Der Morgen nach d
( Schluß.)
Vier Wochen lang, Tag und Nacht, schanzt und feilt er an seiner großen Rede"; ein unfreiwilliges Penelope- Gewebe, erheischt sie jeden Tag Umänderung dessen, was in der Nacht fertig geworden. Es ist ein Werk ohne Ende. Doch die Ereignisse drängen- das Wasser ist bis an den Hals gestiegen es ist feine Zeit zu verlieren es muß eingehalten werden mit dem es muß eingehalten werden mit dem Korrigiren, Radiren, Interpoliren
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Am achten Thermidor( 26. Juli) des Jahres 1794 präsentirt sich Robespierre in dem Konvent, wo er ganz fremd geworden war; er trägt den himmelblauen Rock und hat seine Rede unter dem Arm.
Wehe den Feinden!
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Er liest die Rede aber hat gelernt, seine Reden gut zu lesen. Es sind verdeckte Drohungen darin, eingewickelt in Phrasen aus Rousseau und kleinbürgerliche Gemeinpläge( Schwärmereien für die fortunes modiques" mäßige Vermögen; Zärtlich feiten für die„ citoyens peu fortunés" die Bürger mit kleinem die Bürger mit kleinem Vermögen und für die„ Rentiers"!) Die" Tugend" soll herrschen, die„ unreinen Elemente" entfernt werden. Die verdeckten Drohungen reizten um so mehr, weil vermit den„ unreinen Elementen" konnte jeder gemeint sein, und was unter entfernen" zu verstehen, das besagten die gefüllten Henkerkarren, die man Tag für Tag vorbeirumpeln hörte. Durch ihre Unbestimmtheit wurden die Drohungen allgemein, sie mußten dem Redner neue Feinde erwecken, anstatt die alten einzuschüchtern;- ein Kind hätte das dem tüftelnden, grübelnden Mann der richtigen Mitte" sagen können.
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Indeß momentan reißt die Rede den Konvent hin. Beifall ertönt. Es wird ein damals übliches Zeichen der Anerkennung- mit Akklamation beschlossen, die Rede drucken zu lassen und in die Provinz zu versenden.
Die Schlacht ist gewonnen; das Papierröllchen, auf welchem die Rede steht, hat sich als wuchtige Herkuleskeule erwiesen, vor der die Feinde zerstäubt sind.- Robespierre's Antlig leuchet auf; sein Glaube an den„ Logos", das„ Wort", das allmächtige Wort hat ihn also nicht getäuscht!
Doch nur einen Augenblick sollte der holde Wahn währen. Die Gegner haben den Eindruck der Rede rasch abgeschüttelt. Rufe erschallen:„ Wo, wer sind die, unreinen Elemente? Namen nennen!" Die Majorität ist noch etwas zaghaft. Die Maratisten Charlier und Bentabole, die es dem„ Unbestechlichen" nicht vergessen konnten, daß er dem Freund des Volkes"( Marat ) bei jeder Gelegenheit einen tugendhaften Nackenschlag zu versezen gesucht hatte, treiben das feige Gesindel der GesellschaftsrettungsKandidaten vorwärts.
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Namen nennen!" Der Beschluß, die Rede" drucken zu lassen und in die Provinz zu versenden, wird zurückgenom men.- Robespierre, verblüfft, niedergedonnert, packt seine Rede unter den Arm und marschirt traurig nach Haus den Gegnern, die jeßt erst das volle Bewußtsein ihrer Macht erlangen, das Feld überlassend.
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Zu Haus angelangt, sagt er zu dem Tischler Duplay, seinem Schwiegervater in spe, bei dem er wohnte:„ Nur eine Minorität ist gegen mich, aber die Majorität ist rein!" Die„ Minorität“ das war der Berg, mit den Maratisten, Dantonisten, allerdings auch die Lumpen Fouché , Tallien , Collot d'Herbois , denen Robespierre durch seine reaktionäre Politik das Staatsruder in die Hände gedrückt hatte. Die reine Majorität", auf die er seine Hoffnung seßt, das sind die„ kröten des Sumpfes" die Rotte der Gesinnungslosen, verkappte Reaktionäre, die nur auf den Moment warten, wo sie sich wie Schakale über die von Robespierre niedergehezte Revolution herstürzen können.
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Kurz, Robespierre war auf den„ Sumpf" gekommen in den Sumpf.
Am selben Abend macht er noch einen Spaziergang mit seiner Braut und stellt sentimentale Betrachtungen an über den Sonnenuntergang.
In dieser leidensseligen, kazenjämmerlichen Stimmung verfügt er sich hierauf in den Jakobinerklub. Von verschiedenen Seiten wird ihm gerathen, das Prävenire zu spielen, das Signal zur Sprengung des Konvents zu geben. Aber niedergeschlagen lehnt er solch ungeseßliche" Rathschläge ab. In düsterster, seine
eunten Thermidor.
