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den Erdboden erreichen. Bedenkt man, daß jene 20-30 pCt. sich auf eine Luftsäule von wenigstens 10 geographischen Meilen Höhe vertheilen, so ergibt sich, daß die Temperaturzunahme der Luft infolge der direkten Sonnenwärme nur eine unbedeutende sein kann, woraus sich unmittelbar die große Kälte in bedeutenden Höhen erklärt. Je schiefer natürlich die Sonnenstrahlen einfallen, einen desto längeren Weg haben sie in der Atmosphäre zu machen, um so mehr Wärme bleibt in ihr zurück, um so weniger gelangt zur Erdoberfläche, um so geringer ist die erwärmende Kraft der Sonne. Ebenso verhält es sich je trüber der Himmel ist. Nach den Messungen des französischen Physikers Pouillet würde die Wärme, welche die Sonne bei senkrechtem Auffallen der Strahlen und hellem Himmel, nach Abzug des von der Atmosphäre direkt aufgenommenen Theiles, einer Hektare Fläche jede Stunde zu- lich kommt freilich die größtmögliche Menge nicht vor; ist dies sendet, im Stand sein, circa 15 Hektoliter Wasser von 0 Grad bis 1000 Grad zu erwärmen und alsdann vollständig zu verdampfen. Könnte also die Menge Wärme, welche an heißen, trockenen Sommertagen der Erde zuviel zukommt, aufgefangen werden, so ließe sich manche Lokomotive heizen und so ein schönes Quantum Steinkohlen ersparen, wodurch der gegenwärtigen Finanzlage vieler Eisenbahnen bedeutend aufgeholfen würde.
Diejenige Wärme nun, welche auf die Erdoberfläche gelangt, wird von dieser zum weitaus größten Theile absorbirt. Der Boden erwärmt sich und strahlt infolge dessen selbst Wärme aus. Weil lettere aber jetzt von einer Wärmequelle bedeutend niedrigerer Temperatur ausgeht, so vermag sie die Luft nur sehr schwer zu durchdringen und wird von der zunächst am Erdboden gelegenen Schicht von wenig Metern Höhe fast vollständig aufgefangen. Es ist dies ein ganz ähnliches Verhältniß wie bei einem geschlossenen Zimmer, dessen Fenster auf der Sonnenseite liegen. Die direkte Sonnenwärme, von einer Quelle hoher Temperatur stammend, dringt fast ungeschwächt durch die Fensterscheiben hindurch und theilt sich den Zimmerwänden mit. Diese strahlen die empfangene Wärme ihrerseits freilich wieder aus; aber da ihre Temperatur eine geringe ist, so vermag dieselbe das Glas nur sehr schwer und langsam zu durchdringen, und häuft sich, namentlich im Sommer, derart an, daß die Hiße zuletzt unerträglich wird. Sollte das Zimmer an heißen Tagen eine zu hohe Temperatur bekommen, so muß bei geschlossenen Fenstern die Sonnenwärme durch angebrachte Schuhmittel( Vorhänge, Laden 2c.) abgehalten werden, indem das bloße Ziehen der Vorhänge im Innern des Zimmers, letzteres vor der schon eingedrungenen Hiße nicht mehr zu schützen
vermag.
Aus dem Gesagten ergibt sich, daß die Luftschicht, in welcher sich die lebenden Wesen aufhalten, nicht direkt von der Sonne, sondern erst mittelbar vom Erdboden aus erwärmt wird, und zwar zunächst nur die allerunterste Partie. Diese dehnt sich in folge dessen aus, wird leichter als die über ihr liegende und muß demnach über dieselbe emporsteigen. Dadurch kommt sie aber unter einen geringern Luftdruck und nimmt daher noch mehr an Volumen zu. Diese Ausdehnung der Luft bewirkt aber eine Abkühlung, wie umgekehrt das Zusammenpressen von einer Erwärmung begleitet ist. Von letzterer Erscheinung kann man sich leicht überzeugen, wenn man unten an einem luftdicht in eine auf der einen Seite geschlossene Röhre passenden Kolben etwas Zündschwamm befestigt und hierauf den Kolben rasch und mit aller Kraft in die Röhre stößt. Die Hize wird dann so groß, daß der Schwamm in's Glühen geräth. Solche durch Zuführung von Wärme leichter gewordene und mithin aufsteigende Luft hat man z. B. in jedem Kamine. Sie steigt dann solange bis sie sich soweit abgekühlt hat, daß sie genau die Temperatur der Umgebung besitzt.
