Handlungsweise entschuldigten," bemerkte der Offizier mit einem halben Lächeln.

,, Natürlich, mein Herr, natürlich," antwortete der General lachend. Ich konnte beinahe nicht anders."

Exzellenz haben ganz recht," fuhr der Offizier noch immer lächelnd fort, man muß diesen Rebellen keine Gnade gewähren." ,, Nein, niemals, niemals!"

Murawiew schlug bei diesen Worten heftig mit der Faust auf

Wiener Lebensbilder.

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III.

,, Das wohlthätige Wien !" Wie viel wird in unseren Zeitungen davon geschrieben und doch wie eigenthümlich sonderbar muthet uns diese Phrase an angesichts der täglich zunehmenden Massenver­elendung unserer Bevölkerung! Es ist wahr, der Wiener ist in der Regel gutmüthig und freigebig; in den ,, untersten Schichten" kann man tagtäglich die rührendsten Beispiele von Edelsinn beobachten, wenn leider auch hier die Thatsache nicht verschwiegen werden kann, daß das Elend mitunter die mildesten Herzen verhärtet. Aber nicht diese im stillen Kämmerlein der Armuth verübten Wohlthätigkeitsakte sind es, welche unsere Zeitungsschreiber zu ihrem beliebten Schlagworte ver­anlassen; nicht diese Wohlthätigkeit, wo ,, die Linke nicht weiß, was die Rechte thut", ist es, welche einem zukünftigen Kulturhistoriker unserer Stadt, der etwa die heutigen Zeitungen als Quellen benüßen wollte, als spezielle wiener Charaktereigenthümlichkeit erscheinen dürfte, sondern jene, die als Grundsaß aufstellt: Sehen und sich sehen lassen!" Des halb, wenn vom ,, wohlthätigen Wien" die Rede ist, so können wir versichert sein, gewiß von irgend einer Wohlthätigkeits"-Vorstellung oder Akademie, von einem ,, Wohlthätigkeits"-Konzert, Kränzchen, -Bazar oder dergleichen zu hören, respektive zu lesen. Namentlich diese legteren, die Wohlthätigkeits- Bazare" kommen neuerer Zeit sehr in Mode, und es ist dies natürlich, nachdem gerade sie den Damen aus den ,, oberen Zehntausend" am leichtesten Gelegenheit bieten, dem oben zitirten Grundsatz zu huldigen. Nicht jede hat das Zeug dazu, in irgend einer ,, Vorstellung" als Schauspielerin, Sängerin oder Virtuosin vor ein, wenn auch noch so exklusives Publikum zu treten, wie bei­spielsweise die Freundin Napoleons III., Fürstin Pauline Metternich , die sich als Chansonettensängerin im Style der Mannsfeld, Ulfe, ,, Fiatermili" und anderer gar nicht mehr zweideutiger Koryphäen dieses Faches bereits in weitesten Kreisen einen gewissen Ruf erworben hat. Indeß hinter dem Verkaufstische stehen und da seine Mildherzigkeit und seine sonstigen schönen Eigenschaften bewundern lassen, ist keine besondere Kunst und mag zudem für unsere Prinzeßchen, Comteßchen und Baroneßchen gerade feine uninteressante Abwechslung in ihre ge­wöhnlichen ,, Beschäftigungen" bringen.

So sinkt in diesen Kreisen, wo fast alles auf den Schein berechnet ist, auch die Wohlthätigkeit zu einer schalen Komödie herab, die sich alljährlich mit einer gewissen Regelmäßigkeit wiederholt. Indeß wir haben keinen Schaden dabei gönnen wir den Leutchen dieses un­schuldige Vergnügen, umsomehr, als ungefähr aus dem gleichen Grunde des Sichsehenlassens" mancher reiche Filz, der für die Armuth sonst keinen Kreuzer hat, sich moralisch gezwungen sieht, das Blumen­sträußchen der Gräfin X. oder die Cigarre der Prinzeß Y. mit einer Banknote zu bezahlen. Die Einnahmen dieser ,, Wohlthätigkeits"-Bazare sind nicht unerhebliche und so fällt der Armuth doch ein Brosämchen vom Tische der Reichen zu. Freilich gehen alle derartigen Unter­stügungen durch ein vielfältiges Sieb: die großen Brocken bleiben oben und dem eigentlichen Zwecke kommen blos die kleinsten Stückchen zugute!