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Anhänger vollends entmuthigender Melancholie verliest er dann seine in's Wasser gefallene Konventsrede, sie für sein politisches Testament testament de mort erklärend, und bereitet sich zum Tod vor, statt zum Kampf. Doch noch ist nicht alles verloren, noch sieht er Eine Möglichkeit der Rettung. Nicht in den revolutionären Streitkräften, die ihm thatsächlich zu Gebote stehnnein, in einer Rede, die Saint Just den nächsten Tag im Konvent halten soll.
Der nächste Tag ist da.- Suprema dies. Der Tag der Sühne, des Gerichts. Robespierre hüllt sich in seinen himmelblauen Rock und seine feierlichste Miene, und geht in den Konvent. Saint Just beginnt seine Rede. Noch ehe er mit der Einleitung fertig, wird er unterbrochen. Die Gegner haben begriffen, daß die Zeit des Redens vorbei. Die tausendmal geschilderte Szene erfolgt. Robespierre will sprechen. Kann er nur zum Wort kommen! Das allmächtige Wort wird ihn retten! Die Verschwörer schreien ihn nieder. Verschwörer schreien ihn nieder. Er klammert sich an die Tribüne. Das Blut Danton's erstickt dich!" ruft ihm wüthend der Dantonist Garnier zu. Verzweifelnd wendet sich Robespierre an die Rechte, an die„ Kröten des Sumpfes":„ Von euch, ihr tugendhaften Männer, erwarte ich die Gerechtigkeit, die. jeder Angeklagte erwarten darf nicht von diesen Nichtswürdigen( dem Berg!). An euch, ihr reinen Männer ( Kröten.des Sumpfes"!) wende ich mich! Nicht an die Briganten( Räuber den Berg!)!"( Michelet , Bd. 6, S. 359, Pariser Ausgabe von 1869.
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Wildes Huyngelächter ist die Antwort.„ Nieder mit dem Tyrannen!" Die Contrerevolution, deren Werk er so erfolgreich verrichtet, brauchte den„ Unbestechlichen" nicht, konnte ihn nicht brauchen.
Die Verhaftung Robespierre's , Couthon's , Saint Just's , des jungen Robespierre und Lebas' wird dekretirt und einige Stunden später die fünf gefangenen Abgeordneten nach fünf verschiedenen Gefängnissen abgeführt.
Es ist 6 Uhr abends. Robespierre mit seinen Wächtern erscheint an der Pforte des Luxembourg- Gefängnisses. Die Gefängnißvorstände, zwei eifrige Jakobiner, Faro und Witchiriz, nehmen ihn nicht auf; von der Commune, die in Permanenz size, sei der Befehl da, er solle sofort auf's Stadthaus kommen.
Robespierre ist frei. Aber er weigert sich, von seiner Freiheit Gebrauch zu machen; denn er ist nicht gesetzlich in Freiheit gesetzt! Vergebens stellen die Freunde ihm vor, daß alles gewonnen, wenn er kühn den Feinden die Stirne biete; daß es Wahnsinn sei, in die Gewalt der Verschwörer zurückzukehren. Robespierre bleibt unerschütterlich. Das„ Gesez" ist heilig und unverleßlich, auch wenn es den Tod bringt. Er stellt sich freiwillig als Gefangener auf der Polizei.
Inzwischen sind seine Anhänger nicht unthätig. Sie bereiten sich zum Kampf. Henriot, Kommandant des Restes der Revolutionsarmee, der ebenfalls verhaftet worden war, aber seine Freiheit wiedererlangt hatte, steht an der Spitze seiner Truppen, die vor Begier brennen, den Konvent zum Fenster hinauszuwerfen; der Jakobinerklub harrt auf das Zeichen zum Losschlagen; die Commune, obgleich durch Robespierre geschwächt, hält zu ihm und verfügt über ausreichende Mittel.
Nur der Führer fehlt.
Um 10 Uhr abends wird Robespierre von seinen Anhängern gewaltsam aus der freiwilligen Haft herausgeholt:" Vous me perdez! Vous me perdez!"" Ihr richtet mich zu Grunde!" jammert er den Befreiern in die Ohren. Man eskortirt ihn auf's Stadthaus, wo, nebst seinen ebenfalls befreiten Kollegen, die Commune und Deputationen der Jakobiner versammelt sind und die nöthigen Maßregeln anordnen, um den Staatsstreich der Konventsmajorität zunichte zu machen.
Robespierre hemmt die Ausführung. Der„ gesetzliche Weg" soll nicht verlassen werden. Das Gesetz ist heilig und unverletzlich. Wer das„ Gesetz" hat, darf morden und todtschlagen; wer nicht, muß sich morden und to dtschlagen lassen im Sterben noch die Mordwaffe„ Gesez" anbetend.
Unterdessen wäre der Konvent, der seinen Mann noch nicht fannte, vor Angst schier gestorben. Auf die Nachricht, daß Robespierre auf's Stadthaus entführt worden, war es den erschreckten Verschwörern zu Muthe, wie einem Taubenschwarm, in
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