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haben nur die aus dem Gesetz von Ursache und Wirkung sich ergebenden Folgen. Eine mohamedanische Geschichte wird an geführt, die gut hierher paßt". Adam sagt zu Moses : Wie viele Jahre, findest du, war das Gesetz geschrieben, bevor ich erschaffen ward?" Vierzig," sprach Moses . Und findest du nicht," entgegnete Adem, die Worte darin: Und Adam lehnete sich auf wider seinen Herrn und sündigte?" Als Moses dies zugestand, fuhr Adam fort:" Tadelst du mich also, das gethan zu haben, wovon Gott vierzig Jahre vor meiner Erschaffung schrieb, daß ich es thun werde, ja, was fünfzigtausend Jahre vor Erschaffung des Himmels und der Erde in Betreff meiner beschlossen ward?" Gott ergibt sich also, wenn er überhaupt Urheber ist, nicht nur als der des Guten, sondern auch als der des Bösen. Damit aber ist seine Idee schon verneint, und überhaupt sind alle Eigenschaften, aus welchen die Phantasie ihn sich zusammensetzt, vor dem Prinzip der Nothwendigkeit unhaltbar. Die Beweisführung, deren Shelley sich bedient, legt auf das Klarste die Absurdität dieses Gottesglaubens dar. Er untersucht zuerst das Wesen des Glaubens, in dem er nicht einen Willensaft, sondern eine Leidenschaft erkennt eine Annahme, die mit der Schopenhauers von einem„ metaphysischen Bedürfniß" verwandt ist. Logische Berechtigung kann er ihrem Resultat nicht zuerkennen; denn weder die Erfahrung, noch das vernünftige Denken, noch glaubwürdige Zeugnisse vermögen stichhaltige Beweise für das Dasein Gottes beizubringen. Hat er gesprochen", heißt es im„ Système de la Nature"," weshalb ist das Weltall nicht überzeugt? Ist die Kenntniß von einem Gotte die nothwendigste, warum ist sie nicht die augenscheinlichste und klarste?" Bemerken müssen wir übrigens, daß Shelley in seiner Leugnung Gottes nur die persönliche Gottheit gemeint wissen will; einen das Weltall durchdringenden ewigen Geist, wie auch Spinoza ihn annimmt, nennt er zwar Hypothese, will diese aber nicht antasten. Doch ist er zu flar, um dies Unerklärbare Gott zu heißen; er nennt sein System Atheismus, und das mit Recht; denn der Pantheismus ist, wie auch Schopenhauer ausführt, ein Unding.
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Bacon sagt:„ Der Atheismus läßt dem Menschen die Vernunft, die Philosophie, die angeborene Frömmigkeit, die Gesetze, den guten Ruf und alles, was dazu dienen kann, ihn zur Tugend anzuhalten; allein der Aberglaube vernichtet alles dieses und schwingt sich zum Tyrannen über den Verstand des Menschen auf; deshalb stört der Atheismus niemals die Lenkung der Staaten, sondern er schärft den Blick des Menschen, da letterer nichts jenseits der Grenzen des jetzigen Lebens sieht."
Ja, der Atheismus ist eine Nothwendigkeit für die vernünftige Gestaltung des Lebens, welches wir erstreben; er beherrscht auch bei Shelley die Zukunft, in die uns der Dichter in den beiden Schlußgesängen einen prophetischen Blick thun läßt.
Ein schön'rer Morgen wird der Menschheit tagen, Wo jeder Tausch der Gaben der Natur Ein Austausch guter That und Rede ist;
Wo Reichthum, Armuth und der Durst nach Ruhm,
Die Furcht vor Schande, Siechthum und Verderben,
Des Krieges Schrecken und der Hölle Graus
Nur im Gedächtniß leben wird der Zeit, Die, gleich der reuigen Sünderin, erschaudernd Rückblicken wird auf ihrer Jugend Tage."
Shelley schöpft die Berechtigung zu seiner Hoffnung auf ein besseres Zeitalter, abgesehen von den entwicklungsfähigen Keimen größerer Vollkommenheit in der Menschheit, aus einer naturwissenschaftlichen Thatsache. Nach Laplace( Système du Monde) verläßt die Erde allmählich ihre schiefe Stellung zur Sonne, bis endlich der Aequator mit der Sonnenbahn übereinstimmt. Infolge davon muß eine klimatische Gleichmäßigkeit entstehen; durch diese muß die physische Vollkommenheit wachsen; und Shelley folgert richtig, daß mit dieser auch die moralische übereinstimmen werde. Und dann würden allerdings alle jene Verschrobenheiten ihr Ende finden, durch welche die Gesellschaft sich heut selbst elend macht; es würde das alte Wort sich bewahrheiten:
,, Laßt uns besser werden, Bald wird's besser sein."
