No 29. Jahrg.
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Es war eine weitere Folge der vom Kommerzienrath adoptirten Taktik, daß er seinen Damen gegenüber, die er gegen Abend hatte zurückholen lassen und die nur die ersten Anfänge des Krawalls fannten, den ganzen Vorfall auf die leichte Achsel nahm und ihn als eins von den unangenehmen, aber leider unvermeidlichen Vorkommnissen schilderte, die im Leben eines Fabrikbesizers die Dornen bilden, denen aber ein energischer und humaner Mann, namentlich wenn er von der Pike auf gedient hat, Gott sei Dank, stets gewachsen ist. Er spöttelte sogar ein wenig über den Beamten eifer des Bürgermeisters, der ohne sein Wissen nach Militär telegraphirt habe, das sehr überflüssig gewesen sei, und über Wolfgang, der seinen ehrlichen Willen, aber auch seinen Mangel an Autorität bei dem gemeinen Volke bewiesen habe, indem er zu interveniren versuchte, und sowohl Frau von Larisch als Emmy fanden ein solches Mißgeschick in diesem bestimmten Falle so natürlich, daß sie es keinen Moment in Zweifel zogen, während sie andrerseits die Thatsache, daß auch Wolfgang sich in ein Unternehmen stürzen könne, dem er nicht gewachsen war, viel zu wenig nach ihrem Geschmack fanden, als daß sie Lust gehabt hätten, sich nach Details zu erkundigen. Auch der Kommerzienrath glitt möglichst leicht über die ärgerlichen Vorkommnisse des Vormittags hinweg und berührte dieselben nicht weiter, und so kam es, daß am Theetisch bald von allem andern geplaudert ward, nur nicht von dem Konflikt, der so leicht den gefährlichsten Charakter hätte annehmen können. Nur Martha war nicht ganz frei von Zweifeln. Sie kannte alle Schwächen des Kommerzienraths, sie wußte, daß er stets zu Prahlereien geneigt war, daß er es mit der Wahrheit nicht allzu genau nahm und daß er es niemals über sich gewonnen hätte, zuzugeben, daß er einer Situation nicht gewachsen gewesen sei; sie muthmaßte stark, daß Wolfgang keineswegs die Rolle gespielt habe, die ihm sein Chef andichtete. Aber wo sollte fie sich erkundigen? Sie wußte nicht, wieviel die kleine Anna gesehen und gehört und noch weniger, daß sie gewissermaßen mit Wolfgang konspirirt hatte, und hätte sie es gewußt, es ist mehr als fraglich, ob sie es über sich gewonnen hätte, das junge Mädchen zu fragen. Es würde ihrem Feingefühl widerstrebt haben, durch eine private Erkundigung ein Interesse an den Tag zu legen, das wohl auch die kleine Anna sich richtig gedeutet haben würde, und sie hätte lieber alle Qual des Zweifels und der Ungewißheit schweigend getragen, als sich dazu herbeigelassen, einen Schritt
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zu thun, der für sie einen fatalen Beigeschmack hatte. Dafür, daß Anna ihrer natürlichen Mittheilungslust nicht die Zügel schießen ließ, sondern sich, da niemand sie ausforschte, über die Ereignisse des Vormittags ausschwieg, hatte Wolfgang gesorgt. Als er in der Abenddämmerung nach Hause ging, huschte aus dem Schatten der Häuser heraus eine Mädchengestalt an seine Seite und bemühte sich, mit ihm Schritt zu halten; er war aber so in seine Gedanken versunken, daß er sie nicht beachtete und daß erst ein leises, ein wenig neckisches:" Guten Abend, Herr Hammer!" ihn erstaunt aufblicken ließ. Es war Anna, die eine leichte Befangenheit unter einem Lächeln zu verbergen strebte, aber sofort sicher ward, als Wolfgang ihr mit einem freundlichen:
Sieh da, meine kleine, Kluge, entschlossene Verbündete! Wie hübsch sich das trifft!" die Hand entgegenstreckte. Sie fühlte sich fast gehoben von dem Händedruck Wolfgangs und erwiderte eifrig:
" So ganz zufällig ist es doch nicht, daß ich hier bin, aber ich mußte doch wissen, ob ich Ihnen mit meinem Zettel etwas nüßen konnte, ob ich es recht gemacht habe und ob Sie mit mir zufrieden sind."
Wenn Sie wüßten, wieviel das Zettelchen werth war! Es hat wer weiß wie vielen Menschen das Leben gerettet und Sie haben mir einen Dienst geleistet, für den ich Zeit meines Lebens in Ihrer Schuld stehen werde. Wenn ich wüßte, womit ich Ihnen eine recht große Freude machen könnte!"
Ach, Herr Hammer, Sie wissen doch, daß ich nie wieder gut machen kann, was Sie schon alles für mich gethan haben. Und was habe ich denn hier besonderes ausgeführt? Ich glaube, jedes andere Mädchen, das nicht ganz auf den Kopf gefallen ist, hätte dasselbe gethan. Ich hatte gehört, daß Sie nichts von den Husaren wissen wollten und daß man Ihnen eine Stunde Zeit gab. Sie waren kaum zur Thür hinaus, da ließ sich der Herr Kommerzienrath von dem dicken Bürgermeister, der wie ein erboster Truthahn kollerte, und von dem alten, häßlichen Kerl, dem ich seine Löcher im Kopfe von Herzen gönnte, beschwagen und brach sein Versprechen. Das ärgerte mich und ich dachte mir, es könnte Ihnen lieb sein, wenn Sie davon erführen. Darum schlug ich, als sie den jüngeren Polizeidiener mit der Depesche wegschicken wollten, vor, mich gehen zu lassen, da ich doch gewiß leichter durchkäme; und sie ließen sich überzeugen und lobten mich und versprachen mir ein gutes Trinkgeld, und der alte, grautöpfige
III. 20. April 1878,