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,, So, Martin, so!" Gertrud eilt von dannen. Dort an ter Ecke, da müssen Droschten stehen-die Sinne eines mächtig Erregten sind ja doppelt stark, ja, da müssen Droschken stehen.

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,, Um Gotteswillen, erlauchte Frau Gräfin  !" Der Alte spricht's zitternd und eilt der Fliehenden nach, ohne zu wissen, weshalb und wohin... Ja, da stehen Droschken..

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Schweigen Sie, Martin, schweigen Sie!" ruft Gertrud dem Alten zu in einem Tone, von dem man nicht weiß, ob er leise oder laut sein soll, ach, in einer großen Stadt laufen auch so schnell viele neugierige Leute herbei. Schweigen Sie, Martin! *** straße, Nummer 10!"

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Der Und der Kutscher   rüttelt sich aus seinem Schlafe auf, alte Paul schauert zusammen,-die Zügel werden angezogen, ein Peitschenhieb und fort rollt der Wagen.

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mi, bi!

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,, Gnädige Frau Gräfin, genädige Frau Gräfin  !" ruft rathlos noch der alte Martin und schaut wie von Sinnen der dahin rollenden Droschke nach.

Was passirt sei, fragen die Leute, als sie ihm noch mit der Laterne stehen sahen, und der alte Martin sagt ,,, das neugierige Pack" brauche nicht alles zu wissen; man schimpft und er schimpft wieder, und wenn er sich nicht entschlossen hätte, kopfschüttelnd zurückzugehen, hätte es ihm noch schlecht ergehn können.

Die Droschte hielt bald vor dem Hause, in welchem einst der nach dem Tode der Frau Margentheim aufgegebene kleine Schnittwaarenladen sich befand.

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" Hier!" und der Kutscher   hat ein Fünfmarkstück in der Hand,-Gertrud wußte nicht, was sie ihm gegeben.

Verwundert blickt dieser ihr nach. Sie springt auf das Trottoir und rüttelt an der Thür. Dieselbe ist natürlich ver­schlossen. Da muß sie ja klingeln. Sie reißt am Klingelzug. Niemand öffnet. Vor Frost und Erregung zitternd, klingelt sie wieder.

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Endlich öffnete sich die Thür, eine Thür drinnen im Hause. Schritte fnarren auf der Treppe, und in seiner Belzmüße und im Schlafrock kommt der alte Margentheim im Flur dahergeschleift. Er läßt Gertrud herein. Der Kutscher hat Alles beobachtet; nun

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sieht er nichts mehr, er lenkt daher um und der Wagen fährt langsam von dannen

Der alte Margentheim war nach dem Tode seiner Frau in die erste Etage des Hauses gezogen; der Wirth hatte sich ja längst beruhigt, da er wußte, daß Herr Margentheim der Schwieger­vater des Grafen Fritz von Feldersberg war...

Da stand Gertrud, welche unwillkürlich die Hand des Vaters ergriff, der, eine Kerze in der einen Hand, sie mit der anderen hinter sich herzog; sie wußte kaum, wie sie die Treppe hinaufgekommen war. Auch der alte Margentheim wußte es wohl kaum, so ganz verwundert sah er seine Tochter an, als er das Licht auf den Tisch gestellt. ,, Wie kommst Du hierher, Gertrud? Was willst Du, Gertrud? Woher zu dieser Stunde?" rief er, fort und fort die Pelzmüße auf seinem Kopf hin und her rückend.

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Er sah jetzt erst, daß Gertrud nur ein leichtes Ballkleid trug und ohne Kopfbedeckung war.

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,, Vater, sie verfolgen mich!" schluchzte Gertrud. ,, Sie verfolgen Dich? Wer -Wer verfolgt Dich, die Wer wagt Gräfin von Feldersberg? Weiter kam er nicht, denn er mußte sich mühen, halb noch schlaftrunken, die Wankende in seinen Armen zu halten. Er wankte mit, und die Pelzmütze fiel ihm dabei vom Kopfe: ,, Gertrud, Gertrud!"

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Auf dem Sopha lag der schöne Leib, manchmal heftig zu­sammenzuckend, ach, es war keine liebe, gute Mutter mehr da, die sich voll treuer Sorge und mit den müden Augen darüber beugen mochte..

