II.

( Fortsetzung.)

392

Pfingsten im Harz.

Wandererinnerungen von Robert Schweichel .

Als ein solches, die Schönheit und Anmuth bewunderndes Lächeln erscheint das hellgrüne Laub, das sich immer häufiger in den dunkeln Ernst der Föhren mischt, je näher die Ilse in ihrem schwebenden Gange der Bäumlersklippe kommt. Es verklärt sich zu einem seligen Götterlächeln von Eschen, Birken und Buchen, und die Bewunderung wird zu einem Flüstern und Rauschen, wenn sie im leuchtenden Silbergewande schüchtern und lautlos an dem Stein vorübergleitet, der ihren Namen trägt.

Wessen Herz wäre so hart oder so alt, daß es von den Zauberreizen der schönen Ilse nicht gerührt und gefangen ge­nommen würde? Den frommen Mönchen von 3lsenburg bangte es freilich in der Kutte vor so vielem Liebreiz, und sie thaten die arme Ilfe als eine Frau Venus in den Bann. Aber sie rächte sich und verführte die geistlichen Herren zu einem so aus­schweifenden Leben, und sie wurden dadurch weit und breit so übel berüchtigt, daß sie es eines Tages für gerathen hielten, sammt und sonders davonzulaufen.

Tas Kreuz und die Liebe liegen in einem ewigen Streit mit einander. So hat auch schon Mancher in der Angst vor den Verlockungen der schönen Ilse das Kreuz umklammert, das auf dem Ilsenstein sich erhebt. Dieses Kreuz, zu dem wir auf schattigen Bergpfaden hinaufstiegen, ist freilich fein firchliches Kreuz, sondern ein Denkmal ter Befreiung Deutschlands von der Herrschaft des ersten Napoleon; allein es bleibt immer ein Kreuz. Ein schmaler Steig, zu dessen Seiten einige Granitblöcke eine natürliche Brustwehr bilden, führt von dem Stock des Gebirges nach der äußersten Spitze des vorspringenden Felfenriffes, in dem Frau Ilse wohnt. Aber das Kreuz hat die holte Frau noch lange in keine büßende Magdalena verwandelt. Wie gesagt, schon Mancher, der von dieser Epige in die jähe Tiefe hinab­geschaut, hat schnell die Augen schließen müssen und die Hand nach dem Kreuze ausgestreckt, um nicht wie ein zweiter Tann­häuser sich hinabzustürzen in die Arme der Ilse, die in ihrem feuchten silbernen Gewante um den Fuß des Steines tanzt. Ein heiteres, spöttisches Lachen über den frommen Ritter, der nicht den Muth hat, der Sehnsucht zu folgen und so in den Tob zu gehen, der Ilse aus ihrem Felsen befreit, klingt aus dem Tann herauf, aus dessen Tunkel die Bäumlerklippe, der gewaltige Wefterberg, der schroffe Buchberg drohend aufragen.

Einst bildete der Ilsenstein mit dem gegenüberliegenden Westerberge eine gewaltige Felswand, und auf ihr stand das Schloß des Königs Ilsung. Selbiger war zur Zeit Gideons aus Rom vertrieben worden. Am Ausgang des Thales aber, aus Rom vertrieben worden. wo jetzt das rothe Dach des Eisenhammers durch das Laub schimmert, lag damals eine elende Hütte. In ihr hauste die Wittwe eines Zauberers mit ihrer rothhaarigen Tochter Trude. Da geschah es eines Tages, daß sich ein junger schöner Ritters­mann, Namens Ralph, zu ihnen verirrte. Trude hatte ihm nicht sobald in die blauen Augen geschaut, als sie sich auch in ihn verliebte und ihre Mutter beschwor, ihr den Ritter zu eigen zu geben. Die mitleidige Mutter bereitete aus Kräutern, welche sie um die Geisterstunde im Schimmer des Vollmondes auf den Bergen pflückte, einen Zaubertrank. Kaum hatte der arglose Ralph den Teufelstrank im Leibe, so schwur er, Trude sei das schönste Mädchen auf der Welt, und vermaß sich hoch und theuer, Jedem den Schädel einzuschlagen, der es bezweifelte. Diese etwas eigenthümliche Art der Beweisführung ist auch wohl heute noch hier nnd da im Schwange. Glücklicherweise war Niemand da, der Trudens Schönheit hätte in Frage stellen können, und so blieb der hübsche Junker Rothhaars unangefochtener Mann.

