fertigung zu würdigen- veröffentlicht einige recht bezeichnende Charakter­züge aus dem Leben Viktor Emanuel's , die ich glaube den Lesern der ,, Neuen Welt" nicht vorenthalten zu dürfen. Um die Authentizität dieser Mittheilungen nachzuweisen, sei angeführt, daß Viktor Emanuel das zweifelhafte Vergnügen hatte, Herrn May Wirth persönlich vorgestellt zu sein, oder umgekehrt!

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Der verstorbene König von Italien war ein leidenschaftlicher Jäger. Solange er in Turin und Florenz residirte, war es ihm ein leichtes, diesem seinen Vergnügen nachzugehen; als aber der Sig der Regierung nach Rom verlegt wurde, war die Sache schon mit einigen Schwierig­keiten verknüpft, denn in der ganzen Umgebung von Rom war nicht ein einziges Jagdrevier, das den königlichen Ansprüchen genügte. So fam's, daß Viktor Emanuel oft zu den kritischsten Zeiten, wenn seine Anwesenheit in der Siebenhügelstadt besonders vonnöthen war, in der Nähe von Florenz oder Turin auf Hochwild pirschte. Die Minister befanden sich oft in der größten Verlegenheit; bei den wichtigsten Ver­handlungen war der Souverän nicht in Rom , denn das Jagdvergnügen ging ihm über alles. Um diesem Uebelstande abzuhelfen und den König an die Hauptstadt zu fesseln, sah sich der hohe Rath" endlich genöthigt, zu einem außerordentlichen Mittel zu greifen nnd ihm eine Jagd in unmittelbarer Nähe von Rom zu kaufen. Kastel Borziano wurde hierzu ausersehen, welcher Besiz dem Herzog Pio Grazioli, einem päpstlichen Kammerherrn, gehörte, der das Jagdgut unter keiner Bedingung dem Kerkermeister Seiner Heiligkeit abtreten wollte. Schließlich ließ er sich aber doch bewegen, gegen einen Preis von 42 Millionen Lires die mit einer Million überzahlte Besitzung der italienischen Regierung für ihren geliebten König zu verkaufen. Und somit war beiden geholfen: Viktor Emanuel hatte sein Jagdrevier und Herzog Grazioli 42 Millionen.

Bei öffentlichen Tafeln kokettirte Viktor Emanuel mit seinen be­scheidenen kulinarischen Ansprüchen und knusperte nur an einigen Salz­stengeln, aber an Entkräftung ist er deshalb doch nicht gestorben; ein Dußend halbgebratene Rottelets und ein Maß herben piemontesischen Rothweins war sein tägliches Frühstück, das er in der Einsamkeit seiner internſten Gemächer zu sich nahm. Proletarier( proletar heißt Kinder­erzeuger) war der König- Ehrenmann in des Wortes ursprünglichster Bedeutung. Seine legitime Gattin, eine österreichische Prinzessin, er­freute thn mit fünf Sprößlingen; die Gräfin Mirafiori, die ihm nach dem Tode der Königin zur linken Hand angetraut wurde, mit sieben; außerdem zählte er aber bereits vor zehn Jahren zweiunddreißig außereheliche Nachkommen, deren Zukunft die italienische Regierung mit 100,000 Lire pro Kopf sicherstellte.- Doch nun wieder zurück nach Berlin .

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Die invaliden Linden am Brandenburger Thore bewegen melan­cholisch ihre ausgetrockneten Zweige im Winde, als wollten sie die Hände. überm Kopfe zusammenschlagen über das tolle Treiben. Unter einem der Thorbögen befindet sich nämlich eine Wache. Lange habe ich nach­gedacht über den Zweck dieses Etablissements, bis mich ein mitleidiger Eckensteher der Kerl schien mir ein Demagog schlimmster Sorte darauf aufmerksam machte, daß das Brandenburger Thor eigentlich eine Art Arc de triomphe sei. Nun war mir alles klar: Triumph und Militär, in Berlin zwei untrennbare Begriffe! Mich dauerte nur der arme ,, Posten vor Gewehr", mit seiner Sysiphusarbeit; unablässig muß er schultern, präsentiren und ,, Rrrrraus!" rufen. Und dies alles nur um den vorübergehenden Militärs eine Ehrenbezeugung zu erweisen! Ich blieb eine kleine Viertelstunde dort stehen, um mich von seiner Leistungsfähigkeit zu überzeugen, aber ich muß offen gestehen, meine hoch gespannten Erwartungen wurden bei weitem übertroffen. In dieser Zeit mußte der unglückliche Grenadier nicht weniger als siebzehnmal das Gewehr anfassen", zweimal präsentiren und ebenso oft die Wache in's Gewehr rufen. Ja, wir Deutschen ,, marschiren" in der That an der Spize der Kultur!

