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Alfred Edmund Brehm  .

( Siehe das Bild Seite 456.)

Es hat einmal irgend Jemand den Ausspruch gethan, daß es sehr selten sei, wenn der Sohn eines berühmten Mannes sich ebenfalls einen großen Namen erwerbe. Im allgemeinen müssen wir nun freilich zugeben, daß in der Kunst- und Literaturgeschichte uns wirklich wenige Männer begegnen, deren Väter schon auf demselben Gebiete hervorleuchteten. Von den Söhnen unserer hervorragendsten Dichter und Denker weiß man in der That oft nur sehr wenig zu berichten. Meistentheils mag dies nun wohl seinen Grund darin haben, daß man an den Sohn mit dem Maßstabe des Vaters tritt, und daß dann der erstere im Ver­gleich zu diesem unbedeutend erscheint.

Umsomehr freut es uns, unseren Lesern heute das Bild eines Mannes zu bieten, der das Glück hat, der berühmte Sohn eines berühmten Vaters zu sein. Der Name Brehm   hat schon seit einem halben Jahrhundert in der deutschen   naturwissenschaftlichen Literatur einen guten Klang. Christian Ludwig Brehm   war seinerzeit einer der bedeutendsten Ornithologen*). Er lebte seit 1813 in dem thüringischen Dörfchen Renthendorf   bei Gotha   als Pfarrer. Von früh bis spät war er aber neben seinen Amts­geschäften damit beschäftigt, das Weben und Walten der gesammten Natur, namentlich aber der deutschen   Vogelwelt, zu belauschen. Der Wissenschaft nüßte er nicht nur durch systematische Klassifi­tation, sondern er machte sich auch durch sein Studium über die Lebensweise der einzelnen Vogelfamilien höchst verdient. Durch zahlreiche populäre Schriften suchte er aber auch das Volk für die Wunder der Natur zu begeistern, ermahnte es zum Schutze der nützlichen Thiere, und klärte es über deren Nutzen oder Schaden auf.

Alfred Edmund Brehm   ist der Sohn dieses Mannes. Er wurde am 2. Februar 1829 zu Renthendorf   geboren. Der Vater beschäftigte sich sehr viel mit seinen Kindern, und nahm seine drei fräftigen Burschen bei seinen Wanderungen durch Flur und Hain, wenn es irgend anging, mit. So wurde schon von frühster Jugend die Liebe zur Natur in das Herz des Knaben gepflanzt, aber spielend wurde auch durch die Erzählungen des Vaters und durch eigene Beobachtungen und Wahrnehmungen ein reicher Wissensschatz in seinem Gedächtnisse niedergelegt. Zu seinem achten Geburtstage erhielt er von seinem Vater eine fleine Vogelflinte zum Geschenk, mit der er noch an demselben Tage eine Goldammer erlegte, den der Vater eigenhändig ausstopfte und in seine Sammlung aufnahm. Des Knaben größtes Ver­gnügen war nun, durch Wald und Feld zu schweifen, sich im Schießen zu üben und allerlei Sammlungen anzulegen.

Zum Jünglinge herangereift, war sein ganzes Trachten dar­auf gerichtet, in die weite Welt zu wandern, die Thiere fremder Erdtheile zu sehen und ihr Leben zu studiren. Dieser Wunsch sollte eher in Erfüllung gehen, als Brehm   es selbst gedacht. Ein reicher Mann und Naturfreund, der Baron John Wilhelm Müller  , gab unserm Alfred und dessen älteren Bruder die Mittel, eine wissenschaftliche Reise nach Afrika   zu unternehmen. 3m Juli 1847 verließen beide Brüder das väterliche Haus, in welches Alfred erst im Mai 1852 allein zurückkehrte. Sein Bruder war im Nil vor seinen Augen ertrunken, ohne daß er ihm die Hand zur Rettung reichen konnte. Allein hat er seine Reise durch Aegypten  , Nubien  , Sennaar und Kordofan fortgesetzt, *) Ornithologie, Vogelkunde; Ornithologe, Erforscher der Vogel­

welt; ornithologisch, die Vogelwelt betreffend.

überall jagend und sammelnd. Mit reichen Kenntnissen und Erfahrungen war er in die Heimath zurückgekehrt. Die Ergeb­nisse seiner Reise legte er in seinem dreibändigem Werke: Reise­skizzen aus Nordostafrika"( Jena   1853) nieder.