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in den von

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Mitunter aber nimmt diese ,, Wohlthätigkeits"-Komödie einen mehr als widerlichen Charakter an, wie z. B. bei dem im vorigen Jahre stattgefundenen ,, Kinder- Bazar", welchen der ,, Verein der Kinderfreunde" zum besten eines sogenannten ,, Kinderasyls" in Zillingsdorf veranstaltet hatte. Für unsere blasirte ,, bessere Gesellschaft" hatte es den Reiz der Neuheit, die Kleinen als Käufer und tokettirende Verkäuferinnen belorgnettiren zu können; aber die armen Kleinen selbst, Menschen überfüllten Lokalitäten der Gartenbaugesellschaft mußten sie stundenlang Verkäufer und Verkäuferinnen spielen und die Alten" fanden dies überaus reizend"! Eigenthümlicher Widerspruch! Wenn der Wind draußen etwas unsanft bläst, werden die Kinder nicht über die Schwelle des Zimmers gelassen, das nach der erprobtesten Quecksilbersäule gewissenhaft temperirt wird aber die arme Jugend stundenlang in einem von Hiße und Dunst geschwängerten Raume ver­schmachten zu lassen, findet man vollkommen in der Ordnung. Die zwölfjährige Emma muß auf der Gasse sittig die Augen niederschlagen, aber im Bazar stellt man sie gepußt wie eine Wachsfigur in der Aus­lage eines Modewaarenhändlers für den Bestbietenden zur Schau aus. Man eifert gegen das Kindertheater und echauffirt sich für den Kinder­bazar- man behütet die Kleinen sorgsam vor den Geheimnissen des Wer täglichen Erwerbes und benüßt sie heute selbst als Waare. schüßt uns davor, daß, nachdem die Stadt mit so gutem Beispiel vor­angegangen, nicht nächstens ein Vorstadtbezirk einen Bazar mit 27­Kreuzer- Kindern eröffnet und ein zwölfjähriger Traugott Feitel dem

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den Tisch, sodaß einige der darauf befindlichen Papiere auf den Fußboden flogen.

Der Offizier bemühte sich sogleich, dieselben aufzusammeln. Lassen Sie, mein Herr, und gehen Sie, damit ich mit der Dirne in's reine komme."

" Zu Befehl, Exzellenz!"

Der Offizier grüßte militärisch und ließ seinen Vorgesetzten allein. ( Fortseßung folgt.)

Unternehmen der Kinderfreunde die Krone aufsetzt. Auf dem Bazar in den Gartenbausälen war ein dreizehnjähriges Mädchen zu erblicken, deren Wangen und Nacken die deutlichen Spuren von frisch aufgelegtem Poudre de riz trugen. Wäre die Mutter dieses Kindes nicht werth, an den Pranger gestellt zu werden?

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es werde

Unsere liberale" Presse, allen voran das edle Gründer- Organ, die ,, Neue freie Presse", haben natürlich für diesen Bazar kräftigst die Reklametrommel gerührt wie wäre denn auch von dieser Presse, die sich in Schmutz und Schlamm aller Art so wohl fühlte, andres zu er­warten gewesen! Das Geschäft gelang, der ,, Verein der Kinderfreunde" hatte ein Erträgniß von einigen tausend Gulden. Nachträglich scheint allerdings manchem einiges Licht aufgegangen zu sein, wenigstens las ich im Fremdenblatt" das folgende Eingesendet einer Mutter, die selbst mitgesündigt hatte. ,, Man sagt schreibt dieselbe durch solche Bazare der Wohlthätigkeitssinn der Jugend gefördert. Mein Töchterchen, ein sonst gut geartetes Kind, verkündete mir am Abend, strahlend vor Wonne, die glänzenden Ergebnisse seiner Ge­schäftsthätigkeit. Du freust dich wol', fragte ich ,, weil du den armen Kindern einen großen Betrag gesammelt hast?" Ja lautete die Antwort-, und weil Sylvia und Lucie, die mich über die Achsel an­sehen, weil sie zwei Jahre älter sind, nicht halb so viel verkauft haben, als ich. Ist es wahr, Mama' fragte sie später-, daß ich so hübsche, blaue Augen habe, wie mir heute ein Herr gesagt hat? So sieht der Sinn für Wohlthätigkeit aus, der durch Kinder- Bazare' ge­fördert wird. Wenn solch' ein junges Geschöpf einen größeren Betrag empfängt, ist es zunächst die Nachbarin, die ihm einfällt, und das arme Kind, dem die Gabe zugute kommen soll, ist sein allerleẞter Ge­danke." Ich habe dem wol nichts beizufügen.( Schluß folgt.)

