Hebertisten auf das Schaffot geschickt hatte, weil sie das Schreckenssystem noch nicht in die Rumpelkammer gelegt haben wollten. Die Umstände spielten Fangball mit Robespierre und seiner richtigen Mitte" bis sie ihn auf die Erde fallen und zer
schellen ließen.
Was nützte es, daß die Guillotine ihre„ verzehrende Thätig feit"( activité devorante) verdoppelte? Die Guillotine kann wohl den Kritiker zum Schweigen bringen, der eine geometrische Linie für eine unsolide Staats- und Gesellschaftsgrundlage hält, aber nimmermehr macht sie eine geometrische Linie zur soliden Staatsund Gesellschaftsgrundlage. Die Revolution hatte schon zuviel Blut verloren gerade das gesundeste, beste; und Robespierre , der in fortgeseztem Aderlassen das Heil erblickte, glich jenen Aerzten ( der Sangrado- Schule), die ihren Patienten so lange Blut abgezogen, bis sie gründlich kurirt waren vom Leben, das freilich für einen Spiritualisten nenne er seinen„ Gott " nun" Höchstes Wesen" oder umgekehrt ja das größte der Uebel, die Summe aller Uebel ist.
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" Thatsachen sind halsstarrige Dinger" diese halsstarrigen Dinger stellten sich Robespierre bei jedem Schritt in den Weg; er stieß sich die Schienbeine an ihnen wund und stolperte über fie, bis ihm allmählich die häßliche Wahrheit aufdämmerte, daß er in der Luft stand.
Er fing an zu ahnen, daß er in den Hebertisten und Dantonisten den„ Ast" abgesägt, der allein ihm einen festen Siz hätte bieten können; er fing an zu ahner, daß er mit seinem doktrinären Unfehlbarkeitsfanatismus der Revolution das Genick gebrochen
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daß er mit seinem unbestechlichen Tugendfanatismus für das Lumpengesindel der Tallien, Fouché und anderer Kandidaten der Gesellschaftsretterei die Kastanien aus dem Feuer geholt hatte.
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Die Guillotinenarbeit wird ihm zuwider. Er, der anderthalb Monate vorher die Dantonisten wegen ihres Moderantismus" auf die Guillotine geschickt, und erst Tags zuvor das Messer der Guillotine frisch geweßt hatte, bekömmt moderantistische Gedanken er will dem Schrecken Einhalt thun". Er will es, d. h.: wünscht es, hat das Gelüste thut's aber nicht. Kein Mann der Aktion, welcher der Gefahr kühn entgegen geht, statt sie an sich herankommen zu lassen, und aus der Gefahr selbst Kraft saugt, wartet er thatenlos die Entwickelung ab. Brütend zieht er sich zurück, besucht wochenlang den Konvent nicht. Er sieht, wie die Gegner der Revolution, denen er den Pfad ge= bahnt, Fuß um Fuß Boden gewinnen, während er keinen Boden fühlt unter den eignen Füßen. Er ist wie verzaubert, abwechselnd hektisch, hysterisch gereizt und weinerlich sentimental. Die Theot*)- Bosse entlockt ihm Thränen und zwar nicht der Wuth.
Endlich rafft der gewaltige Volfstribun" sich auf, zu einer rettenden That: er will die Feinde zerschmettern, sich Luft schaffen durch eine
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Rede!
*) Ein altes, verrücktes Weib, namens Katharine Theot, das sich für die ,, Mutter Gottes" ausgab, sollte Robespierre für ihren ,, Sohn" und den Messias" art haben. Natürlich wurde dies gegen den Oberpriester des„ Höchsten Wesens" con amore ausgebeutet. ( Schluß folgt.)
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Shelley, der Dichter des Atheismus und Sozialismus.
Von Eduard Berk.
( Schluß.)
Vom Vergangnen wendet sich der Blick auf das Gegenwärtige. Welch' ein Anblick! Das empfindende Herz müßte verzagen, wenn es nicht die philosophische Gewißheit einer besseren Zukunft tröstend durchleuchtete. Die Großen der Erde gehen an uns vorüber, in üppiger Pracht, unbefriedigt und elend, und die Noth. heult ungehört zu ihren Füßen; denn
,, Viele sinken
Ermattet von der Arbeit hin, daß Wen'ge Der Trägheit Pein und Sorgenlast erfahren."
