fünften des Revolutionscomité bei. Auf seinen Befehl wurden die Hauptanführer desselben Nachts in ihren Betten erdrosselt. Ohne Verzug kehrte Murawiew nach Petersburg zurück und unterrichtete den Kaiser von der drohenden Gefahr. Wenige Tage später gingen 60,000 Russen zum Schuße des polnischen Volkes() nach dem Schauplage der Insurrektion ab.
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Als diese lettere sich über ganz Lithauen ausdehnte, ernannte der Kaiser Murawiew zum Gouverneur von Wilna . In dieser Stellung war es, wo wie schon erwähnt der General die unerhörtesten Grausamkeiten verübte, die ihn in den Augen eines jeden fühlenden Menschen zu einem zweiten Nero stempelten und ihm den Beinamen der Schlächter von Lithauen" erwarben. Während er auf der einen Seite den Bauern, die sich willig unter das russische Joch bequemten, einige Erleichterung verschaffte, widersezte er sich auf der anderen Seite mit allen Kräften der Aufhebung der Leibeigenschaft. Indessen half ihm sein Sträuben nichts find mit verbissenem Ingrimm mußte er erfahren, daß schon am 17. März 1863 diese aller Menschenwürde gar zu frech hohnsprechende Einrichtung aufgehoben wurde.
Als Murawiew das kaiserliche Schreiben erhielt, welches ihm befahl, die Bauern auf seinen Gütern freizugeben, soll er dasselbe wüthend in Stücke zerrissen und ausgerufen haben:
„ Wenn die Hunde zu Herren werden, dann werden die Herren zu Hunden!"
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Es war am 18. April des genannten Jahres, als Murawiew sich von Wilna nach Kowno begab. Seine getreuen Kosaken mit den langen Lanzen und spizbübischen Gesichtern begleiteten den russischen Nero. Zahlreiche Galgen mit den Leichen erhenkter Insurgenten bezeichneten seinen Weg. Hinter ihm her tönten die Verwünschungen unzähliger ihres Ernährers beraubten Frauen und Kinder; seitwärts befanden sich die Trümmer volfreicher Städte und Dörfer, die seine Kosaken geplündert und angezündet hatten.
Obgleich erst seit wenigen Monaten in Lithauen, hatte Murawiew bereits 30,000 Personen in die Eisfelder Sibiriens transportiren lassen; im Laufe des Jahres vervierfachte sich diese Zahl. Welche Mißhandlungen diese Unglücklichen zu erdulden hatten, wie man gegen ihre Frauen und Kinder verfuhr, spottet jeder Beschreibung.
Der Kommandant der russischen Truppen war endlich in Begleitung seiner Gattin und seines Sohnes in Kowno angelangt. Seine erste Handlung bestand darin, daß er das Urtheil unter zeichnete, welches dreizehn der edelsten Patrioten, die bei dem Aufstande betheiligt gewesen, zum Galgen verdammte.
Das Karmeliterkloster der Stadt war zu einem Gefängniß umgewandelt worden und diente jenen Unglücklichen, wie einigen fünfzig gefangenen Frauen als gegenwärtiger Aufenthalt. Der mit ihrer Ueberwachung beauftragte Offizier stellte sich soeben Murawiew vor, um ihm seinen Bericht über die erwähnten Patrioten abzustatten.
,, Nun," fragte der Kommandant den Eintretenden, was treiben die Gefangenen? Die Schurken sind ohne Zweifel sehr niedergeschlagen?"
" Ich möchte das gerade nicht von ihnen behaupten, Exzellenz..." antwortete der Offizier.
"
Hm, nicht?" unterbrach ihn sein Vorgesetzter. Sie haben vielleicht Hoffnung, von dem Galgen loszukommen. Aber das wird nicht stattfinden. Sie wissen, mein Herr, daß ich bereits über sie entschieden. Doch Sie haben mir noch nicht gesagt, was sie treiben. Diese quecksilbrigen Lithauer können doch unmöglich den ganzen Tag mit Nichtsthun verbringen?"
" Das ist richtig, Exzellenz. Die Gefangenen haben auch ihre Beschäftigung. Die einen schreiben an ihre Familie..." Der Offizier hielt zögernd inne.
„ Nun, und die andern?" fragte Murawiew. " Die andern spielen heimlich Karten..." " Wie?" fuhr der General auf.„ Sie gestatten den Schurken diesen Zeitvertreib und wissen doch, daß ich das Kartenspiel streng untersagt habe?"
" Exzellenz halten zu Gnaden," erwiderte der Offizier verwirrt, „ ich erfuhr erst vor wenigen Minuten die Uebertretung Ihres Befehls und habe den Gefangenen sofort die Karten entziehen lassen."
