= 307
graphie zu einer Vollkommenheit und zu einem Maßstabe gebracht werden könnte, vor der die Phantasie fast erschrickt. Der Kaiser von Rußland könnte seine Befehle ohne Zwischenstation in der selben Minute von Petersburg nach Odessa , vielleicht nach Kiachta geben, wenn nur der Kupferdraht von gehöriger( im voraus scharf zu bestimmender) Stärke gesichert hingeführt und an beiden Endpunkten mächtige Apparate und gut eingeübte Personen wären. Ich halte es nicht für unmöglich, eine Maschinerie anzugeben, wodurch eine Depesche fast so mechanisch abgespielt würde, wie ein Glockenspiel ein Musikstück abspielt, das einmal auf eine Walze gesetzt ist. Aber bis eine solche Maschinerie allmählich zur Vollkommenheit gebracht würde, müßten natürlich erst viele kostspielige Versuche gemacht werden, die freilich z. B. für das Königreich Hannover feinen Zweck haben. Um eine solche Kette in einem Schlage bis zu den Antipoden zu haben, wären für 100 mill. Thlr. Kupferdraht vollkommen zureichend, für eine halb so große Distanz nur ein viertel so viel, und im Verhältniß des Quadrats der Strecke." Wilhelm Weber aber, neben Gauß Professor der Physik in Göttingen , der mit ihm gemeinschaftlich auf diesem Gebiete thätig war, schrieb:„ Wenn einst die Erde mit einem Nez von Eisenbahnen und Telegraphenlinien überzogen sein wird, so wird dieses Netz ähnliche Dienste leisten, als das Nervensystem im menschlichen Körper, theils die Bewegung, theils die Fortpflanzung der Empfindungen und Ideen blißschnell vermittelnd."
Im Jahre 1840 erschien von Gauß die längst erwartete allgemeine Theorie des Erdmagnetismus. Vom Senate der göttinger Hochschule wurde er beauftragt, die Universitäts - Witwenkasse neu zu organisiren, welche Aufgabe er in ausgezeichneter Weise löste; in einer besonderen Denkschrift aber legte er die Prinzipien dar, welche bei Verwaltung einer solchen Kasse maßgebend sein müssen. Am 16. Juli 1849 beging er sein 50jähriges Jubiläum als Lehrer an der hohen Schule Georgia Augusta in Göttingen , bei welcher Gelegenheit er mit Diplomen und Ehrenbezeigungen überhäuft wurde. Die Städte Göttingen und Braunschweig verliehen ihm das Ehrenbürgerrecht.
Ein ziemlich langes Leben und fünfzig Jahre strengen Forschens und Arbeitens im Dienste der Wissenschaft hatte der nun greise Gelehrte hinter sich. Großartiges hatte er geleistet. Von nun an schien er ausruhen zu wollen. Seine zweite Gemahlin war ihm schon 1831 gestorben. Täglich machte er von 11 bis 1 Uhr einen Spaziergang von der Sternwarte nach dem literarischen Museum, wo er mit unglaublicher Fertigkeit alle vorhandenen Zeitschriften durchsah und sich ab und zu Notizen daraus machte. Auch zuhause gab er sich nach abspannender Arbeit leichter Lektüre hin. Allmählich begann er über Schlaflosigkeit, kurzen Athem und Verschleimung zu klagen. Jede Nacht stand er um 3 Uhr auf und trank Selterswasser mit warmer Milch. Er hatte sich in 40 Jahren zweimal von einem Arzte ein Rezept schreiben lassen; im allgemeinen hielt er nicht viel von ärztlicher Hülfe und ließ sich nur schwer dazu bewegen, einen Arzt rufen zu lassen. Der herbeigerufene Kollege und Professor der Medizin Baum fand den Grund des Leidens in einer Herzerweiterung, hoffte jedoch auf Wiederherstellung oder mindestens auf ein längeres
Erhalten der Lebenskraft. In der That erholte sich Gauß noch einmal scheinbar, sodaß er seine Spaziergänge nach dem Museum wieder aufnehmen, sowie einige Ausflüge nach der Umgegend machen konnte. So besuchte er mit seiner Tochter die im Bau begriffene Eisenbahn von Göttingen nach Kassel und wohnte am 31. Juli 1854 der Eröffnung der Bahnstrecke Göttingen - Hannover bei. Mit dem herannahenden Herbste jedoch wurde sein Gesundheitszustand wieder bedenklicher, seine Füße begannen zu schwellen, sein Befinden verschlimmerte sich während des Winters zusehends. Am 22. Februar 1855, bald nach Mittag, hatte er noch einen harten Kampf zu bestehen, dann wurde er ruhiger und schien sich wohler zu fühlen. Am 23. Februar 1855, morgens 1 Uhr starb er. Am 26. desselben Monats fand das feierliche Begräbniß statt.
