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und da sie nur sehr bedingungsweise die Vorliebe der mecheln Frauen für die Don Juans theilte, so empfand sie ein gem das und ihr eigentlich recht räthselhaftes Vergnügen bei dem Gedarinen daß ein junger Mann, der sich um solche Dinge ernstlichen merte, unmöglich Zeit gehabt haben könne, sich mit dem Studium der Frauen zu beschäftigen. Sie hörte aufmerksam zu und auch Martha that dies, obgleich ein oberflächlicher Beobachter hätte glauben können, sie nehme feinerlei Antheil an dieser Unterhal tung so ausschließlich schien sie mit der feinen Handarbeit beschäftigt, auf die sie sich tief niederbeugte. Sie wurde nicht müde, dieser Stimme zu lauschen, die so ernst und doch so gut und herzlich klang, und in den geheimsten Falten ihrer Seele hätte sie die melancholische Frage entdecken können: Warum muß er noch so jung, warum so hübsch sein oder warum bin ich nicht mehr jung und hübscher, als ich es je gewesen?" Von dem fast unausrottbaren Frauenvorurtheil, daß man jung und schön sein müsse, um einem Manne zu gefallen, war auch sie nicht frei, wennschon sie zu der Meinung neigte, diese Eigenschaften seien nur deshalb nöthig, weil man ohne sie nicht soviel Interesse zu erwecken vermöge, daß ein Mann es der Mühe werth halte, auch den seelischen Eigenschaften der gewinnenden und gefälligen Er­scheinung nachzuforschen. Sie legte sich jedoch über ihre Empfin­dungen keine Rechenschaft ab; sie war es so sehr gewöhnt, über sehen oder doch nur zum Gegenstand von Huldigungen gemacht zu werden, gegen die ihr feines Gefühl sich auflehnte und die ihr flarer Verstand und ihr gebildeter Geschmack komisch und lächerlich fanden. Sie hatte sich wohl in jungen Jahren in einsamen Dämmer stunden ein Bild von dem Manne gemacht, den sie rückhaltslos lieben könnte und sich dann immer gesagt, daß er nicht hübsch und elegant zu sein brauche- nur viel flüger als sie selber müßte er sein, sodaß sie bewundernd zu ihm aufsehen konnte, so klug, daß er im Stande war, ihr alle die Fragen zu beant worten, die sich ihr aufdrängten, und ein warmes Herz für die Natur mußte er haben. Ab und zu hatte wohl im Gewühl der Menschen ein Laut an ihr Ohr geschlagen, von dem sie in frohem Schreck wähnen konnte, daß er aus ihrer Traumwelt käme; aber im nächsten Moment war er verkfungen und verweht, von einer Fülle falter, fremder Laute erstickt und wie sie auch verhaltnen Athems lauschte, der liebe Laut kam nicht wieder. Und sie wäre doch so glücklich gewesen, hätte sie einmal einen Mann gefunden, den sie lieben konnte, und die Frage, ob sie seine Gegenliebe zu weden wußte, stand erst in zweiter und dritter Linie. Sie hatte sich endlich in Müdigkeit und Trauer davon zu überzeugen ge­sucht, daß sie einem Schemen nachjage, daß es keine Männer gebe, die ihrem Traumbild entsprächen und daß sie also wohl niemals lieben werde sie wußte, daß es zwischen ihrem Herzen und der Wirklichkeit keine Möglichkeit eines Kompromisses gab und daß sie unfähig war, sich mit einem Surrogat zu begnügen oder gar eine Verstandesehe zu schließen. Und nun stand plötzlich das Ürbild all' ihrer scheuen, geheimen Träume verkörpert vor ihr, und selbst die äußeren Eigenschaften, die sie ihm ohne Be­dauern erlassen hätte, fehlten nicht. Ihr nächstes flares Gefühl war das tiefer Genugthuung.

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So hatte sie also doch recht gehabt, so war es doch keine thörichte, sentimentale, romantische Mädchengrille gewesen, von der sie sich hatte beherrschen und leiten lassen, und ihr dunkles, aber unabweisbares Gefühl hatte ihr den rechten Weg gewiesen! Sie zudte unwillkürlich zusammen bei dem Gedanken, wie trost los ihr zu Muthe sein würde, wenn sie jetzt nicht mehr frei wäre und wenn der Blick auf den ungeliebten Gatten an ihrer Seite ihr verböte, in verschwiegener Seele diesen jungen Mann mit Sen klaren Augen und der gewinnenden Stimme rückhaltlos und

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anidig zu bewundern. Das wenigstens konnte ihr ja niemand degren, wenn ihr auch der Gedanke, ihm näher zu treten, so fern ag. So hatte so oft darüber getrauert, daß sie weder eine Sprache, noch ein Musikinstrument erlernt hatte; theils hatten die örtlichen Verhältnisse es nicht ausführbar erscheinen lassen, theils hatte ihr Vater sich ablehnend gegen allen Bildungslurus ver­halten, der bei der Erziehung junger Mädchen von eitlen Eltern getrieben werde nie aber war die Trauer eine so bittre ge­wesen, als in dieser Stunde. Sie zagte davor, daß ihre Un­wissenheit im Laufe der Unterhaltung zu Tage treten werde, und sie gab sich darüber, daß Emmy und Frau v. Larisch bemüht sein würden, dieses Gebrechen ihrer Bildung zu verschleiern, keinen Illusionen hin- sie wußte ungefähr, was in solchen Fällen eine Frau von der andern zu erwarten hat.

