fluß bei mir aufbieten würde, damit ich fest bliebe und ihnen nicht etwa aus Gutmüthigkeit Konzessionen machte, die sie nicht verdienten."

Wenn das ist, dann wundert es mich allerdings nicht, daß man ihm die Fäuste zu spüren gab, und ich gestehe, daß ich nicht urnhin kann, diese Tracht Prügel wohlverdient zu finden. Diese Fabrifordnung, Herr Kommerzienrath , ist nämlich wirklich ein ungeheuerliches Machwerk, und wenn die Leute sich ihr still­schweigend unterworfen hätten, würde ich sie für ganz verkommen und entnervt halten müssen."

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Daß Sie kein Mitleid mit Weinlich haben, wundert mich grade nicht, denn Sie haben von Anfang an nicht mit ihm sym pathifirt; was das Reglement betrifft, so muß ich Ihnen zugeben, daß einzelne Paragraphen etwas zu scharf sind, ich habe mich eben auf Weinlich verlassen und das Ding nur flüchtig angesehen und dann unterschrieben. Vorhin habe ich mir die hervorgehobenen Bestimmungen genauer betrachtet, und da muß ich allerdings sagen, daß ich sie am liebsten zurücknähme. Allzu scharf macht schartig."

So nehmen Sie diese Paragraphen zurück und alles ist ge­ebnet, ich finde das äußerst einfach. Die Polizei hat sich ohnmächtig erwiesen: was soll werden, da die Leute schwerlich nadjgeben?"

Herr Hammer, nun muß ich Sie aber doch ersuchen, sich zu erinnern, mit wem Sie reden. Ich nachgeben? Jezt? Haben Sie denn gar keinen Begriff davon, daß das der reine Selbst mord wäre und daß ich mir für alle Zukunft den Respekt ver­geben würde? Man wirft mir ein paar hundert Scheiben ein, man schlägt meinen treuesten, ältesten Mitarbeiter kreuz und lendenlahm und dann treten Sie auch noch hin und rathen mir faltblütig und lächelnd, nachzugeben! Ich weiß thatsächlich nicht, was ich von Ihnen denken soll, Herr Hammer."

" Daß ich nicht Partei bin und die Situation nnbefangen be­urtheile. Ich kann nur immer wieder fragen, was Sie sonst thun wollen und thun können."

" Das wird sich gleich zeigen." Der Kommerzienrath sah nach der Uhr. Bis Zehn habe ich den Leuten Zeit gelassen, an ihre Arbeit zu gehen und ruhig abzuwarten, bis ich sie auffordern würde, mir ihre Beschwerden durch einige ältere Leute vorzutragen; sei der Plaz bis zehn Uhr nicht geräumt, so würde ich genöthigt sein, andere und strengere Maßregeln zu ergreifen. Wissen Sie, was die Antwort war, Herr Hammer? Man fing gleich darauf an, mir die Fenster einzuwerfen und erklärte, die Arbeit keines falls eher wieder aufzunehmen, als bis die Fabrikordnung zurück gezogen sei. Man war sogar so unverschämt, mir Bedentzeit bis zwölf zu geben, grade als verhandelten wir auf gleichem Fuße und als zwei ebenbürtige Parteien!"

Wolfgang zuckte die Achseln; es war ihm unmöglich, dieses Verlangen so ungeheuerlich zu finden, als es dem Kommerzien­rath erschien, aber er hatte sich überzeugt, daß sie Standpunkte innehatten, die einander völlig ausschlossen, und er unterdrückte die Antwort, die ihm auf den Lippen schwebte, um so lieber, als in diesem Augenblick der Bürgermeister, der sich mit seinen beiden start eingeschüchterten und ziemlich kleinlauten Polizisten im dritten Comptoirzimmer aufgehalten hatte, eintrat. Man rief auch Weinlich herein, dem die kleine Anna inzwischen den Kopf regelrecht ver­bunden hatte; die Commis, sowie die Aufseher in der Fabrik hatten sich theils durch die Drohungen der Arbeiter, theils durch die eigne Furcht abhalten lassen, an ihrem Posten zu erscheinen, wie Wolfgang auf seine Frage erfuhr. Der Bürgermeister war sichtlich echauffirt; er hatte sein Gesicht in streng amtliche Falten gelegt, und mit gemessener Förmlichkeit nahm er Platz und begann: Die den Aufrührern gesetzte Frist ist abgelaufen, ohne daß sie sich eines bessern besonnen hätten; man ist im Gegentheil zu argen Exzessen übergegangen. Die Haltung der zum Theil be­rauschten Menge wird von Viertelstunde zu Viertelstunde bedroh­licher, und es ist ganz unberechenbar, zu welchen Ausschreitungen sich der Haufe noch hinreißen lassen wird, wenn nicht radikale Mittel angewendet werden. Ihre Damen, Herr Kommerzien rath, sind längst in Sicherheit, wir brauchen also mit ihnen, die sehr gefährdet wären, nicht zu rechnen. Mit meinen zwei Dienern läßt sich nichts ausrichten; die Feuerwehr ist leider nicht am Plaze

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Ihr Hauptmann würde auch Bedenken tragen, sie und sich der Polizei zur Verfügung zu stellen; es ist ihm von irgendwelchen Verpflichtungen, derartige Dienste zu leisten, nichts bekannt, und eine derartige Intervention könnte unter Umständen Anlaß zu

Gehorsamsverweigerung werden und den Bestand des Korps in Frage stellen," unterbrach ihn Wolfgang.