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Wer mir das nicht auf's Wort glauben will, der besuche nur die Vorträge des Herrn Hofprediger Stöcker. Vielleicht werden nicht alle Leser schon etwas von diesem frommen Herrn gehört haben, und es wäre demnach meine Schuldigkeit als pflichtbeslissener Briefsteller, diesem Uebelstande abzuhelfen. Aber ich fühle mich nicht berufen, einem Uebel­stande abzuhelfen, der eigentlich gar kein Uebelstand ist. Nur einiges will ich zur Charakteristik mittheilen.

Herr Hofprediger Stöcker gehört zur Kategorie der Gründer; er hat nämlich ein höchst schwindelhaftes Institut, die ,, christlich- soziale Arbeiterpartei" gegründet. Hoffentlich wird mich niemand mißverstehen, denn wenn ich die ,, christlich- soziale Arbeiterpartei" mit dem Worte schwindelhaft näher bezeichne, so meine ich damit selbstverständlich nur die Höhe, die geistige Höhe, auf der diese neue Partei ihr rabenschwarzes Banner aufgepflanzt hat.

Die ,, christlich- soziale" Arbeiterpartei verspricht ihren Anhängern nebst Suppenmarken für die städtischen Speiseanstalten auch noch den- Himmel. Bettelsuppen auf Erden und im Jenseits den Himmel! Infolge dieser verlockenden Versprechungen haben sich auch bereits zwei arbeitslose Zimmerleute und ein Rauchfangkehrerlehrling der neuen Partei angeschlossen und sind bereit, mit ihr durch Dick und Dünn zu gehen. Die Gründung dieser Partei war eigentlich das hervorragendste Ereigniß der letzten Wochen, und man erzählt sich allen Ernstes, daß durch diesen unerwarteten Unglücksfall mehrere Theaterdirektoren in die traurige Lage versezt werden, ihre Theater sperren zu müssen, da sie trotz der besten Komiker und Kankantänzerinnen nicht mit der ,, christlich- sozialen Arbeiterpartei" konkurriren können.-pira.

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Zn spät!

Ich habe kaum ein Wort mit dir gesprochen, Ich habe kaum in's Auge dir gesehn Und dennoch hast du meinen Stolz gebrochen Ein süßes Wunder ist an mir geschehn;

Doch ward die Saat des Glückes, kaum entsprossen, Von scharfer Sichel nieder auch gemäht Wir werden nicht durch's Leben als Genossen Vereinigt gehn. Wir finden uns zu spät!

Du solltest nicht an meiner Stimme Zittern Mein Leid errathen, deiner Anmuth Sieg? Du sahst die Blätter zaudernd mich zerknittern; Ich sollte lesen, mochte nicht; ich schwieg. Es mied mein Blick, in Scheu gesenkt, den deinen; Ich weiß zu gut, wie viel ein Blick verräth, Und uns, mein Kind ich sag's und möchte weinen

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Uns winkt kein Glück. Wir finden uns zu spät.

Hast du geahnt, was schweigend ich empfunden? Hat sich die Trauer auch in dir geregt? Sag' nein, mein Kind! Sonst hätten diese Stunden An deines Friedens Baum die Art gelegt. Doch ach, ich weiß, du hättest meinem Werben Bell Lust gelauscht und nimmer mich verschmäht. Du nichst mir schluchzend? Traurig ist zum Sterben Dies eherne: ,, Wir finden uns zu spät."