In der That nahm die Unterhaltung sehr bald die von ihr erwartete und gefürchtete Wendung, aber es war der Kommerzien rath, der dieselbe herbeiführte.

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Unwissende Eltern pflegen auf nichts so eingebildet zu sein, als auf die Kenntnisse ihrer Kinder, und wenn sie mit denselben Parade machen können, empfinden sie eine tiefe Befriedigung; der Kommerzienrath hatte eine sehr hohe Meinung von dem in der Pension erworbenen Englisch seines Töchterchens und beeilte sich, ihr seine mißfällige Verwunderung darüber auszusprechen, daß sie nicht die Gelegenheit benuße, mit Herrn Hammer englisch zu sprechen. Sie war von der Aufforderung nicht sonderlich erbaut, denn sie war sich sehr genau bewußt, daß es mit ihrem Englisch viel windiger aussah, als der Herr Papa ahnte, aber sie sagte sich, daß es nur darauf ankomme, so resolut als möglich darauf loszuschwaßen vielleicht ließ sich Herr Hammer durch diese spielende Flüchtigkeit täuschen, und jedenfalls war er zu galant, den Vater aus seinem schönen Wahn zu reißen. In der That plauderte sie teck immerzu und würde ihren Zweck erreicht haben, wenn ihr das Verstehen der Antworten, welche Wolfgang gab, nicht unübersteigliche Schwierigkeiten bereitet hätte sie kam merklich in's Stocken, und der Kommerzienrath, dem nach und nach eine Ahnung von dem wirklichen Sachverhält aufdämmerte, nahm Wolfgang's wohlwollende Erklärung, daß man längere Zeit in einem Lande gelebt haben müsse, ehe man dazu gelange, sich in einer Unterhaltung, die in der Sprache desselben geführt werde, zwanglos zu bewegen, ziemlich mißtrauisch auf. Es schwebte ihm die Frage auf den Lippen, wie es ihm denn möglich ge­wesen sei, in England fortzukommen, da er sein Englisch doch auch in Deutschland gelernt habe, aber er unterdrückte dieselbe; was gewann er, wenn er Herrn Hammer einer galanten Schön­färberei überführte? Statt einer unbequemen Vermuthung eine sehr verdrießliche Gewißheit. Frau v. Larisch erbarmte sich ihrer jungen Freundin, indem sie bemerkte, sie habe aus der ganzen Unterhaltung nur das Eine ersehen, daß diejenigen im Rechte sind, welche behaupten, das Englische sei eigentlich gar keine Sprache, und eine Unterhaltung auf Englisch sei gleichbedeutend damit, daß zwei Menschen den Mund voll Wörter nehmen, die­selben eine gute Weile kauen und sie dann einander in's Gesicht sprudeln. Frau von Larisch zeg das Französische bei weitem vor, und sie befreite Emmy aus der Klemme, in der sich dieselbe be­fand, indem sie mit Wolfgang französisch zu plaudern begann; Emmy mischte sich zur größten Befriedigung des Kommerzien­raths ab und zu mit einer gleichgiltigen Bemerkung, einer banalen Phrase in's Gespräch, und man schien garnicht daran zu denken, daß man Martha auf diese Weise ganz von der Unterhaltung ausschloß und es ihr überließ, ab und zu auf eine deutsche Be­merkung des Kommerzienraths zu antworten. ( Fortseßung folgt.)

Der Morgen nach dem neunten Thermidor.

Unser Bild( Seite 196-97) zeigt uns ein Nebenzimmer des Saales, in welchem der revolutionäre Sicherheitsausschuß tagte. Der auf einem Bureautisch ausgestreckte Körper, schon fast Leichnam, wie der stiere, halbgebrochne Blick zeigt, ist oder war Maximilian Robespierre , vorgestern noch vor den Augen der Welt im Besitz der politischen Allmacht, gestern noch that­sächlich im Besitz der Macht, wenn er zugepackt hätte, und jezt, hier gefallen, gebrochen, die untere Kinnlade durch einen

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von den ihn bc­selbstmörderischen Pistolenschuß zerschmettert wachenden Polizei- und Bürgersoldaten mit einen Gemisch von Hohn und Mitleid betrachtet. Die drei Männer auf den Stühlen zur Seite des Tisches sind ebenfalls, gleich dent" Diktator" von gestern, Gefangene, der vorn sizzende, Robespierre zunächst, sein Schüler und Freund Saint Juster blickt stumm in das Nichts", niedergedonnert, verblüfft, unfähig zu begreifen, wie der Gipfel des Berges", auf dem er gestanden, so plöglich, gleich