gelb mächtige Hirschgeweihe sehen kann. Seine Lage aber ist hübsch. Es bildet den Stern des umschließenden Hochwaldes. Vor dem Forsthause herrschte ein reges Leben und Treiben. Es waren viele Feiertagsgäste da, die zu Wagen heraufgekommen waren, und jeden Augenblick langten neue Wanderschaaren an, deren Führer unter Koffern und Reisesäcken schwitzten. An dieses Forsthaus knüpft sich eine literaturhistorische Er- innerung.Die bezauberte Rose" von Ernst Schulze  , und seine Cäcilie" finden sich ja wohl noch heute häufig auf dem Büchertische junger Damen. Manches schöne Auge hat gewiß heimliche Thränen auf die Kränze fallen lassen, die Schulze aus den Blu- men seiner Schmerzen in tadellosen Versen flicht. Auch sagt man, daß der Dichter auS Liebesgram gestorben sei. Die Schöne, die er als Cäcilie besingt, war eine Waldblume der Plessenburg, die Tochter des Försters. Ernst Schulze   lernte sie auf einer Wanderung durch den Harz kennen. Er kam nun oft von Göt- tingen herauf, wo er Privatdozent war. Aber es war eben die alte Geschichte, und es sollte ihm von der Geliebten nichts zu theil werden, als ihr zitterndes Abbild in melancholischen Versen. Seine LiebeS- und Leidensgeschichte liegt in den Briefen des Gleim-Archivs zu Halberstadt   begraben. Von der Plessenburg leitete uns eine Zeitlang die Chaussee gemächlich höher hinauf. Der Wald lichtete sich, und zur Rechten begrenzten die Wolfs- und andere scharfzackige Klippen, über welche der Brocken gleich einem Gewölk herüberschaute, den Hori- zont. Felsblöcke begannen den Weg zu belagern. Sie wurden mit der Höhe häufiger und größer. Zwischen ihnen verließen wir die Chaussee. Ein Tannenwald umfing uns, zwischen dessen Stämmen immer riesigere, zum Theil übermoste FelSstücke lagerten. Endlich links und rechts nichts als Felsblöcke in, neben und über- einander geschoben und gestürzt, dazwischen entwurzelte Föhren- stämme, während andere hoch und schlank dastanden, noch andere mit ihren Wurzeln an den nackten Stein sich klammerten. Es war, als ob hier die Hand eines Dämons in wilder ZerstörungS- lust eine Welt in Trümmer geschlagen hätte. Das Volk nennt diese Stelle die Teufelsburg und hinter ihr liegt, dem Brocken zu, die Hölle, aus welcher die Holzemme stammt. Hier trifft wenigstens die Behauptung nicht zu, daß der Weg zur Hölle breit, glatt und eben sei. Von allen Seiten sickert das Wasser unter den Steinen her- vor und vereinigt sich in der Mitte dieser Trümmer zum Bach, zum Flüßchen, im Herbst und Frühjahr aber zum rasenden Berg- ström. Dort sprudelt das klare Wasser über abgeschlissene Granit- massen, stürzt jetzt 30 bis 50 Fuß über die Felsen hinab und rinnt dann in geschwätziger Eile weiter bis zum nächsten jähen Sturz, und so geht es fort bis zur Thalsohle. Es muß ein köstlich wildes Schauspiel gewähren, die Holzemme zur Zeit der Schneeschmelze oder nach starkem Regen über diese gigantischen Felsentrümmer, die das schmale Thal bis zum hohen Rande er- füllen, schäumend stürzen zu sehen! An einigen Stellen verbinden Brücken die beiden Ufer der Holzemme. Aber einen weiten Ueberblick über die steinerne Renne gewinnt man von keiner. Man überschaut nur die allernächsten Fälle. Wir fanden auf einer der Brücken eine treffliche Staffage zu den Felsentrümmern der steinernen Renne. Es war auch eine Ruine, aber eine Menschenruine: ein Kämpe aus den Jahren 1813, 14 und 15 in Jnvalidenuniform. Er war, wie seine etwas gelähmte Zunge mühsam hervorbrachte, überall mit dabei gewesen. Dafür hatte ihm dasdankbare Vaterland" auf seine alten Tage die Erlaubniß gewährt, auf der Brücke über die steinerne Renne zu betteln. Seine Frau saß strickend am Wege auf einem Mäuerchen, das sie zum Niedersitzen für die Reisenden mit dickem Tannenreisig belegt hatte, und überwachte mit einem Auge den Alten, mit dem andern ihren Topf, der auf einem Feuer unter einem vorspringenden Steine kochte. (Forlsetzung folgt.) Valentin.