Das Reich allgemeinen Friedens, das endlich sich bilden soll, hat Shelley mit Farben gemalt, die freilich nur den Dichter erlaubt sind. Aber man wird ihnen nicht nur die wahrhafte Poesie nicht absprechen, sondern man wird auch die Leitsterne darin
finden, die unserer eignen Hoffnung Kraft und unserem Streben Freudigkeit verleihen. Und wenn er davon spricht, daß einst die Eisgefilde weggethaut sein werden, und die Erde rings bewohnt und voller Segen; daß die Wüste nicht mehr Wildniß sein werde, sondern eine maßliebüberdeckte Flur, die
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Lächelt, wenn vor seiner Mutter Thür Das Kind sein Morgenmahl Mit einem Basilisken theilt,
Der ihm die Füße leckt,"
wer wird verkennen, daß der Dichter in diesem rührenden Bilde allegorisch den Gedanken ausdrückt: der zu höchster Kultur gelangte Mensch werde auch die höchste Herrschaft über die Elemente ausüben? Und wer, der trotz Virchow bedenkt, daß wir aus dem Protoplasma zu unserer jezigen, Feuer, Wasser und Luft beherrschenden, Größe gelangt sind, möchte des prophetischen Fluges dichterischer Ahnung spotten? Denn was wir der Vergangenheit abgezwungen, verbürgt unserem Geschlecht noch größere zukünftige Siege. , Dies, ist der Wahrheit Bronnen, welcher hell Dem Weisen fließt als hehrer Hoffnung Quell: Das ewige Gesez, an dem sich hält Der edle Mensch, dem diese Lebenswelt Ein Garten scheint, verödet und verheert, Und der sich müht, so lang' sein Dasein währt, Zu pflege für der Zukunft gold'nen Tag Des Erdenparadieses wüsten Hag."
Bis hierher werden Shelley's Jdeen bei der Mehrzahl unserer Leser allgemeine Billigung gefunden haben; wenn er aber in der Folge die vegetarianische Lebensweise als nothwendigen Schlußstein des künftigen Gesellschaftszustandes betrachtet, so wird ihm geringer Beifall zu Theil werden. Und doch ist auch diese Angelegenheit einer ernſten Betrachtung werth; denn sie ist ein Lösungsversuch der sozialen Frage.
Wir haben im vorliegenden Aufsaße nicht Raum, die Prinzipien des Vegetarianismus einer eingehenden Kritik zu unterwerfen; aber das wenigstens wollen wir sagen: daß der oberste Grundsatz derselben unbestreitbar ist: Es muß der unnatür lichen Lebensweise, die dem Geschlecht schadet, eine natürliche, welche die Schäden heilt, gegenübergestellt werden. Mag man bei einer Reform der Volkswirthschaft auch nicht den ganzen Vegetarianismus acceptiren: Sicherlich wird man viele treffliche Winke zu Verbesserungen in ihm finden. Und die Frage ist zu wichtig, als daß man sie ungeprüft ad acta legen dürfte; man muß sie vielmehr studiren. Baltzer's Schriften sind hierzu besonders empfehlenswerth, der, indem er von Shelley spricht, den Vegetarianismus das nennt, was dieses Mannes und Dichters Seele im tiefsten bewegt."
Doch was auch in Einzelheiten uns von Shelley unterscheiden möge, in den großen Grundlagen des Denkens und Strebens werden wir uns freudig mit ihm einig fühlen. Empfinden wir doch gleich ihm, was er im Epipsychidion sagt:
Ich schwor, für ewig meine Kraft zu weih'n Dir und dem Deinen
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hielt ich nicht den Schwur?" Seine eignen Worte passen auf Shelley:
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ein Leben
Voll Biederkeit, unwandelbarem Willen Und heißer Sehnsucht nach der Menschheit Glück;" und auf seine Frage in der„ Hymne an die geistige Schönheit": dürfen wir antworten: O, thäten es alle ihm gleich! dann bräche sie an,
, Die Zeit des ewigen Friedens,
Die bald und sicher kommt."
Ob bald, das können wir freilich nicht verbürgen; aber sicher kommt sie gewiß; denn das offenbart uns das Gesez des Fortschritts. Und so wollen wir uns des Besizes jener Edlen freuen, die sich diesem großen Ziel, dem Wohl der Welt geopfert haben, ihrer, in deren Reihen auch Shelley sein hohes Lied gesungen. Er war ein ächter Geistesheld, und wie er wollen auch wir im heiligen Streit nicht müde werden, sondern seinem Worte folgen:
Nein, muthig kämpfe fort! Dein Wille soll Im ew'gen Kampf mit Tyrannei und Lüge Sein hohes Ziel erfüllen, und die Keime Des Elends tilgen aus der Menschenbrust."