Abscheu, und er brach kühn entschlossen mit einem Glauben, der in seinen Bekennern nur die Frucht des Hasses und tyrannischer Härte zu sein sein schien."
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Von Eton zog er auf die Universität Orford , welche Johannes Scherr den übelriechenden Augiasstall englischen Zelotismus" Dort schrieb er im zweiten Jahre seines akademischen Studiums eine Abhandlung„ Ueber die Nothwendigkeit des Atheismus", die er bei den Häuptern der Kirche und Universität“ einreichte, und deren Folge ein Keßergericht des Professoren Konvents war. Vergeblich zum Widerruf aufgefordert, wurde Shelley , da ein Scheiterhaufen nicht mehr zeitgemäß war, wegen Atheismus von der Universität ausgestoßen und, wie Scherr sagt, ,, als ein Ungeheuer verlästert, beschimpft, verflucht, verfolgt."
Mit der Freudigkeit, die das Leiden für eine heilige Sache über den Geist verbreitet, kehrte er zu seinem Vater zurück. Aber dieser, unfähig des Verständnisses jener großen Ideen, verschloß ihm Herz und Haus, und verstoßen zog er für immer aus der Heimath. Er wandte sich nach London , wo eine ärmliche, elende Kammer die Werkstätte seines einsam schaffenden Geistes wurde und wo ihn fast der Hungertod ereilte. Dort trieb er eingehend das Studium englischer, französischer und deutscher Philosophen; daneben behielt er auch die wirkliche Welt im Auge, wozu diese ungeheure Stadt mit ihren schreienden Kontrasten eine geeignete Stätte war. Und sein wohlwollender Geist blutete", sagt der Amerikaner Tuckermann von ihm,„ beim Anblick der Sklaverei der Masse, der abergläubischen Knechtschaft der unwissenden Menge." Schon war er Atheist; jezt, wo er die Ausbeutung der Kraft des Armen durch das Kapital gewahrte, und zumal in einer Zeit, wo die Tyrannei in der Person Napoleons eine neue Verkörperung gefunden hatte, Napoleons , dem er in den„ Gedanken eines Republikaners beim Sturz Bonaparte's" das Wort nach gerufen: Ich haßte dich, Tyrann!"- jetzt wurde er auch zum Sozialisten. Und so ist sein mächtiges Gedicht„ Königin Mab", das er zu London im Jahre 1810 verfaßte, ein hohes Lied des Sozialismus geworden.
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Und er ist seinem ersten Glaubensbekenntnisse treu geblieben bis zu seinem Tode. Seine Ode an die Freiheitskämpfer, sein Gedicht Freiheit", der er zujauchzt:
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,, Von Seele zu Seele, von Volfe zu Volfe,
Von Stadt zu Dorf schwingt dein Tag sich empor+ Wie Schatten der Nacht flieh'n Sklav' und Tyrann, Wenn dein Licht zu leuchten begann,"
sein Wort an Englands Männer, die er fragt:
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, Warum gebt der Drohnenbrut,
Die von eurem Schweiß und Blut
Frech sich nährt, ihr immer noch
Speis und Trank, und frohnt im Joch?"
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das alles athmet glühend die Seele der Sozialdemokratie, deren begeisterter Prophet er war; denn sein ganzes Wesen ging auf in dem reinsten Streben nach Gerechtigkeit. Sein Freund Leigh Hunt schreibt daher über ihn:„ Das Charakteristische von Shelley's Poesie ist eine außerordentliche Sympathie mit der gesammten materiellen und intellektuellen Welt, ein glühendes Verlangen, seinem Geschlechte Gutes zu thun, ungeduldiger Zorn über die Tyrannei und den Aberglauben, die es in Fesseln halten."
Shelley hatte die Königin Mab" der fünfzehnjährigen Miß Harriet Westbrook in einem Gedicht, das von der leidenschaftlichen Liebe zu ihr Zeugniß gibt, gewidmet. Kurz nach der Abfassung des Buches entführte er dies junge Mädchen und wurde durch den Schmied zu Gretna Green mit ihr getraut. Aber ihre Naturen stimmten so wenig überein, daß sie sich nach dreijährigem Zusammenleben entschlossen, die in jugendlicher Hast eingegangene The wieder zu trennen. Auf Shelley's überaus zarten Körper zustand hatten aber die Aufregungen dieser Jahre einen so tiefgehenden Einfluß geübt, daß er jetzt von einer schweren Krankheit befallen wurde, die mit den Symptomen der Lungenschwindsucht auftrat, sich indessen nach einiger Zeit wieder besserte. Dagegen hat seine nervöse Reizbarkeit den Dichter niemals verlassen und ihm die Anfeindungen seiner bigotten Landsleute, welche ihn sein Leben lang verfolgten, doppelt schmerzlich gemacht.