Der Bürgermeister sah Wolfgang mit einem bedeutungsvoll gedehnten So?" betroffen an, der alte Weinlich lächelte höhnisch, der Kommerzienrath brauste auf:

Wir brauchen Sie auch nicht, Herr Hammer, eine Schwadron Husaren ist mir entschieden lieber, als Ihre gesammte Feuerwehr." Der Bürgermeister fuhr mit allem Aplomb, dessen er fähig war, fort:

Meine Pflicht gebietet mir, diesem ungefeßlichen Treiben nicht länger passiv zuzusehen und die Ordnung auf's schleunigste wieder herzustellen. Ein Telegramm an das Garnisonkommando in W. führt in spätestens dreiviertel Stunden eine ausreichende Abthei lung Husaren hierher und bis Mittag kann alles vorüber sein. Es handelt sich nur darum, das Telegramm nach der Station zu bringen und das hat seine Schwierigkeiten. Die Fabrik ist auf allen Seiten umzingelt; von uns fann niemand daran denken, sie zu verlassen und höchstens die Jungfer der Frau von Larisch könnte den Versuch wagen."

Ich meine, der Erörterung der zweiten Frage muß erst die Entscheidung über die erste vorausgehen," wendete Wolfgang ein.

" Ich seze allerdings voraus, daß über die Bejahung der ersten Frage Stimmeneinhelligkeit herrscht, Sie höchstens ausgenommen, der Sie aus mir unerfindlichen Gründen ein beinahe sentimen tales Mitleid mit dem unbotmäßigen, rohen Volke zu empfinden scheinen. Ich werde jedoch nicht dulden, daß man aus so win­digen Motiven den zum Schlag ausholenden Arm des beleidigten Gesezes lahmlegt."

Der Herr Bürgermeister kam sich in diesem Moment jeden­falls sehr erhaben vor, und das feine Lächeln, welches sein gewalt­sames Pathos auf Wolfgangs Lippen rief, reizte ihn so, daß er beschloß, sich weitere Einreden dieses tecken, alle Autorität instinktiv negirenden jungen Mannes nachdrücklich zu verbitten. Weinlich sah Wolfgang von der Seite an, als bedaure er, ihn nicht mit einem Blick vergiften zu können; der Kommerzienrath trommelte ungeduldig mit den Fingern auf der Tischplatte und fragte un­wirsch und heftig:

" Darf man fragen, welchen andern Ausweg Herr Hammer vorzuziehen beliebt? Ich kann nicht glauben, daß Sie die ver­steckte Parteinahme für diese Undankbaren soweit treiben werden, uns hier, aufs ungewisse hinans, in der Gefangenschaft zu er­halten, und es gibt keine Rettung, als die Husaren."

, Doch, Herr Kommerzienrath , es gibt noch ein Mittel und dieses sollte nicht unversucht bleiben. Uebertragen Sie mir die Verhandlung mit den Leuten, geben Sie mir eine Stunde Zeit, und wenn es mir bis dahin nicht gelungen ist, sie vom Blaze zu entfernen, so mögen Sie thun, was Sie nicht lassen tönnen."

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Der Bürgermeister gab dem sichtlich überraschten Kommerzien rath einen abmahnenden Wink mit den Augen; es lag ihm viel daran, daß keine weitere Verschleppung entstand. Weinlich aber, der vor Verlangen brannte, sich an dem aufsässigen Volke" zu rächen, sagte höhnisch:

Ich werde mich natürlich nie unterstehen, dem Herrn Kom­ merzienrath Vorschriften machen zu wollen, aber Ihr zartes Mitleid mit diesen Aufrührern scheint mir denn doch an sträfliche Parteinahme zu grenzen. Schlimm wird es ja auf keinen Fall; wenn sie die Husaren nur von weitem sehen, geht es an ein Laufen und Kennen, und ein paar Blutstropfen werden Ihre Nerven doch nicht gleich affiziren der Anblick meines Blutes schien Sie wenigstens sehr kalt zu lassen."

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Wenn aber die Leute nun standhalten, wenn es nicht bei ein paar Tropfen Blut bleibt? So ein paar überrittene und von den Hufen zertretene Greise, die nicht schnell genug laufen und rennen können, so ein paar klaffende Schädel scheinen Ihnen den Aufschub von einer Stunde nicht werth? Ich habe mehr als ein Schlachtfeld gesehen und ich thue Ihnen die, vielleicht unverdiente, Ehre an, zu glauben, daß Sie nach dem Zusammenstoß wünschen würden, Ihre Husaren wären geblieben, wo sie waren und Sie hätten sich mit dem Telegraphiren etwas Zeit genommen.

Der Kommerzienrath schwankte; er war im Grunde eine friedfertige Natur und der Gedanke an Blut reichte hin, ihm Uebelkeit zu verursachen. Wolfgang benutzte dieses Schwanken und sagte in dringendem Tone:

Ich habe, seit ich bei Ihnen bin, noch nie eine Bitte an Sie gerichtet, und werde schwerlich je eine Bitte aussprechen. Schlagen Sie mir die erste und letzte nicht ab, geben Sie mir so einen Be­