ich wünschte, ich hätte mir aus innerer Ueberzeugung sagen können, sie sei eine Art Wolfgang, nur in's Weibliche übersetzt. Wie ich über alte Mädchen denke, weißt Du, und es ist ein wahres Glück, daß ich von Dir keinen Verrath dieser un gewöhnlichen Liebhaberei zu fürchten habe; würde die Thatsache ruchbar, so bekäme ich alle unverstandenen" alten Jungfern der vereinigten Königreiche von Großbritannien und Irland und den ganzen Vorrath des deutschen Reichs an dieser Sorte über den Hals, d. h. nur die ungenießbaren, denn die liebenswürdigen sind nicht so zudringlich, aber jener ist manches wohlgezählte Tausend und eine reicht hin, den Phlegmatischsten und Gut­müthigsten um das letzte Restchen von Geduld zu bringen. Ich schwärme ja auch nicht für die verbitterten, affeftirten alten Jungfern, die sich um jeden Preis noch an den Mann bringen möchten, sondern für jene gealterten Mädchen, deren liebliche Jugendblüthe dahin ist, die man halb ironisch, halb mitleidig als " passée" charakterisirt und die doch so achtungswerth sind und für mich allezeit etwas Rührendes haben. So unliebenswürdig, d. h. so unweiblich ist doch selten eine, daß sich ihr nicht wenigstens einmal im Leben Gelegenheit geboten hätte, den Titel Frau zu erwerben; wenn sie nun zu tief und innerlich war, als daß sich schon an der Thatsache, daß ein Herr der Schöpfung geruhe, sie liebenswerth zu finden, ihre Neigung zu ihm hätte entzünden fönnen; wenn sie zu viel Stolz und Charakter hatte, sich mit Leib und Seele einem Manne zu überliefern, für den sie nichts von jener süßen, seligen Leidenschaft zu empfinden vermochte, die nicht blos in der Poesie eristirt, erhält sie dadurch nicht voll begründeten Anspruch auf die Achtung jedes zartfühlenden Mannes? Es ist wohl keine leere Einbildung von mir, daß ein solches ältere Mädchen, das etwas erfahren und über die Welt, das Leben und sich selber nachgedacht hat, auch ganz anders, viel tiefer, hingebender, ernster und aufrichtiger lieben müsse, als eins von den rosigen Kindern, in deren Köpfchen die Welt sich ganz absonderlich spiegelt und die für einen ernsthaften Mann nicht mehr sein können, als ein amüsantes Spielzeug.

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Es ist dies einer von den Punkten, über die ich förmlich be­redtsam werden kann, aber Du möchtest über den Eifer, mit dem ich diese Lieblings" Marotte" verfechte, gähnen, und es ist noch dazu sehr unwahrscheinlich, daß der vorliegende Fall mir Gelegen­heit geben wird, meine Theorie in die Praxis zu übersehen. Wohl ließ sich alles ganz romantisch an, und ich werde ein wenig roth bei dem Gedanken an die kleine Szene, die ich nach meinem Nachhausekommen aufführte. In der Seitentasche meines Ueber rods fand ich nämlich den rehbraunen, zerscheuerten Handschuh, den ich mechanisch eingesteckt hatte; es war freilich uur vergessen worden, ihn zurückzufordern, wie ich vergessen hatte, ihn zurück­zugeben, aber ich war doch wohl halb und halb berechtigt, ihn als Andenken zu behalten, und ich habe ihn lange ganz ernsthaft betrachtet und dann, über die eigene Thorheit lachend, den Ver­such gemacht, ihn anzuziehen; es gelang sogar ganz prächtig, nur schließen ließ er sich nicht. Ich habe ihn dann vorsichtig wieder abgestreift und das letzte Fach meines Sekretärs herausgezogen, in welchem allerlei Andenken an meine tolle 66 er Zeit ziemlich wirr und wild durcheinander liegen; das verblichene, verkrauste Eichenreiß, das ich am Morgen des Gefechts bei Trautenau mir als Feldzeichen brach, die Kugel, die ich am Abend in den Falten meines Mantels fand, die goldne Tapferkeitsmedaille, die mir dieser Tag, das Offizier- Verdienstkreuz, das mir der von Königs gräß einbrachte( wenn der Herr Kommerzienrath wüßte, wie sorg los und nichtachtend ich mit diesen Ehrenzeichen" umgehe!), schob ich zur Seite und suchte mir den einst weiß gewesenen, blut­befleckten Handschuh heraus, durch den mich ein Ziethenhusar in die Linke hieb, um im nächsten Moment vom Pallasch eines Windischgräß- Dragoners einen klaffenden Hieb in die Schulter des Schwertarms zu erhalten. Ich legte die beiden Handschuhe