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Cromwell wird mit seiner Familie durch Staatsbeschluß an der Auswanderung gehindert.( Bild Seite 353.) Als am 14. Juni 1645 Karl Stuart , König von England, in der Schlacht bei Naseby ( sprich Nehsbi) zum letztenmal von den englischen Parlamentstruppen geschlagen worden war und seine Briefschaften den Siegern in die Hände fielen, ward sein Hochverrath offenkundig; hatte er doch im Ausland Hilfe gesucht, um seinem Volke alle neuerrungenen Freiheiten des Konstitutionalismus zu rauben und wieder in dem alten Despotenstil zu regieren. Wie Cromwell dadurch allmählich sich überzeugte, daß die Stunde der Monarchie geschlagen habe, und wie Karl Stuart schließlich infolge des öffentlichen Wahrspruchs des englischen Volks fiel, ist all­bekannt. Im Februar 1649 ward England zur Republik erklärt und Cromwell war eine Zeitlang die treibende Kraft im Staatswesen. Das , lange Parlament" löste er auf und ließ nach von ihm aufgestellten Listen ein solches aus lammfrommen, gottesfürchtigen Männern wählen, die viel beteten und arbeiteten, eine Verfassung aber nicht zustande brachten und Cromwell diese Aufgabe überließen; vielleicht war das der Zweck Cromwells gewesen. Nun arbeitete dieser die neue Ordnung der Dinge mit Hülfe einiger befreundeten Offiziere und Staatsmänner aus und stellte sich als Lord Protektor an die Spize des Staates. Am 3. Sept. 1654 legte er dem neuen Parlamente die neue Verfassung vor; als jedoch dieses letztere dieselbe in Frage stellte und an ihr mäkelte, forderte Cromwell jeden, der Parlamentsmitglied bleiben wollte, auf, in schriftlichem Revers die Verfassung von Cromwells Gnaden anzu­erkennen; die meisten fügten sich, aber einige machten weitere Gegen­vorstellungen, welche nach fünf Monaten die Auflösung des Parlaments zur Folge hatten. Um dauernde Ruhe und Ordnung" zu stiften, theilte Cromwell das Königreich in 12 Militärbezirke unter ,, strammen" Generalmajoren mit fast unbeschränkter Gewalt. Bei der Neuwahl zum Parlament von 1656 schloß der Lord Protektor einfach über hundert oppositionell Gesinnte aus. 1657 wandelte den frommen Cromwell das Gelüst an, den Königstitel anzunehmen und eine Erbmonarchie her­zustellen. Wegen der immerwährenden Friktionen", die ihren Grund in der Nichterfüllung dieser persönlichen Wünsche hatten, ward das Parlament 1658 von neuem aufgelöst. Mehr als einmal mag der an­gehende ,, erbliche König" ungeduldig und ärgerlich geworden sein über die ihm feindlichen Strömungen des öffentlichen Lebens: einmal raffte er sich auf und wollte Englands ,, undankbaren" Boden verlassen, aber eine Parlamentsakte hinderte ihn am Weggange, weil er bereits bei vielen zu einem ,, Unentbehrlichen" geworden war. Vielleicht hätte man ihn ziehen lassen sollen; das englische Volk wäre selbständiger, die englische Freiheit eine wahrere geworden. Am 3. September 1658 starb der merkwürdige Mann, in dem republikanische Sinnesart, mili­tärische Tüchtigkeit, persönlicher Ehrgeiz und eine starke Dosis muckerische Unklarheit sich zu einer sonderbaren Mischung vereinigten.

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