-
-
Ein großer Geist in Menschengestalt hatte seine Laufbahn beendet und ein großes Lebenswert, im Dienste der Wissenschaft und Wahrheit geleistet, hat er hinterlassen. Sein erster und bisher bester Biograph, der zugleich mit ihm befreundet war, W. Sartorius von Waltershausen , sagt über ihn:„ Gauß war ein Mann von eisernem Charakter, der auch nur fräftige Charaktere hochachten konnte; alle unsteten, unentschlossenen Lebensrichtungen, alles halbe Wesen so vieler Menschen war ihm durchaus zuwider. Sein eigentlicher, allen anderen Zwecken vorangehender Lebensplan bestand in der Verkörperung seiner großen wissenschaftlichen Ideen, in dem beharrlichen Streben, die exakten Wissenschaften des 19. Jahrhunderts einem neuen Aufschwunge, einer neuen Vollendung entgegen zu führen. Während jeder andere Zweck des Daseins ihm nur als untergeordnet erschien, wurde dieser mit unbeschreiblicher Energie verfolgt. Bei der Durchführung dieser großen Aufgabe wurde er von einer Willens- und Arbeitsfraft beseelt, wie sie einem Sterblichen nur selten in ähnlicher Weise beschieden sein dürfte; er konnte daher wahrhaft herkulische Arbeiten in verhältnißmäßig kurzer Zeit bewältigen. Die innige Verbindung dieser besonderen Anlagen mit jenem göttlichen Genie und einer fast bis zu seinen letzten Jahren kräftigen Gesundheit hat jene bewunderungswürdigen Schöpfungen hervorgebracht, welche nnser Jahrhundert erkannt und welche die Nachwelt dankbar verehren wird." Alle seine großartigen Forschungen sind aus der immenſen Tiefe seines Genies mit solcher Allgemeinheit, mit solcher Vollendung der Form in's Dasein getreten, daß sie keine Spur eines fremden Einflusses an sich tragen; sie zeigen dieses merkwürdige Gepräge in der ersten Jugendarbeit des großen Mannes und haben es bewahrt bis zu den Arbeiten seiner letzten Tage."
-
"
Was Gauß' Stellung zur Mitwelt anbelangt, so war er eine durch und durch aristokratische, politisch und religiös konservative Natur. Hier ist seine menschlich schwache Seite. Für die Wissenschaft hat Gauß wahrhaft Großes geleistet, er wird den größten Mathematikern des Menschengeschlechts mit Recht zugezählt. Für die Menschheit selbst ist er ein Beweis, daß der Menschheitsgenius und der Geist der Wahrheit nicht nach Stand und Geburt fragt. Gauß' Wahlspruch auf seinem Siegel war: Pauca sed matura, d. h. Wenig aber gut.
Die emaillirten schmiedeeisernen Kochgeschirre in der Gesundheitswirthschaft
der Küche.
Von Dr. H. Oidtmann. ( Schluß.)
Die Ergebnisse der Classen'schen Emailuntersuchungen führen den Hygieniker auch noch auf Nebengebiete, welche aber eben so neu als beachtenswerth sind. Wir sehen, daß u. a. auch beträchtliche Mengen Kieselsäure, Borsäure und Thonerde aus den Glasuren der Geschirre gelöst, daß wir also mit der zunehmenden Verwendung keramischer Fabrikate zu Küchengeschirren und mit dem zunehmenden Verbrauch von Essig bei unseren Mahlzeiten sehr fein vertheilte aufgelöste Kieselsäure, bor- und Kieselsaure Salze und Thonerde mit unseren Speisen genießen. Es fragt sich also, gehen auch Kieselsäure, Borax und Thonerde ähnlich wie Blei und Zink bei der Verdauung in's Blut und in die Nerven über? und besißen wir bereits Prüfungen an Gesunden
über die krankmachenden Wirkungen dieser bisjetzt noch wenig beachteten Stoffe?- Bei dem ungemein häufigen Vorkommen der keramischen Kiesel- und Thonerdeverbindung in den modernen Küchen- und Kellergeschirren( Essig und Branntweinkrüge, Einmachtöpfe, zementirte Wasserröhren und Tröge) dürfen wir, sowohl das Vorkommen löslicher Silikate( Rieselverbindungen in den Glasuren), wie auch die Wirkungen von Kiesel und Thon auf unseren Organismus nicht länger unerforscht lassen.
Ein Blick auf die Classen'sche Tabelle des Verhaltens der Emaillen gegen Essigsäure läßt bei 6( Gebr. G., altes Fabrikat) erkennen, daß eine Geschirrwand sehr große Mengen ihrer Emaillebestandtheile( 5,634 Gramm auf 2 Liter) an saure Flüssigkeiten