das der unsterbliche Newton ganz klar und mathematisch bewiesen hat? Mit Verlaub zunächst: daß sich die Körper anziehen, hat er nie beweisen wollen, wie wir bald sehen werden. Er hat nichts andres gethan, als einen mathematischen Ausdruck für die unbestreitbaren Thatsachen aufgestellt, daß für die Bewegungen der Himmelskörper ein im geraden Verhältniß ihrer Massen zu und im Verhältniß des Quadrates ihrer Entfernungen, abnehmendes Bestreben, sich einander zu nähern, vorausgesetzt werden muß*). Wenn der Ausdruck Anziehung" uns die physische Ursache dieser Annäherungserscheinungen oder Bestrebungen geben soll, so müssen wir doch fragen: durch welchen Vorgang können zwei, millionen Meilen von einander entfernte, Körper gegenseitig einen Zug ausüben? Zwar ist das Wort, das bei fehlenden Begriffen sich stets zur rechten Zeit einstellen soll, auch in diesem Fall prompt herbeigeschafft worden: Fernewirkung" soll die in un­endlicher Weite und Leere gähnende Kluft überbrücken, uns darüber hinwegtäuschen! Aber, was wir soust, 3ug" nennen, ist doch ganz etwas anderes; er wird durch einen fohärenten Körper( Strick, Kette) vermittelt. Zwischen den Himmelskörpern jedoch befinden sich nur Gase( Luft, Aether), deren Eigenschaften bekanntlich nicht derart sind, um als festes, unzerreißbares Band die Himmelskörper verbinden oder gar ziehen zu können.

Mit einer massiven Stange kann man sowohl Zug, als Druck ausüben, und ein durch sie bewegter Körper fann mit derselben Geschwindigkeit und in derselben Bahn seinen Ort verändern, gleichviel ob, wie bei Zug, die bewegende Kraft sich vorn, oder wie bei Druck, sich dieselbe hinter ihm befindet. Dies rohe Bei­spiel vermag vorläufig auch genügend zu erläutern, daß der mathematische Ausdruck für Geschwindigkeit und Bahn eines be­wegten Körpers unanfechtbar richtig sein kann, ehe man noch von zwei für die Bewegung möglichen Ursachen die eine als wahre erkannt hat. Für ein Vorschreiten in der Naturerkenntniß ist es aber keineswegs gleichgiltig, ob man von zwei für eine Er­scheinung möglichen Ursache diese oder jene setzt.

Daß die nach Newton fast zwei Jahrhunderte lang Glaubens­satz gebliebne Anziehungskraft für ihn selbst keineswegs ein solcher war, beweisen folgende Säße aus dem Urtert seiner Prinzipien der Naturlehre"; er sagt:

Möchte es gestattet sein, die übrigen Erscheinungen der Natur ( gleichwie die Bewegungen der Planeten, Kometen, des Mondes und des Meeres) auf dieselbe Weise aus mathematischen Prinzipien abzuleiten! Viele Beweggründe bringen mich zu der Vermuthung, daß diese Bewegungen alle von gewissen Kräften abhängen können. Durch diese werden die Theilchen der Körper nämlich, aus noch unbekannten Ursachen, entweder gegeneinander angetrieben und hängen alsdann als reguläre Körper zusammen, oder sie weichen von einander zurück und fliehen sich gegenseitig. Bisjezt haben die Physiker es vergebens versucht, die Natur dieser unbekannten Kräfte zu erklären; ich hoffe jedoch, daß die hier aufgestellten Prinzipien entweder über diese, oder irgend eine richtigere Ver­fahrungsweise Licht verbreiten werden."

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Ferner sagt Newton von der Bewegung kugelförmiger Körper: " Die Benennung Attraktion"( d. i. Anziehung) nehme ich hier allgemein für jeden Versuch der Körper, sich einander zu nähern, an; mag jener Versuch aus der Wirksamkeit entweder zueinander hinstrebender, oder vermittelst ausgeschickter Geister sich gegenseitig antreibender Körper entstehen, oder mag er aus der Wirkung eines Aethers, der Luft, oder irgend eines Mittels hervorgehen...

" Es ist nicht bekannt, durch welche Bande, nach der Lehre der Alten, diese Planeten in den freien Räumen gehalten werden, indem sie, beständig abgezogen vom gradlinigen Wege, in eine reguläre Bahn getrieben werden..

" Ich fahre fort, die Bewegungen von Körpern zu erklären, welche sich wechselseitig anziehen, indem ich die Centripetalkräfte als Anziehungen betrachte, obgleich sie vielleicht, wenn wir uns der Sprache der Physik bedienen wollen, richtiger Anstöße genannt werden müßten. Wir befinden uns nämlich jetzt auf dem Gebiete

*) Nehmen wir als Beispiel das Verhältniß von Erde und Mond, so ist nach Newtons Gesez das Annäherungsbestreben des Mondes gegen die 54 mal größere Erde das 54fache dessen, mit dem die Erde gegen den Mond angetrieben werden würde, wenn nicht diese scheinbare An­ziehung durch eine Bewegung, senkrecht auf die Verbindungslinie beider Körper gerichtet, ausgeglichen würde. Wäre ferner die Entfernung von Erde und Mond die zweifache der wirklichen, so würde ihr Annäherungs­bestreben nur noch den vierten, in dreifacher Entfernung nur noch den neunten Theil des wirklichen betragen.