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nebeneinander, fand an ihrer Vergleichung ein höchst absonder­liches Vergnügen und packte sie dann zusammen in das Dekret über die Verleihung der Tapferkeitsmedaille, die mich damals so kindisch glücklich machte, kindisch glücklich machte, und da werden sie nun wohl lange­und hoffentlich in Frieden! liegen, der weiße und der reh­braune. Denn siehst Du, die Geschichte ist, obgleich sie erst be­gonnen hat, so gut wie aus, d. h. sie stößt auf innere Hinder­nisse. Wäre die Dame eine Erzieherin oder Gesellschafterin und nur annähernd so arm wie ich, so würde ich mit dem Finger, den mir das Schicksal geboten hatte, nicht zufrieden gewesen sein, sondern versucht haben, mich der ganzen Hand zu bemächtigen. So aber ist sie die einzige Tochter des früheren Associés meines Herrn Kommerzienraths, ihr Vermögen, das recht bedeutend sein soll, steckt mit in der Fabrik und sie lebt seit dem Tode ihres Vaters im Reischach'schen Hause. Das habe ich ohne Spionage auf dem allergeradesten Wege erfahren.

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Am zweiten Tage nach jenem etwas ländlichen" Abenteuer fuhr die Dame in des Kommerzienraths Equipage an meiner Wohnung vorüber, und meine alte Wirthin, die natürlich hatte sehen müssen, wer vorüberkutschirte, fragte: Sieht Fräulein Hoyer nicht noch recht gut aus?" Sie schlug die Hände über dem Kopfe zusammen, als ich ihr erwiderte, daß ich mich noch nicht um die Damen des Kommerzienraths bekümmert hätte, und daß sie mir gänzlich unbekannt seien; diese Lücke in meinem Wissen mußte unverzüglich ausgefüllt werden, und hätte ich den Stromt ihrer Mittheilungslust nicht gedämmt, so würde ich wohl auch über die verschiedenen Partien, welche Fräulein Martha gehabt, aber sämmt­lich zum Staunen der ganzen Stadt und zur sprachlosen Be stürzung der erfahrensten Matronen ausgeschlagen hat, die minu­tiösesten Details erhalten haben. Aber es kam mir ja nun auf diese nichts mehr an, denn die Mittheilungen, die ich bereits er­halten, hatten merkwürdig ernüchternd und erkältend auf mich ge­wirkt. Ich werde nie zugeben, daß die Ungleichheit des Ver­mögens ernstlich in Frage kommen dürfe, wo zwei Menschen ein­ander unentbehrlich geworden sind, und ich würde einem geliebten weiblichen Wesen nie die Schmach anthun, zu glauben, sie werde je im Stande sein, aus dem mir zugebrachten Vermögen besondere Rechte herleiten oder mir gar die Thatsache vorwerfen zu wollen; ich würde sie, sorglos sogar, heirathen, nicht weil, sondern obgleich sie reich ist.

In diesem besonderen Falle erhält aber die Sache sofort einen bedenklichen Beigeschmack, und die Gefahr, in ein häßliches Licht zu kommen, liegt so nahe, daß ich fühle, wie mir die heiße Röthe der Scham und der Entrüstung in die Wangen steigt. Ich mag in keinerlei nähere Beziehungen zu diesem Kommerzienrath treten, mein innerstes Gefühl lehnt sich dagegen auf, mich an der rück­sichtslosen Ausbeutung der armen Menschen zu betheiligen, die die Noth zwingt ihre Arbeitskraft zu verkaufen, und keine Lockung der Welt wird mich je vergessen machen, daß mein Platz nicht unter den Bedrückern, sondern an der Seite der Bedrückten ist. Es lohnt sich nicht, viele Worte darüber zu machen; Du fühlst mir nach, daß ich mit Nothwendigkeit in eine schiefe, haltlose, unnatürliche Stellung käme, und wer sich in eine solche um eines Frauenlächelns willen begibt, wird mir nie verständlich sein.

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Ich werde meine Abendspaziergänge fünftighin nach andern Punkten richten und die Parkpforte meiden, und dann ist alles wie es soll. Du hast lange auf einen Brief zu warten gehabt, nun kommt er aber auch in wohl ungeahnten Proportionen, und ich habe Dir so viel Gelegenheit zu kritischen Randglossen gegeben, daß Du nicht umhin können wirst, mir eine Strafpredigt im Style derer zu halten, die ich stets mit rührender Geduld angehört und mit unbeugsamer Konsequenz nicht beachtet habe, ein Umstand, der Dir nur immer noch lieber machen zu wollen schien Deinen unverbesserlichen Wolfgang.

An's Leben gekettet.

Da drinnen ruht sie auf der Bahre, Die, ach! im Leben nie geruht, Die still gekämpft hat Jahr um Jahre Mit ungebrochnem Duldermuth.

Und er, der ihr die Hand gegeben Zum Bunde unverbrüchlich treu Was soll er ohne sie noch leben,

Zur Arbeit nur, zur Qual auf's neu'?

( Bild Seite 184.)

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( Fortsetzung folgt.)

Doch da die sie ihm hinterlassen, Die nie das Mutteraug' mehr sehn, Die Kinder sein, die armen, blassen, Soll'n sie als Waisen betteln gehn? Hätt er sie nicht er wär' errettet; Erlösung brächt auch ihm der Tod! So hat ihn Liebe selbst gekettet An die Galeere seiner Noth!

B. G.