Um seine wissenschaftlichen Studien zu vollenden, bezog er jetzt die Universitäten Jena   und Wien  ; namentlich in letzterer Stadt fand er unter Profeffor Fizinger's Leitung Gelegenheit, sein reiches Wissen noch werthvoll zu erweitern. Eine wissen schaftliche Reise nach Spanien   machte den Schluß seiner Stu­dien, worauf er sich( 1858) als Lehrer am Gymnasium und an einer höheren Töchterschule zu Leipzig   niederließ. Neben seinen Berufsgeschäften verfolgte er doch eifrig das Studium der Natur. Sein berühmtes Werk: Das Leben der Vögel" wurde hier an­gefangen; da ihm jedoch die Kenntniß der nordischen Vögel fehlte, so unternahm er jetzt eine Reise nach Norwegen   und Lappland  . Kaum war er von dieser zurückgekehrt, so wurde er von dem Herzog Ernst zu Koburg- Gotha zu einem Jagdausfluge nach den Bogosländern in Nordostafrika eingeladen. Brehm   besann sich nicht lange, sondern schloß sich mit seiner jungen Frau der Ge­sellschaft an. Seine Kenntniß von der ersten Reise her befähigte ihn sehr gut zum Führer, und später verfaßte er den Bericht über die zoologischen Ergebnisse dieser Reise. Nach Leipzig   zurück­gekehrt, erhielt er im folgenden Jahre einen Ruf als Direktor des zoologischen Gartens in Hamburg  . Bis zum Jahre 1867 blieb Brehm   in dieser Stellung und machte den Garten zu einem der bedeutendsten in Europa  . Die vielfachen und unerquicklichen Streitigkeiten mit dem Verwaltungsrath daselbst veranlaßten ihn zum Aufgeben dieser Stellung, da unterdeß an ihn der Ruf zum Direktor des neu zu erbauenden Aquariums in Berlin   er­gangen war. Unter seiner Leitung entstand diese großartige Naturanstalt und wurde nach seinen Angaben bevölkert. Auch diese Stellung sagte ihm nicht zu, und er gab dieselbe auf, um sich ganz der wissenschaftlichen, schriftstellerischen Arbeit hinzugeben.

Eine Aufforderung des Bremer Vereins zur Erforschung der nördlichen Länder bestimmte Brehm, im Frühjahr dieses Jahres in Gemeinschaft mit Dr. Fintsch und dem Grafen Waldburg- Zeil eine wissenschaftliche Reise nach Sibirien   zu unternehmen. Die Reisebriefe, die bis jetzt veröffentlicht sind, lassen reichliche Erfolge des Unternehmens erhoffen, worüber wir unseren Lesern später Mittheilung zu machen gedenken.

Brehm   hat außer seiner praktischen Wirksamkeit eine umfang­reiche schriftstellerische Thätigkeit entfaltet. Sein Hauptwerk ist das, Illustrirte Thierleben", von dem die von Schöbler be­arbeitete Volksausgabe ja die weiteste Verbreitung gefunden hat. Mit Roßmäßler gemeinschaftlich verfaßte er das reich illustrirte Werk: Die Thiere des Waldes." Auch sein gediegenes Buch über die ,, Gefangenen Vögel" verdient die Aufmerksamkeit aller Vogelfreunde. Seine zahlreichen Arbeiten und ornithologischen Aufsätze in wissenschaftlichen Zeitschriften, sowie seine populären Beiträge in vielen deutschen   Familienblättern haben seinen Namen in allen Kreisen ehrenvoll bekannt gemacht. Weit über Deutsch­ lands   politische und Sprachgrenze hinaus wird seiner ehrend ge­dacht, denn die meisten seiner Werke haben auch bei den Gelehrten anderer Nationen gebührende Beachtung gefunden und sind in fremde Sprachen übersetzt worden.- Möge Brehm   noch recht lange sich der Gesundheit erfreuen, um der Wissenschaft mit seinen reichen Kenntnissen zu dienen.

Ein Proletarierkind.

( Fortsetzung.)

Denk trat an das Bett. ,, Sind Sie Herr Eder?" fragte er. Die bleiche, verkommene Gestalt richtete sich mit einem blöden Lächeln etwas in die Höhe. Ja, was wollen Sie?" ,, Kann ich Ihre Tochter sprechen?"

Die Marie?"

Ja."

,, Sie ist nicht zu Hause." ,, Wird sie bald kommen?" ,, Das weiß ich nicht." ,, Wo ist sie denn?"

H. St.