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II.
( Fortsetzung.)
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Pfingsten im Harz.
Wandererinnerungen von Robert Schweichet.
Pauken und Trompeten wirbelten und schmetterten von der Gallerie des Saales herab, die Flügelthüren öffneten sich und o Himmel! Ralph ließ vor süßem Schreck die Gabel fallen. Er hatte sich nie träumen lassen, daß es auf Erden ein so holdes Wesen geben könnte, als ihm jetzt, von ihren Jungfrauen gefolgt, in Ilse, der Königstochter, entgegenschwebte. Schlank und majestätisch war ihr Wuchs gleich den Tannen auf Bergeshöhen; blau wie der Himmel, warm wie die Sonne des Juli leuchtete ihr Augenpaar. Um ihre rosigen Lippen lächelte es wie ein füßes Geheimniß, das nur der Kuß des Geliebten zu enträthseln vermag; würzig und duftig, gleich dem Schatten des Waldes, wallte das dunkle Haar, welches um die Stirn von einem Diamantreifen zusammengehalten wurde, fast bis zu den kleinen Füßen hinab. Gekleidet war sie in ein weißes, silberdurchwirktes Gewand, das gleich den Wellen des Stromes im Sonnenlicht gligerte. Sie fredenzte dem Gaste in einem goldenen Pokale den Willkommentrunk, und er leerte den mächtigen Humpen auf einen Zug, denn Ralph war in allen ritterlichen Tugenden wohl geübt. Berauschender als der Trank wirkte auf ihn das Feuer von Ilsens Augen.
Die Trompeten schmetterten, die Pauken wirbelten, Flöten und Geigen seufzten, lockten und girrten. Ralph's Arm umschlang die königliche Jungfrau und dahin schwebten beide auf den Wogen des Tanzes. Die Trude war vergessen, vergessen die Ritter und Frauen, die im Tanze sich drehten.
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Im Saale tönte die Musik, aber süßer als das Girren der Flöten klang das Säuseln der vom Monde übergossenen Wälder zu den Füßen des jungen Paares. Allein standen sie auf dem Altane, der über der Tiefe schwebte allein und glücklich, Blick in Blick versenkt. Nicht das Schmachten der Flöten, nicht das Flüstern des Nachtwindes tönte so schmeichelnd süß, als das: ,, ich liebe Dich!" dieses leise girrende Zauberwort, das Ralph und Ilse in auflösender Wonne einander von den Lippen tranken. Tag um Tag saß der Ritter zu Ilsens Füßen, lauschend auf jedes Wort ihrer Liebe und trunken von ihrem Lächeln, ihren Blicken. Unterdessen irrte die arme Trude, weinend und klagend um den Treulosen, im Walde umher. Dieser Jammer ging ihrer Mutter zu Herzen, und sie versprach der Unglücklichen, daß sie Ralph wieder in ihren Armen halten sollte. Um Mitternacht ging sie hinaus aus der Hütte und stieg auf die öde Klippe, welche die Ottobank heißt, und die den Ilsenstein weit überragt. Dort redete sie mit den Geistern, die auf den Höhen wohnen, mit den Geistern, die auf dem Sturm hinter der Schneekönigin einherreiten und deren flüchtige, wirbelnde Nymphen in wild scherzendem Uebermuthe zu haschen suchen. Und die Geister, welche das Unrecht vergelten, das man den Armen anthut, neigten sich gnädig der alten Here.
" Ehe das Schneeglöckchen wieder blüht, soll er in deinen. Armen ruhen!" tröstete heimkehrend die Alte.
,, Ehe das Veilchen blüht, bist du mein Weib!" flüsterte Ralph der hold erröthenden Ilse zu, die emfig an ihrem Hochzeitskleide stickte. Wie weiß diese Hand ist," murmelte der verliebte Ritter , ,, weißer als der Schnee, der draußen auf den Bergen bis zu den Wolken aufragt!" Er bückte sich auf die fleißig stichelube Hand.„ Au! au!" schrie Ilse. Der Kuß hatte ihr die Nadel in den Finger gedrückt und ein purpurrothes Tröpfchen perlte an der Spitze des weißen schlanken Fingers. Ralph aber preßte haftig seine Lippen auf die Wunde und sog und sog und sog.
„ Ich habe von Deinem Blute getrunken," jubelte er, jetzt bermag uns keine Macht mehr zu trennen!"
Seit Menschengedenken war aber in feinem Winter so viel Schnee gefallen wie in diesem.