(Siehe S. 336.) Wer kennt nicht Valentin, die leben- dige Guillotine des Worts, den tragikomischen Henker der Redefreiheit im Deutschen Reichstag? Ten Donquixote im Windmühlenkainpf gegen reichsfeindliche Gedanken? Donquixote, ja; wer kennt nicht das Bild des unsterblichen Ritters von der traurigen Gestalt? Ihr wollt wissen, wie unser Valentin aussieht? Zieht dem Hidalgo aus der Mancha statt der schlottrigen Ritterrüstung einen schlottrige» Rock   oder Frack mit schlottrigen Hosen an, und ihr habt die auffallendste Portraitähnlichkeit: dieselben schlottrigen, ungelenken Glieder, derselbe schlottrige, ungelenke Gang; nur das blöde, wasserblaue, realpolitische Auge stimmt nicht zu dem spanischen Lriginal-Donquixote, der ja, wie Heine das so schön ausgeführt hat, ein herrlicher, hehrer Idealist war oder ist; denn der Donquixote des Cervantes   lebt und wird leben, wird ewig leben, während die platten Kopien, auch die unsrige, nebst dem, was drum und dran hängt, gleich anderen Eintagsfliegen rasch den Weg alles Fleisches gehen und der Nachwelt höchstens als einbalsamirte Kuriosi- täten und Monstrositäten in kulturhistorischen Museen erhalten werden. Unserem" Valentin denn den lassen wir uns nicht nehmen weisen wir hiermit sein Plätzchen in den, Raritätenkabinet derNeuen Welt" an, und hoffen, ihm so wenigstens ein Stückchen Unsterblichkeit (deren es ja bekanntlich verschiedentliche Gattungen gibt gute und schlechte: Unsterblichkeilen des Verdienstes, der Infamie, der Lächerlich- keil u. s. w.) gesichert zu haben. Und nun lassen wir den biographischen Abriß folgen, welchen Hirth's Parlaments-Almanach dem Manne gewidmet hat: Valentin  , Hermann Friedrich, Justizrath,� Rechtsanwalt und Notar außer Diensten, Mitgl. des Aufsichtsralhes der Kontinental- Telegraphen-Kompagnie, wohnhaft in Kreischa   bei Dresden  . Geboren 12. April 1812 zu Berlin  (evangelisch). Besuchte das Gymnasium zum grauen Kloster in Berlin   bis Mich. 1829, studirte von 1829 bis 1831 in Berlin  , bis Ostern 1832 in Bonn  , Ostern bis Michaelis 1832 wieder in Berlin  . Michaelis 1832 bis dahin 1834 Kammergerichts- Referendar, 1838 Kammergerichts- Assessor und beim Stadtgericht zu Berlin   beschäftigt. Von Ostern 1839 bis Juni 1841 Hülfsarbeiter beim Land- und Stadtgericht zu Tilsit, von da bis Juli 1844 Rechts- anwalt und Notar beim Oberlandesgericht zu Cöslin  , vom Juli 1844 bis Ende 1866 Rechtsanwalt und Notar beim Kammergericht zu Berlin  , erhielt 1859 den Charakter als Justizrath, ward 1853 zum Stellver- Verantwortlicher Redakteur: W. Liebknecht in Leipzig. treter, 1856 zum Mitgliede des Ehrenraths der Rechtsanwälte und Notare im Departement des Kammergerichts erwählt und fungirle als solcher bis zum Niederlegen seiner Amtsthäligkeit Ende 1866. Während der ersten Legislaturperiode des deutschen   Reichstags, 1871, 73, Mitglied für Meiningen  -Hildburghause». Wahlkr.: Fürstenthum Schwarzburg  - Sondershause».(Nat.-lib.)" * * Tie letzte Reise.(Seite 397.) Ein Bildaus dem russischen Volksleben" nennt sich's, und es ist auch wirklich in Rußland   auf- genommen, aber, wenn die im übrigen Europa   nicht vorkommende Bespannung, namentlich das gewölbte Joch, nicht wäre, und die Tracht des Weibes nicht die Heimath verriethe, so könnten wir den Schauplatz ebenso gut in viele Gegenden Deutschlands   und anderer Länder, die Winterlandschaften aufzuweisen haben, verlegen. Ter rohgezimmerle Sarg birgt die Reste des einst so kräftigen Mannes, der im Kampf um das Dasein erlegen, Frau und Kinder arm und Hülflos zurück- gelassen hat. Leichenwagen gibt es dort nicht, und die einsame Hütte liegt so weit ab von dem Torf und dem Dorfkirchhof, daß es unmöglich war, den Sarg hinzutragen, auch wenn sich Freunde gefunden hätten und hätten sie sich gefunden? Wie selten dieFreunde in der Roth" sind, davon wissen die Sprüchwörter aller Völker zu erzählen. So muß denn die Witlwe selbst dem tobten Gattendie letzte Ehre" erzeigen. Dumpf brütend sitzt sie da und denkt der Vergangenheit, die ihr irotz des erlittenen Elends jetzt so sonnig erscheint; und aus der Ver- gangenheit schweift ihr Blick in die schwarze, hoffnungslose Zukunft. Hoffnungslos? Der Knabe und das Mädchen, die frierend sich an den Sarg des gestorbenen Vaters drängen, leben sie nicht? Sind sie nicht freundliche Sterne, welche die düstere Nacht erhellen? Das Mutlerauge blitzt hoffnungsvoll auf. Doch ach! Ja, die Kinder leben aber wie sie dem Leben erhalten? Ter Ernährer fehlt; wie den Wolf: Hunger von der Thüre der ärmlichen Hütte wegtreiben?-- Sie würde gern sterben aber die Kinder! Sie sinnt und sinnt die Zügel sind ihren Händen entsunken mag das Pferd noch so langsam dahin- schleichen, sie hat keine Eile, sie kommt immer noch zu früh an das Grab ihres Glücks.-- Und ist die letzte Erdscholle auf den Sarg ge- warfen, dann fort in den verzweifelten Kampf um das Dasein der Kinder! Druck und Verlag der Genoffenschaflsbuchdruckerei in Leipzig  .