die Hüte ab. Der Mann mit den sieben Aemtern, der hinter uns stand, war schon durch den ganzen Garten, die Müze in der Hand, hinter seinem Direktor hergezogen.
( Fortsetzung.)
Wir sind jetzt an dem Wendepunkt in dem Leben Owen's angelangt. Er tritt aus dem Privatleben in die Geschichte ein. Gegen Ende des vorigen Jahrhunderts kam er auf einer Geschäftsreise nach New Lanark, in Schottland . Dort lernte er Herrn Dale, einen der Eigenthümer der dortigen Fabrikanlagen kennen; die Bekanntschaft mit dem Vater führte zur
|
-
Bekanntschaft mit der Tochter die Bekanntschaft zur Liebe: Owen wurde Freund und Schwiegersohn Dale's und Miteigenthümer von New Lanaik.
Im Jahre 1800 übernahm er die Leitung sämmtlicher, unter dem Namen ,, New Lanark Mills" begriffenen Etablissements. Die Fabrik in New Lanark war von Hrn. Dale und Richard