,, Bald, bald wird er in Deinen Armen ruhen," tröstete die Zaubermutter ihre verzweifelnde Tochter.
In vierzehn Tagen bist Du mein!" jubelte Ralph und drückte die reizende Braut an sein Herz. Siehe, der Westwind hat sich aufgemacht und schmilzt den Schnee auf den Bergen; schon rauschen die Wasser zu Thal!"
Ja, die Wasser rauschten zu Thale , mit jedem Tage, jeder Stunde mächtiger und gewaltiger. Der laue Westwind ward zum heulenden Sturm, und zu den Schneewassern stürzte unendlicher Regen aus den Wolken. Der Westerberg zitterte und bebte unter der Gewalt der andrängenden Fluthen, die ungeduldig nach einem freien Ausgang in das Thal suchten. Sie drangen in seine Risse und Fugen ein, immer tiefer und mächtiger. Der Fels begann zu wanken und zu schwanken. Aengstlich hing Ilse an dem Halse ihres Verlobten. Da stöhnte der Berg tief auf, wie ein sterbender Riese ein fürchterliches Krachen folgte- und zertrümmert stürzte das Schloß mit seinen Bewohnern in die rasend heulenden Strudel. Hindonnerten jetzt zwischen den gesprengten Felsen die befreiten Wasser zu Thal.
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Auf einem Steine mitten in den schäumenden Wogen kauerte Trude. Ihr rothes Haar flatterte im Winde, ihre nackten Füße besprühte der brandende Gischt. Da trieben die Wellen den Leichnam Ralph's heran. Trude bückte sich nach ihm, sie erfaßte ihn, aber ihr Fuß glitt aus und sie stürzte in das Wasser. Als die Fluthen sich verlaufen hatten, da lagen sie beide, Ralph und Trude, vereint zu den Füßen der wehklagenden Zaubermutter.
Ilse aber ward von den Wasserniren aus den Wellen gerettet. Sie durfte leben und lieben. Doch in ihrer Liebe sollte sie hinfort ihre Strafe dafür finden, daß sie der armen Trude einziges Glück gestört hatte. Noch klagend um den Ritter fand sie Heinrich der Vogler auf dem Stein, und seiner Liebe gelang es, sie zu trösten. Sie waren glücklich mit einander; allein eines Tages verließ der Kaiser sie dennoch, verließ sie treulos, wenngleich mit blutendem Herzen, wie fortan Jeder, den einmal ihr Liebreiz entzückte, ihre namenlos wonnige Umarmung berauschte. Klagend und weinend um den Treulosen sizzet sie noch heute auf ihrem Stein, das reizende Weib mit dem marmorweißen Leibe und dem dunklen Gelock, das bis zur Sohle des Thales hinabwallt, breitet die Arme in lockendem Verlangen nach dem Liebling aus und flüstert melodisch wie die murmelnde Welle:
,, Komm in mein Schloß herunter, In mein krystallenes Schloß,
Dort tanzen die Fräulein und Ritter , Es jubelt der Knappentroß.
Es rauschen die seidenen Schleppen, Es klirren die Eisensporn',
Die Zwerge trompeten und paufen Und fideln und blasen das Horn. Doch dich soll mein Arm umschlingen, Wie er Kaiser Heinrich umschlang; Ich hielt ihm zu die Ohren,
Wann die Trompet' erklang."
Reisende, die mit ihren Führern von Ilsenburg herauffamen, unterbrachen die schöne, festtägliche Stille auf dem Stein. Wir warfen noch einen Blick nach den rothen Dächern des laubreichen Ilsenburg, einen Blick das schöne Thal hinauf, bis zu dem Brocken, der inzwischen seinen Nebelmantel völlig abgeworfen hatte, und schieden. Es waren köstliche Augenblicke, die wir auf dem Stein verlebt hatten, und nicht minder schön war das Verweilen bei den Ilsefällen gewesen. Wir waren dort in das Flußbett hinabgeklettert, und hatten uns frühstückend auf einen großen flachen Stein gelagert. Die Bäume auf beiden Ufern wölbten ihr Laubdach über uns und uns entgegen hüpfte die flare Ilse in einer Folge munterer Sprünge.
Wir zogen den Fuß der Ottobank entlang über den kuppelartigen Ludgenberg, dessen Gipfel zum Theil abgeholzt ist, nach der Plessenburg. Die Plessenburg ist ein einfaches, architektonisch unschönes gräfliches Jagdhaus, in welchem man für ein Trink