Der Chronist verzichtet darauf, die Schäfer stunden dieses Tristan und seiner Isolde zu schildern. Er fühlte wohl, daß es dazu des poetischen Genies eines Richard Wagner bedurft hätte. Ralph unterbrach die Tändeleien der Liebe nur, um etwas auf die Jagd zu gehen. Denn eine gelegentliche Rehkeule oder ein Wildschweineschinken soll schon in jenem grauen Alterthume einige heilsame und stärkende Abwechslung in Mahlzeiten gebracht haben, deren sämmtliche Schüsseln aus Liebe bestanden.

Eines Tages gerieth der jagente Ritter auf einen Holzweg, und statt zur Hütte im Thal, kam er zum Schlosse des Königs Ilsung. Ueberrascht von der Pracht des Baues, den er noch nie gesehen, stieß er ins Horn. Die Thore sprangen auf, ein Heer von Knappen und zierlich gekleideten Pagen empfing ihn und leitete ihn in ten Saal, wo König Ilsung mit seinem Hofstaate eben zu Abend speiste. Der König stand sofort auf, lüpfte höflichst seine Krone, und nachdem er mit einem melan­cholischen Händedruck, wie er einem vertriebenen Könige geziemt, den Gast willkommen geheißen, setzte er ihn eigenhändig an seine Seite.

( Fortseßung folgt.)

Kleine

Sprüche aus dem Munde der Völker. Gesammelt von F. I.

( Spanisch.)

Del agua mansa te guarda, que la rezia presto se passa. Vor stillem Wasser hüte dich,

Schnell treibt vorbei das laute sich.

Algun dia manda tanto Pedro como su amo.

Unerwartetes in der Schule.( Siehe Seite 385.) Geschenke erhalten die Freundschaft", so mag jene junge Mutter gedacht haben, welche wir auf unserm Bilde ihren geliebten Sprößling zum ersten Male in die duftigen Räume der Schulstube einführen sehen, und welche, um ihrem zagenden Analphabeten" die zarteste Unterrichts­methode zu sichern, ihm die Gunst des Schulmonarchen durch eine mit­gebrachte specfette" Gans und einen ganzen Korb voll flüssiger und fester Delikatessen verschafft. Das freudige Schmunzeln des Herrn Lehrers" zeigt, daß die schulmeisterliche Küche eine derartige Bereicherung wohl brauchen kann, und daß ihm die Gabe als ein Versprechen weiterer Korbsendungen erscheint, für den Fall, daß sein Unterricht dem geistigen und förperlichen Heile des neuen Sprößlings sich förderlich erweist. Wir zweifeln nicht, daß dieser Fall eintreten wird, wenn wir es auch dahingestellt lassen, ob die geistige Befähigung des zukünftigen Klassen­ersten oder die verschwenderische Freigebigkeit seiner für sein wissen­schaftliches Gedeihen besorgten Mutter mehr seine Schulerfolge bedingen Piensen los enamorados, que tienen los otros los ojos quebrados. werden. Jedenfalls versezt die Unterbrechung durch den unerwarteten Besuch alle Anwesenden in Aufregung, mit Ausnahme des neuen Schul­kameraden, dessen Herz durch dunkle Ahnungen von Handpatschen" und Nachfigen" und anderen präzeptorlichen Sittenverbesserungs- Ver­suchen gequält wird, denn auch seine älteren Leidensgefährten bethei­ligen sich an dem feierlichen Aufnahmeakte durch allerlei Versuche, sich für den sklavischen Zwang zu entschädigen, der sie zu anderen Zeiten zum Stillfigen" und Aufpassen" verurtheilt...

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Verantwortlicher Redakteur: W. Liebknecht in Leipzig .

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Der Tag wird kommen, wo der Knecht Dem Herren gleich an Macht und Recht.

Ein Verliebter meint, es wandre Ohne Auge jeder Andre.

Si quieres saber quanto vale un ducado, buscalo prestado. Den Werth des Thalers einzusehen, Mußt du nur einen borgen gehen.

Drud und Verlag der Genossenschaftsbuchdruckerei in Leipzig .