einigemal hatte er mit ihr getanzt; auch erschien es Gertrud auffällig, daß ihr Gemahl vorhin sich so lange mit dem Geheim­rath von Ennsbeck unterhalten, während er doch sonst die jüngeren Freunde zu suchen pflegte

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Nur einige Paare begegneten den ruhig Dahinschreitenden noch; die anderen waren drinnen bei dem Kärmen der Gäste, gedämpfte Stimmen drangen nach dem Promenadensaal heraus.

Ihr Begleiter richtete dann und wann ein Wort an die schöne Gräfin, aber diese antwortete nur zerstreut. Eine Unter­haltung war mit ihr heute nicht anzuknüpfen.

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Die Umgebung, das Plätschern der Springbrunnen, die rothen Blüthen der Oleander und die vielen anderen Blüthen, welche zwischen den grünen Blättern der hohen Pflanzen hervorquollen, die aus dem Grün der Guirlanden lauschenden, tausend bunten Knospen, das Ganze von dem magischen Licht der blauen Ampeln und der Lampions übergossen, dies Alles schien Gertrud's ganzes In­teresse in Anspruch zu nehmen.-

Man hörte, wie drinnen die Violinen wieder zu spielen be­gannen. Eiligen Schrittes gingen die vor den beiden Dahin­schreitenden in den Ballsaal zurück. Auch Gertrud konnte bemerken, wie ihr Begleiter in höflicher Weise sie daran erinnerte, daß es Zeit sei, wieder hinein zu gehen.

,, Bitte, lassen Sie mich, Herr Heidloff! Diese Kühle thut mir so wohl!" sagte Gertrud mit einem erzwungenen, leisen Lächeln, und nach einer artigen Verbeugung kehrte Herr Heidloff in den Saal zurück. Er hatte für den folgenden Tanz bereits wieder eine der Damen engagirt und mußte nun eilen, diese auf­zufordern. Wenn man ,, der Sohn des Hauses" bei einem Berliner Ballfest ist, hat man so viel zu thun, um die Liebens­würdigkeit der Familie in das hellste Licht zu setzen. Ja, es war Gertrud wohl und süß. wandelte sie weiter.

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zur Thüre ihrer Wohnung; sie sieht die ehrwürdige Ge­stalt des alten Grafen: Fritz, Fritz! Die Güter deiner Ahnen werden nicht für dich auf der Erde sein!" Sie fühlt es nun recht merkbar, wie falt, wie rücksichtslos kalt das Benehmen des Grafen so oft gegen sie gewesen, und dann sieht sie einen armen, armen Menschen, dem man seine treue, reine Liebe so schändlich gelohnt,-sie sieht ihn zusammenbrechen über dem Zeichenbrett,- halb wahnsinnig vor Zorn und Schmerz.

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Jetzt ist Alles aus, Gertrud, jetzt gibt es feine Rücksicht mehr! Sie sollte noch länger weilen in einer Sphäre voll Schmutz und Koth, wo Lug und Trug sie umschmeicheln und umgarnen, sie sollte sich noch festhalten lassen von einem ge­wissenlosen Menschen, von diesem erbärmlichen Wüstling?

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Die ganze Macht ihrer Liebe begann wieder im Herzen Gertrud's empor zu steigen, jetzt mochte es enden wie es in den Fluthen der wollte, in den Wassern der Spree , Verzweiflung:- eins war ausgemacht, jetzt gab es keine Rücksicht mehr, gar teine! Fessellos stürmte das lange genug im Banne gehaltene Herz vorwärts, und keine Macht der Menschen hätte es aufzuhalten vermocht.

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Man lockt und

Im Saale drinnen schmetterten die Trompeten, und die Töne der Violinen jagten sich in rasendem Tanz. Fort, Gertrud, fort von dieser Stelle! lockt dich immer tiefer in's Verderben. Du mußf nach Hause, du mußt zum Vater, alles mußt du ihm sagen kann ja nicht so unbarmherzig sein. Und dann mußt du zu ihm,- zu Johannes. D, wie er raft, der arme, arme Mann!

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alles:

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er

Diese Pforte dort, ganz in der rechten Ecke des Saales, diese kleine Pforte, sie muß sich öffnen, gewiß! sie muß sich

Langsamen Schrittes öffnen.

Was das für eine prächtige Grotte ist, da, wo der Schalk Amor in violetter Beleuchtung vor dem mit lieblichen Schling­pflanzen bewachsenen Felsen schießt! Auch ein Spring­brunnen ist dabei,- und wie fröhlich, wie munter der plätschert, wie die glitzernden Perlen in der Grotte spielen und den Fels benetzen, als wollten sie ihn necken, jenen verliebten Schalk! Da mag sich's süß ruhen, gar füß!