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der Mathematik und und wir bedienen uns deshalb, indem wir physikalische Streitigkeiten fahren lassen, der uns vertrauten Be­nennung, damit wir von mathematischen Lesern um so leichter ver­standen werden. Da die Planeten sich in frummen Bahnen be­wegen, so muß nothwendig irgend eine Kraft da sein, durch deren wiederholte Wirksamkeit sie unaufhörlich von ihren Tangenten abgelenkt werden."

Bei unbefangener Lesung der angezogenen Stellen muß es uns gradezu räthselhaft erscheinen, wie unsre Schulweisheit dazu gelangen konnte, den physikalischen Glaubenssatz von der gegen­ſeitigen Anziehung aller Körper zu formuliren und ihn dann noch Newton in die Schuhe zu schieben.

Mit derselben Bestimmtheit wird ferner heut noch gelehrt, daß der Sitz der anziehenden Kräfte in den Mittelpunkt jedes Körpers zu verlegen sei.

Newton bedient sich des Ausdrucks: Die Centripetal -( An­ziehungs-) kräfte sind nach der Sonne und nach jedem einzelnen Planeten gerichtet."

Wenn er sich eine Anziehungskraft im Mittelpunkt jedes Körpers gedacht hätte, so müßte man ihm folgerichtiges Denken abstreiten, da eine Kraft doch unmöglich ihren Siz int innersten Punkt einer Kugel haben und zu gleicher Zeit von außen auf die Oberfläche dieser Kugel selbst gerichtet sein kann.

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Wie schon erwähnt, hat also die Physik während zweier Jahr­hunderte nichts derartiges gefunden, das im Stande gewesen, das alte Problem: Siz und Wesen der Anziehung in irgend einen haltbaren Begriff aufzulösen. Erst als mit dem zweiten Jahr­zehnt dieses Jahrhunderts das Zeitalter der Dampfmaschine be­gonnen hatte, und man natürlicherweise allen Vorgängen in den­selben die genaueste Beobachtung widmete, als Carnot den Sah aufgestellt hatte, daß Wärme zu Bewegung( würde besser heißen Arbeit") benutzt werden könne, wenn sie von wärmeren auf fühlere Körper übergehe," und dieser Saz dann später in das allgemeine Grundgesetz der Erhaltung von Bewegung und Kraft" Aufnahme gefunden hatte: erst dann konnten die Forschungen. über die sogenannte Anziehung mit Aussicht auf Erfolg wieder aufgenommen werden.

Durch physikalische Erforschung der Wärmewirkung auf die Materie im Weltenraume gelangten namhafte Naturforscher endlich zu haltbaren Ansichten über die physikalischen Erscheinungen der Anziehung". Wegen ihrer hervorragenden Leistungen auf diesem Gebiet sind C. Mateucci( Teoria Dinamica del calore), A. Anders­sohn, P. A. Secchi( L'unité des forces physiques) und Pliny E. Chase( in Philadelphia , Vorträge über kosmische Thermody­namit, d. h. Wärmebewegung) besonders hervorzuheben.

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Nach langjährigem Studium nicht durch theoretische Speku­lation, sondern auf dem allein zuverlässigen Wege auf Versuche bauender und fortschreitender Erfahrung gelangte A. Anderssohn in Breslau zur Aufstellung einer auf die Wärmestrahlung durch den Weltäther gegründeten Theorie. Derselbe erklärt:

Nunmehr vermag ich, überzeugt von der Nichtexistenz jeder anziehenden Thätigkeit in der Natur, die Anziehung selbst nur als ein Bhantom, eine Begriffstäuschung, keineswegs aber als positive Wirkung zu bezeichnen."

Dagegen stellt er für die Bewegung der Himmelskörper folgende Säße auf:

" Die Bewegungsveranlassung aller Körper im Universum läßt sich zurückführen auf die Wärme, welche von verschiedenen Rich­tungen aus dem All, mit Plus- oder Minusdruck( d. h. Aus­schluß oder Beschränkung des Drucks) einen nachweisbaren Impuls ( Antrieb) darbietet.

Die Wärmebewegung vollzieht sich von allen Sternen aus­strahlend, auf dem Wege der Undulation( Wellenschwingung) durch den Aether hindurch und wird, indem sie auf diese Weise aus weiter Ferne her bis auf die Oberfläche fühlerer Kugeln gelangt, daselbst in mechanische Arbeitsleistung verschiedener Art umgesetzt.

Da nun jede verdichtete Masse als Arbeitsprodukt zu be­trachten ist, und geleistete Arbeit sich wiederum in Wärme zurück verwandeln läßt, so verhalten sich die kugelförmigen Massen als materielle und wirksame Wärmequellen unter einander direkt pro­portional ihren Massen und umgekehrt proportional dem Quadrat ihrer Entfernungen expandirend, wodurch das Angetriebenwerden fleinerer Körper von außen her, an die Oberfläche der größeren Himmelskugeln, sowie die endlos rotirende Bewegung aller um= einander, erfolgen muß."

Dieser letzte Theil der Theorie ist nur Umformung des New­ton'schen Gravitationsgesetzes im Sinne der nun erkannten Ursache