Um die leidende Gesundheit wieder aufzurichten, unternahm er nach dem Friedensschluß von 1814, als der Aufenthalt auf dem Kontinent wiederum freigegeben war, eine Reise durch Frank reich und die Schweiz . Von dort kehrte er auf dem Rhein über Belgien in die Heimath zuruck. Er wurde jetzt mündig, und so endete wenigstens die Entbehrung, welche ihn bisher gedrückt hatte. Ein ihm zugefallenes Lehnsgut überließ er gegen eine Rente von
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tausend Pfund Sterling seinem Vater und zog in ein Haus auf Bishofsgate Heath, am Rande des von mächtigen alten Eichen gebildeten Waldes von Windsor. Von dort unternahm er Ausflüge nach den Quellen der Themse , dieses wundervollen Flusses, welchen Kinkel den grünufrigsten Strom von Europa nennt, durchstreifte die Seeküste in Devonshire und schrieb nach seiner Rückkehr den„ Alastor oder der Geist der Einsamkeit", ein tiefempfundenes Gedicht, das mit düsterprächtigen Farben die Seele eines sich in einsamer Gluth verzehrenden Dichtergenius malt, ,, an dem das auf sich selbst gestellte Alleinstehen sich durch die Furien unwiderstehlicher Leidenschaft rächt, die ihn schnellem Untergange entgegentreiben."
Sodann unternahm er eine neue Reise in die Schweiz und schloß dort eine zweite Ehe mit Miß Mary Woolstomcraft Godwin, der Tochter eines bekannten Schriftstellers, die gleichfalls als Dichterin durch ihren großartigen Roman" Frankenstein oder der moderne Prometheus " Ruhm erworben hat. Dies edle Weib ist ihm eine wahrhafte Freundin geworden und hat von da an seine Leiden treulich mit ihm getragen. Er brachte den Sommer des Jahres 1816 mit ihr am Genfersee zu, wo er zugleich mit Byron, dem nächst Shakespeare berühmtesten Dichter Englands, der daselbst auf seinem lieblichen Landgut Diodati lebte, im innigsten Verkehr stand und seine dichterische Entwicklung mächtig beeinflußte.
Mit dem Ende des Jahres kehrte er nach England zurück und erhielt daselbst die erschütternde Kunde von dem Tode seiner Gemahlin, die nach der Scheidung ihrer Ehe in eine tiefe Schwermuth gefallen war und ihr Leben jetzt durch Selbstmord geendet hatte. Zwei Kinder hatte sie ihm während ihrer Verbindung geboren, und jetzt geboten es ihm zugleich heilige Pflicht und innig- schmerzliche Liebe, die Verwaisten unter seine väterliche Obhut zu nehmen. Doch eine unerhörte Barbarei geschah: durch das Kanzleigericht und den Spruch des Lordkanzlers Eldon wurden sie ihm versagt, die Kinder dem Vater geraubt, weil er in seiner Königin Mab" Unchristlichkeit und Immoralität gelehrt habe. Er, der durch seine reine, wahrhaftige, opferfreudige Gesinnung himmelhoch über der Gesammtheit dieser erbärmlichen Heuchler stand, er wurde wie ein Verbrecher von ihnen behandelt. Da richtete er an William, seinen Sohn aus zweiter Ehe, in Furcht, daß man auch diesen ihm entreißen werde, das rührend schöne Gedicht:
O komm mit mir, geliebter Sohn,
Komm mit mir! Ob die Wellen droh'n Und die Winde heulen, wir müssen an Bord, Sonst reißen die Schergen der Macht dich fort!
Gedenken wirst du an diesen Tag
Wie an Träume von altem Weh; Bald wird uns umrauschen der Wellenschlag Der blauen italischen See;
Oder Hellas umfängt uns, die Mutter der Frei'n, Und will Lehrer und Freund dir sein,
Daß du rufen lernst ihre Helden all'
In ihrer eigenen Sprache Schall,
Und, ganz von hellenischem Geist durchloht, Dort fordern mögest in Noth und Tod Dein Heimathsrecht als Patriot.
Sein umfassendstes Werk, das er, nach seinen damaligen Briefen, auch für sein bedeutendstes hielt, ist das im Jahre 1817 entstandene Gedicht:" Die Empörung des Islam", das in zwölf Gesängen den Kampf einer großen Seele für die Befreiung der Menschheit, Erhebung, neue Knechtung und Verfall eines großen Volkes und endlich den Sturz der Tyrannei und den Sieg des Lichtes schildert. Auch hier, wie in den meisten von Shelley's Werken, sind freilich die beiden Elemente seiner Natur, Philosophie und Poesie, so vermischt, daß sie einander Eintrag thun; die Abstraktion berwiegt die plastische Gestaltung eine Eigenschaft, zu welcher Scherr bemerkt, daher rühre es, daß Shelley's Dichtungen nur auf erlesene Geister zu wirken vermögen, und daß man ihren Urheber mit gutem Grund den Dichter für Dichter und Denker genannt hat". Aber wir werden unten sehen, daß seine Gedanken berufen sind, Eigenthum auch des Volkes zu werden; denn sie verkündigen das Evangelium der Zukunft.
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