Daraus folgt zunächst die Thatsache, daß die Temperatur mit der Höhe abnehmen muß. Doch ist nach den Beobachtungen diese Temperaturabnahme oben nicht immer dieselbe, und namentlich in den verschiedenen Jahreszeiten verschieden, im Sommer am schnellsten, im Winter am langsamsten. In den Alpen nämlich muß man im Sommer 137 Meter, im Winter 225 Meter, im Frühlinge 148 Meter und im Herbste 193 Meter steigen, bis die Temperatur um 1 Grad Celsius abnimmt. Natürlich sind dies nur Mittelzahlen aus längern Beobachtungsreihen und können an einzelnen Tagen mehr oder minder große Abweichungen vortommen. Dieser Unterschied der Temperaturabnahme in den verschiedenen Jahreszeiten hat seinen Grund hauptsächlich in der Wolken- und Nebelbildung. Die Luft enthält immer mehr oder minder große Mengen Wasserdampf, im Sommer mehr als im Winter, wobei ich gleich bemerken will, daß die über dem Kamin
der Lokomotive, in der Küche 2c. erscheinenden weißen Nebel, welche gewöhnlich mit dem Namen Dampf bezeichnet werden, in Wirklichkeit gar fein Dampf mehr sind, sondern flüssiges Wasser in Wolkenform. Der wirkliche Wasserdampf ist gerade so unsichtbar als die atmosphärische Luft selbst. Bei jeder Temperatur vermag letztere nur eine ganz bestimmte Menge Wasser in Dampfform zu erhalten; sobald ihr mehr zugemuthet wird, so geht ein Theil in flüssige Form, in Gestalt von Wolfen und von Nebel über, welche beiden Erscheinungen dasselbe sind; denn Nebel sind nur tiefliegende Wolken und Wolken hochschwebender Nebel. Die Luft vermag umsomehr Wasser in Dampfform aufzunehmen je wärmer sie ist; z. B. bei 0 Grad nur 4,8 Gramm, bei 20 Grad Celsius dagegen schon 17 Gramm per Kubikmeter. Für gewöhnaber der Fall, so sagt man, die Luft sei mit Wasserdampf gesättigt. Wenn ursprünglich auch keine Sättigung vorhanden war, so kann dieselbe offenbar durch Abkühlung bis zu einer bestimmten Temperatur herbei geführt werden, und die geringste weitere Abkühlung bewirkt sofort eine Ausscheidung in flüssiger Form. Damit ist aber eine weitere wohl zu beachtende Erscheinung verbunden. Man braucht, um ein Kilogramm Wasser von 0 Grad bis 100 Grad Celsius zu erwärmen, eine gewisse Menge Wärme in Form von Brennmaterial. Bei 100 Grad beginnt das Sieden, d. h. der rasche Uebergang in Dampfform. Um nun das kilogramm Wasser ganz in Dampf zu verwandeln, ist eine beiläufig 5 einhalbmal größere Menge Wärme nöthig, als zur Erwärmung von 0-100 Grad erforderlich war, ohne daß die Temperatur sich um das geringste erhöht. Sämmtliche zugeführte Wärme wird gebraucht, um die gegenseitige Anziehung der einzelnen Wassertheilchen aufzuheben. Daß beim Verdunsten, wie wir die Verdampfung bei gewöhnlicher Temperatur nennen, Wärme verbraucht wird, erfahren wir, wenn wir eine sich rasch verflüchtigende Flüssigkeit, z. B. Weingeist oder noch besser Schwefeläther, auf die Hand schütten, indem wir sofort eine intensive Abkühlung verspüren.
Wenn jetzt umgekehrt das Wasser aus der Dampfform in die flüssige übergeht, so wird dies erwärmend auf die Umgebung wirken, und es erfolgt durch jedes flüssig gewordene Gramm Wasserdampf in einem Kilogramme der umgebenden Luft eine Temperaturerhöhung von 22 Grad. Im Winter nun, wo die Luft infolge ihrer geringeren Temperatur weniger Wasserdampf aufzunehmen vermag als im Sommer, ist sie viel rascher gesättigt; daher sind die Nebel- und Wolkenbildungen in jener Jahreszeit viel häufiger und tiefer liegend als im Sommer. Durch diesen oft sich wiederholenden Verdichtungsprozeß geht aber nach dem Gesagten Wärme an die Luftschicht über, wodurch ihre Temperaturabnahme verzögert, ja sogar häufig in eine Zunahme umgewandelt wird, so daß wenn zwischen zwei Orten eine Nebelschicht liegt, am höher gelegenen die Temperatur ebenfalls höher ist als an den unteren. Im Frühjahre ist in der Regel die Luft trockener als im Herbste, und daher in ersterer Jahreszeit auch die Temperaturabnahme rascher als in letzterer. Einen weiteren Beleg für die Richtigkeit der angegebenen Einflüsse lieferten auch die hie und da zu wissenschaftlichen Zwecken ausgeführten Luftschifffahrten, indem sie zeigten, wie die Temperaturabnahme immer viel langsamer wurde, ja sogar in eine Zunahme überging, sobald eine Wolkenregion durchfahren wurde.
Damit wäre der durch die Höhenlage bedingte klimatische Unterschied erklärt. Allgemein bekannt ist aber auch, daß im großen und ganzen ein Ort eine um so höhere Temperatur aufweist, je näher er dem Aequator liegt. Je mehr man nämlich, sei es gegen den Nordpol , sei es gegen den Südpol , hinkommt, um so schiefer fallen die Sonnenstrahlen auf die Erde, um so weniger Wärme fällt auf dasselbe Flächenstück. Der Erdboden empfängt aber nicht blos Wärme, sondern strahlt selbst solche aus und zwar umsomehr je höher seine Temperatur ist. Wenn also eine Flächenstück am Aequator mehr Wärme empfängt als ein gleich großes gegen die Pole hin gelegenes, so ist dort auch die Ausstrahlung eine größere, wodurch der Unterschied in den Temperaturen stark gemildert wird. In den langen aber kalten Winternächten nimmt aus demselben Grunde bei hellem Himmel die Temperatur nicht mehr ab als in den viel kürzern Sommernächten. Dann werden im Sommer die nördlichen Gegenden länger von der Sonne beschienen als die äquatorialen. Während der Aequator jahraus jahrein jeden Tag nahezu die gleiche Wärmemenge von der Sonne empfängt, wird der Unterschied zwischen Sommer- und Wintertagen gegen die Pole hin immer bedeutender.
1r 21 1977/78