Ich ging von dir, die Linke auf dem Herzen, Die Nacht durchirrt ich ohne Ziel und Weg Und in des Wildbachs Tosen sah in Schmerzen Ich düster nieder von dem schwanken Steg. Auf's Lager sank ich hülflos und zerrissen, Und als der Hahn schon manches mal gekrägt, Da stöhnt' ich noch auf thränenfeuchtem Kissen Mit bleichem Mund: ,, Wir finden uns zu spät!" Ich muß dich fliehn, um so vielleicht zu wahren Den lieben Augen ihren lichten Schein; Ich geh entgegen freudenlosen Jahren, Doch sollst du ewig mir gesegnet sein. Vor meinem Blicke wird dein Antlig stehen, Wehmüthig lieblich, ernst und still und stät Und wenn dir nachts die Augen übergehen, Sprich's leise mit: ,, Wir fanden uns zu spät!"

Rudolf Lavant .

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Luther bei Altenstein überfallen( S. 245). Unsere Illustration reproduzirt ein Gemälde des Grafen von Harrach , dessen Namen als Maler in der neuesten Zeit einen guten Klang gewonnen hat. Es stellt jene berühmte Szene der Gefangennahme des vom Reichstage zu Worms kommenden Luther durch die Reisige des Kurfürsten von Sachsen dar. Die Freunde des kühnen wittenberger Mönches hatten Ursache zu der Furcht, die Päpstlichen könnten den gefährlichen Widersacher, welcher ein sittenstrenges Bibelchristenthum predigte, nach dem Leben trachten, und da wußten sie keinen besseren Rath, als ihn bei der Heimreise durch den thüringer Wald zu überfallen und ihn eine Zeitlang verborgen zu halten. Der Ueberfall soll ausgeführt worden sein am 4. Mai 1521 von dem Ritter Burckhard Hund von Wenkheim, der auf Burg Alten­stein bei Liebenstein saß, und dem Schloßhauptmann der Wartburg , dem Ritter von Berlepsch. Luther hatte in seinem Stammdorfe Möra seine Verwandten besucht und war dann mit seinem Bruder Jakob aus Eisleben und seinem Freunde Nikolaus von Amsdorf in seinem von einer Reifendecke überspannten Korbwäglein aufgebrochen.

Drei Viertelstunden hinter Altenstein , in einem Hohlwege, der durch einen dunklen Grund führte, wo die Ruine einer alten Stapelle, Glisbock genannt, neben einer kolossalen Buche stand, erscholl aus dem Gebüsch auf einmal ein donnerndes Halt! und einige Armbrustbolzen schwirrten den erschrockenen Reisenden um die Häupter. Jakob, Luther's Bruder, sah aus dem Walde gewappnete Reiter hervorsprengen, die da im Hinterhalte gelegen hatten, und schnell entschlossen sprang er vom Wagen und barg sich jenseits des Weges im dichten Gebüsch, von wo aus er die folgende Szene anschauen konnte und doch selbst in Sicher­heit war, da der steile Abhang und der dichte Unterwuchs einem be­waffneten und berittenen Manne alle Verfolgung unmöglich machte. Fünf Reisige umringten den Wagen, einer warf mit einem Schlage der Armbrust den Fuhrmann vom Siße, ein zweiter riß Amsdorf vom Wagen herab; ein dritter legte einen Pfeil auf die Armbrust, hielt sie Luther vor und gebot ihm, sich gutwillig zu ergeben. Luther gehorchte und stieg vom Wagen, worauf ihm ein Reitermantel übergeworfen und er auf ein lediges Pferd gehoben wurde. Als die drei Reisigen mit ihm abgezogen, geboten die übrigen jener Gewappneten dem Fuhrmann, mit Amsdorf schleunigst weiter zu fahren, was dieser sich nicht zweimal sagen ließ, sondern die Pferde antrieb und von dannen stürmte. Als die Ritter mit ihrem Gefangenen in einem sicheren Versteck waren, er­folgte eine lange Berathung, wie man am besten das Geheimniß sichern und die Nachforschungen auf falsche Fährte leiten könne. Luther wurde