Da fragt der Dichter:
- ,, Ist die Mutter Erde
Stiefmutter ihren Millionen Söhnen, Die sich in harter Arbeit rastlos mühen Und, was sie ernten, nimmer theilen dürfen? Ist Mutter sie den Lotterbuben nur, Die, großgepflegt in Ruh' und Ueppigkeit,
Den Menschen nur zum Kinderspielwerk brauchen, Und jenen Frieden, den der Mensch allein Zu schäßen weiß, in aufgeblas'nem Stolz Und Kinderlaune stören?"
Er zeigt, wie schon im Kinde die klare Leuchte der Vernunft umdunkelt, wie von Gewalt und Lüge, die an des Säuglings Wiege stehn, das angeborene Gute roh erstickt wird. Despotismus und Lüge sind die Quellen des sozialen Elends. Ein vernichten des Urtheil trifft die Tyrannenknechte, das militärische Mordsystem wird gegeißelt, das militärische Unwesen in seiner Lächerlichkeit dargestellt. Und auch über die Fundamente des Systems ergeht das Gericht, über die drei Worte, welche Tyrannen trefflich zu gebrauchen verstehen:„ Gott, Höll' und Himmel!" Ein poeti sches Gespräch zwischen Laster und Lüge, das in der Anmerkung mitgetheilt wird, gibt diesen Gedanken einen schauerlich- schönen Die Lüge bringt das Elend mit der Religion, und die Zwillingsschwester der Religion ist die Selbstsucht, deren
Ausdruck.
,, Reizlos schale Larve alles
Hinwegscheucht, nur die Brut der Dummheit nicht, Die Ursach' ist und Frucht der Tyrannei."
Handel und Luxus entwickeln sich, und mit unheimlich prächtigen Farben wird das Elend geschildert, das im Gefolge des Reichthums zieht,
,, Das Loos der Menschheit,
Die, frank an Seel' und Leib, die Kette kaum Zu schleppen mehr vermag, die länger wird Bei jedem Schritte und ihr flirrend folgt."
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Es gibt keinen wahren Reichthum," sagt Shelley, außer der Arbeit des Menschen." Aber dadurch, daß der Einzelne nicht mehr für seine naturgemäßen Bedürfnisse, für die berechtigten Bequemlichkeiten der Civilisation arbeitet, sondern für den Hochmuth der Gewalt, für die Jsolirung des Stolzes, für die falschen Freuden des hundertsten Theils der Gesellschaft" dadurch wird dem allgemeinen Bedürfniß die nährende Kraft- genommen, und statt Reichthums erwächst aus dieser Art von Arbeit Armuth und Knechtschaft die Lohnsklaverei.„ Es gibt keinen größeren Beweis für die weitverbreiteten und tiefwurzelnden Fehlgriffe des civilisirten Menschen, als folgende Thatsache: Diejenigen Künste, die für sein wahres Sein wesentlich sind, werden amt meisten verachtet; die Einträglichkeit der Beschäftigungen steht in umgefehrtem Verhältniß zu ihrer Nüßlichkeit."
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Diese Betrachtungen führen logisch zur Assoziation, zum Kommunismus.„ Jener Zustand der menschlichen Gesellschaft, der sich einer gleichmäßigen Vertheilung ihrer Wohlthaten und Uebel am meisten nähert, sollte, ceteris paribus*), vorgezogen werden; solange wir aber wahrnehmen, daß eine muthwillige Bergendung menschlicher Arbeit, nicht für die Lebensbedürfnisse, nicht einmal für den Luxus der Masse der Gesellschaft, sondern für den Egoismus und die Prunksucht einiger weniger ihrer Mitglieder, auf Grund öffentlicher Gerechtigkeit vertheidigt werden kann, so lange verabsäumen wir, uns der Erlösung des Menschengeschlechts zu nähern."
" Nach Godwins Berechnung könnten alle Bedürfnisse des civilisirten Lebens erzeugt werden, wenn die Gesellschaft die Arbeit gleichmäßig, unter ihre Mitglieder vertheitte und jeder Mensch täglich zwei Stunden in ihrem Dienste thätig wäre." Dadurch wird die Muße gewonnen, welche zum geistigen Fortschritt so nothwendig ist, wie die Arbeit zum physischen, und dieser geistige Fortschritt ist für Shelley wie für jeden edlen Sozialisten Ziel und Krone unsres Kampfes, die endliche Veredlung unsres Daseins. Da wird jede Kraft die ihrer würdigen Aufgaben finden, und der Berufene wird auch auserwählt sein; denn unnatürlich
*) Bei verhältnißmäßiger Gestaltung des Uebrigen.