Der alte Margentheim sah einmal um das andere das bleiche Gesicht seiner Tochter an: ,, Wer, wollte sie verfolgen? sie hätten sie schon verfolgt? Wer nur, wer nur?" Dann ging er mit großen Schritten in der Stube auf und ab, die Stirne runzelnd, als überlege er sich irgend etwas,- vielleicht, wie jenes Papier am besten zu verwerthen sei, oder wie man aus einer gerade vorhandenen Geldverlegenheit am leichtesten herauskommen könne.-Als die Kerze nieder­gebrannt war und das dauerte nicht allzulange begab sich der feine Mann" zur Ruhe... ( Fortseßung folgt.)

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Fingerzeige zum gefunden Leben.

III. Die Fruchtsäfte.

Von H. V.

Die Natur ist reich an Spenden und bietet sie Jedem ohne Unterschied dar. Mögen die glühenden Strahlen der Sonne in den Juli- und Augusttagen unsere Stirn sengend berühren und uns förmlich dörren: der Sommer bringt uns nicht allein seng­ende Gluth, er bringt uns auch erquickende Früchte. Gerade diese Hize bringt auch die schönsten Beeren und Obstsorten zur Reife, die würzigen Erdbeeren, Himbeeren, Blaubeeren, Johannis­beeren, Stachelbeeren, Maulbeeren, Moosbeeren und wie sie alle heißen in reicher Menge vom Strande der Adria   bis hinauf nach den Feldern von Nowaja- Semlja, die drei Viertel des Jahres mit Eis bedeckt sind. In unserem gemäßigten Klima kommen dazu noch die größeren Früchte, die Kirschen, Pfirsichen, Aprikosen, Birnen, Gurken, Pflaumen 2c. 2c. So bietet die Natur mannich fache Labung im Ueberfluß dar und wenn ihre Gaben heut nicht allgemein erreichbarsind, so ist nicht die Natur, sondern es sind die ge­sellschaftlichen Verhältnisse der Menschen daran Schuld. Besonders in großen Städten ist es der minder gut gestellten Mehrheit oft versagt, sich an den Früchten des Sommers zu erquicken. Zunächst werden in der Nähe der großen Städte gewöhnlich nicht so große Mengen Obst gebaut, daß alle Bewohner der Stadt damit ver­sorgt werden können, und es muß das meiste Obst von weither herbeigeschafft werden. Dies geschieht meist nur pon Grosso­händlern, die den Preis oft in unerhörter Weise hoch halten. Dabei macht sich wieder der Uebelstand bemerklich, daß viele Obst

arten, namentlich Beeren, eine sehr geringe Haltbarkeit besitzen, und daß, wenn dieselben in völlig reifen Zustande eingesammelt werden, sie schon theilweise verdorben sind, wenn sie auf den Markt gebracht werben. Man hat sich nun dadurch zu helfen gesucht, daß man das Obst schon vor völliger Reife einsammelt. In großen Städten bekommt man fast gar kein anderes. Man kann es so allerdings unverdorben zu Markte bringen, aber solches Obst hat bei Weitem nicht den Wohlgeschmack und die Zartheit das im reifen Zustande eingesammelten. Bei Beeren und Kirschen ist dies Verfahren zudem deshalb nicht sehr anwendbar, weil sich dieselben gepflückt weder reif noch unreif lange frisch erhalten. Um trotzdem diese Früchte auch für den späteren Genuß verwendbar zu machen, sucht man sich so zu helfen, daß man sie mit Zucker dick einkocht, oder den ausgepreßten Saft mit Zucker zu Syrup verkocht. Solcher Fruchtsyrup giebt in der That, wenn er mit Sorgfalt zubereitet wird, mit Wasser verdünnt, ein herrlich labendes Getränk. Bei uns wird er meist von Himbeeren hergestellt, weil dieser am beliebtesten ist. Da die Nachfrage nach Himbeeren oft sehr be­deutend ist, hat die Fabrikation desselben einen ziemlich bedeutenden Umfang angenommen, sich aber, der Tendenz der Zeit entsprechend, immer mehr und mehr dahin ausgebildet, daß man die Himbeeren dabei theilweise oder ganz durch billigere Surrogate zu ersetzen, mit andern Worten: Himbeersaft ohne Himbeeren herzustellen sucht. Die Fortschritte in der Wissenschaft sind es, welche auch bei diesem unreellen Treiben Handlangerdienste verrichten müssen.