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Und Gertrud ist im Begriff, unter dem Laubzweig hindurch in die Grotte zu treten und dem lauschigen Plätzchen sich zu nähern.

Aber, wie?- Klang es da nicht gleich dem Flüsterton eines heimlichen, still vertrauten Gesprächs heraus, strahlt da nicht ein dunkles, feuriges Auge in seliger Wonne, und fluthen dort nicht üppige, tiefbraune Locken auf einen marmorweißen Nacken hernieder?

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Und einen Augenblick ist's Gertrud, als stände sie in jenem Nebensaal im Opernhause, wo sie damals ihren Gemahl an der Sie streicht Seite ihrer besten Jugendfreundin" geschaut. hastig mit der Hand über die Stirn. Ist's Traum? Ist's Wirklichkeit? Nein,

es flüstert?

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das ist keine Täuschung; hörst du nicht, wie süß Und schimmert dort nicht ein violettes Kleid? Aber das mag der Widerschein des glänzenden Aimorbildes sein. Nein, Gertrud, nein! Es ist kein Widerschein, kein Widerschein!

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Du weißt es wohl, warum du unwillkürlich näher getreten, warum es dich willenlos in das duftige Laubgewinde hinein­gezogen, wo das milde, violette Licht dein bleich gewordenes Antlitz übergießt, nein, Gertrud, es ist kein Widerschein.

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Dort ruhen sie, trunken Auge in Auge getaucht, glühend Brust an Brust gelehnt, und um die weißen Schultern schlingt sich ein kräftiger Arm, und eine von schimmernden Ringen strotzende Hand wühlt in den fluthenden, üppig herniederwallenden Gertrud, o Gertrud! Es ist kein Widerschein! Locken,

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Und doch! Ein Widerschein von Allem, was das Herz der Armen bisher bewegt, von Allem, was ihr keine Ruhe läßt bei Tag und Nacht! Und sie ist wieder beim Ball im Opern­hause, sie sieht Ludmilla zur Thür hereinhüpfen, fast täglich,

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Hurtig die Treppe hinunter, daß der böse Dämon dich nicht ereile, über den Hof, links die kleine Thür, ja, dort ist die kleine Thür. Gertrud kennt sie gar wohl; denn sie hat ja einst mit der kleinen Heidloff in diesem Hause, in diesem Hose gespielt.-

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Entsetzlich! Die Thür ist verschlossen, ohnmächtig rüttelt und zerrt die Arme an dem Gitter. Die Hunde bellen. Das Herz der Fliehenden bebt vor Angst und ihr Busen wogt in stürmischer Erregung auf und ab.

Sie möchte um Hülfe rufen. Die beiden Hunde, wenn sie nur ruhig wären.

,, Damon ! Horch!

tönen Schritte.

Diana!"

Im Korridore dort, der nach dem Hofe führt, Und Schlüssel raffeln.

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Der alte Portier hat seine Wohnung am Haupteingang; Da aber er hört nur gar zu gut, wenn die Hunde bellen. tritt er schon aus der Thür, o, wenn sie über das Gitter springen könnte!-

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,, Gnädiges Fräulein! Wohin, wohin? Gnädiges erlauchte Frau Gräfin , wohin?"

Glücklicherweise ist dies ja der alte Martin, der Gertrud einst so oft die Thüre geöffnet.

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,, Um Gott ! Sie, wirklich Sie, erlauchte Frau Gräfin !" ruft der Alte angsterfüllt, und leuchtet mit seiner Laterne empor. Ich beschwöre Sie, Martin, ich beschwöre Sie, öffnen Sie." Die Hunde hängen an der Kette, gnädige Frau Gräfin , fie können nicht..."

,, Nicht die Hunde, nicht die Hunde,

öffnen Sie!"

,, Aber, gnädige Frau..."

- ich beschwöre Sie,

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" Deffnen Sie einer Unglücklichen, ich beschwöre Sie! Schnell, schnell!"

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Einer Unglücklichen? Der alte Martin hat schon ganz den Kopf verloren; seine Knie schlottern, und die Hände zittern ihm. Gertrud greift in fiebernder Haft nach dem Schlüffel­bund in seiner rechten Hand:

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Schnell, schnell!"

Fast ohne es zu wissen, hat der Alte den Schlüssel nach dem Schloß geführt und umgedreht.