"
Es ist gut, mein Herr. Sind die Schufte bereits von ihrer bevorstehenden Hinrichtung in Kenntniß gesetzt?"
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Bis auf den alten Michael Liwinski noch niemand, Exzellenz." " Nun und wie hat dieser die Nachricht entgegengenommen?" „ Er ist sehr traurig und läßt die Thränen in seinen langen weißen Bart rollen."
" Der Feigling!" murmelte Murawiem verächtlich.
Der Offizier, welcher diesen Ausruf seines Vorgesetzten vernommen hatte, erwiderte:
Es ist vielleicht nicht die Aussicht auf seinen Tod, Exzellenz, die ihn bekümmert, sondern..."
" Das Schicksal seines unglücklichen Vaterlandes," unterbrach ihn der General höhnisch." Ja, ja, ich kenne das! Diese Redensart haben die Rebellen alle im Munde. Als ob ihr Vaterland unglücklich wäre, seitdem es zu Rußland gehört! Sind diese Lithauer, diese Polen , denn jemals zufrieden gewesen? Haben sie sich nicht untereinander aufgefressen? Sie sollten sich glücklich schäzen, daß Rußland sie in seinen Schutz genommen hat!"
" Allerdings, Exzellenz, allein was den alten Liwinski betrifft, so glaube ich wohl, daß er in diesem Momente weniger an sein Vaterland, als an das Schicksal seiner Tochter denkt."
,, Ah so," versetzte Murawiew, richtig, er hat eine Tochter, dieser alte Schuft! Ich erinnerte mich nicht gleich an sie. Es ist gut, daß Sie das erwähnten."
Dann fügte er, während ein chnisches Lächeln seinen breiten Mund umspielte, hinzu:
„ Nun, was diese Tochter anbelangt, so werde ich sie mit meinem Leibkosaken verheirathen. Sie ist eine stramme Dirne und mein Jwan ein prachtvoller Bursche. Das kann eine gute Rasse abgeben."
Der Offizier lachte pflichtschuldigst über den rohen Spaß seines Vorgesezten, obgleich er wußte, daß er nicht ernstlich ge= meint war.
Murawiew liebte es nicht, daß Russen mit Polinnen eine eheliche Verbindung eingingen, denn sagte er- die Liebe einer Polin macht den Russen zum Polen !"
" Doch apropos, Exzellenz," nahm der Offizier nach einer augenblicklichen Pause wieder das Wort, ich habe meinem Rapporte noch hinzuzufügen, daß Thaddäa Liwinska seit heute Morgen um die Gnade bittet, von Ihrer Exzellenz empfangen zu werden."
Immer die Weiber," fuhr der General auf." Ich kann doch unmöglich alle Wittwen und Waisen Lithauens empfangen! Warum revoltiren diese Menschen unaufhörlich und wollen nicht begreifen, daß ihr Heil einzig und allein darin liegt, zu Rußland zu gehören? Die Polen würden wahrlich besser daran thun, wenn sie sich der Bearbeitung ihrer unermeßlichen Landstrecken unterziehen und sich den industriellen Geschäften widmen würden, anstatt nach mittelalterlichem Geschmack in Schlössern und Burgen zu leben und selbst Soldat zu spielen."
Der General machte eine Pause und versank in tiefes Nach
denken.
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" Exzellenz," wagte der Offizier nach einigen Minuten zu erinnern.
Murawiew blickte fast erschreckt auf und fragte in verdrießlichem Tone:
" Sie sind noch hier? Was wünschen Sie?" " Exzellenz, ich wollte nur wegen jenes jungen Mädchens Thaddäa.
" Ja, so, sie hat um eine Audienz gebeten. Nun, da sich meine Frau für die Dirne interessirt, möge sie eintreten." Aber Ihre Exzellenz werden doch nicht vergessen, daß Michael Liwinski sehr strafbar ist?"
"
Was wollen Sie damit sagen, mein Herr?"
„ Exzellenz, verzeihen Sie, ich glaubte, weil hochdero Gemahlin...
" Pah!" rief Murawiew lächelnd. Das thut hier nichts zur Sache! Ich werde trotzdessen keine Gnade walten lassen. Sie sind ein treuer Diener, ich danke Ihnen, daß Sie mich daran erinnerten."
Der Offizier verneigte sich unterwürfig.
" Nein, nein," fuhr sein Vorgesetzter fort, keine Milde diesen Rebellen gegenüber! Das wäre ein unverzeihlicher Fehler. Ein einzigesmal in meinem Leben habe ich einen Polen wieder in Freiheit setzen lassen, weil seine Frau mich länger als sechs Monate darum gebeten hatte. Und es thut mir heute noch leid. daß ich endlich ihren Wunsch erfüllte."
,, D, Exzellenz hatten gewiß Ihre Gründe, welche diese milde