unsere Altvordern und hielten Gericht oder Kriegsrath; um die Linde zogen sie die Kreise ihrer religiösen Rundtänze; Unter der Linden auf der Haide" läßt Walther von der Vogelweide in seinem schönsten Liebeslied das Mägdlein ihren Geliebten finden. Eine Linde ist es auch, welche unser heutiges Bild den Lesern zeigt, und zwar ist sie wohl die merkwürdigste der ganzen Welt. Der erste Blick auf unser Bild zeigt, daß wir es mit einem sehr alten Baum zu thun haben; der Maler hat, um eine Anschauung von den riesigen Größenverhältnissen zu geben, als Maßstab zwei Menschengestalten auf seiner Zeichnung angebracht. Einen Meter über dem Erdboden hat dieser kolossale Baum einen Umfang von 11 Metern und sein größter Durchmesser ist 7 Meter, und in der Höhe von 1/2 bis 2 Meter schickt der Stamm 2 senkrechte und 7 wagerechte riesige Aeste hinaus, die ihrerseits wieder so schwer und wuchtig sind, daß sie von einem Balken- und Sparrenwerk getragen werden müssen, welches auf 94 steinernen und 17 hölzernen Tragfäulen ruht. Diese 9 Aeste sind zum Theil zwar ausgefault, aber trotzdem noch lebenskräftig genug, um eine Masse neuer Aeste, die für sich schon gewaltigen Bäumen gleich sind, in die Lüfte emporzusenden; die so gebildete dichte buschige Laubkrone hat eine Höhe von 20 Meter und eine Breite von 38 Meter. Dieses Ungeheuer von Baum befindet sich in Neuenstadt am Kocher oder, wie der Ort auch genannt wird, an der Linde, im Neckarkreise in Würtemberg, und wird in verschiedenen, sehr alten Urkunden öfter genannt. Wenn sie auch nicht, wie man wohl erzählen hören kann, hundert Jahre alt war, als im Jahre 843 unsrer Zeitrechnung die Söhne Ludwigs des Frommen zu Verdun ihren Hader durch einen Vertrag beilegten, so sind doch aus verschiedenen Zeiten urkundliche Zeugnisse für diese Linde erhalten. So singt unter anderm ein Volkslied vom Jahre 1504:
Vor der Stadt eine Linde staht,
Die siebenundsechzig Säulen hat.
Aus den zu verschiedenen Zeiten aufgezeichneten Messungen der Dicke des Baumes hat man, da ja die Jahresringe, die sonst solchen Schäßungen zugrunde liegen, bei einem lebenden Baum nicht beobachtet werden können, das Alter berechnet. Man erhielt den Dickezuwachs eines Jahres, indem man mit der Zahl der Jahre, die zwischen zwei solchen Messungen lagen, in den Dickenzuwachs während dieses Zeitraums dividirte, und auf diese Weise hat man das Alter unsrer Linde auf ungefähr 600-700 Jahre geschäßt.
Aerztlicher Briefkasten.
wt.
Berlin . H. B. Wie soll ein halbjähriges Kind zu einem Bandwurm gekommen sein? Das ist doch undenkbar, denn der Bandwurm entsteht aus der im Rind- und Schweinefleische befindlichen Finne; er fann sich nur entwickeln, wenn dasselbe roh genossen wird. Und mit rohem Fleische, nach Indianerart, haben Sie Ihr Kind doch wohl nicht gefüttert!? Ist dies der Fall gewesen, so läßt sich vor Ablauf des zweiten Lebensjahres nichts dagegen thun. Rudolph Sch. Seßen Sie dem Wasser, welches Sie zum Waschen der Füße verwenden, pro Liter 10 Tropfen Salpetersäure zu und bepudern Sie nachher den Fuß, namentlich zwischen den Zehen, mit gebrannter Magnesia. Der üble Geruch Ihres Fußschweißes wird dadurch bald verschwinden. Neuerdings wird auch das Salicylsäure- Streupulver des Apothekers Paulcke in Leipzig dagegen gerühmt.
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Lindenau . Carl M. Gegen den Genuß von Pferdefleisch würde so wenig etwas einzuwenden sein, wie gegen den vom Fleisch anderer Thiere, wenn nicht hauptsächlich alte oder kranke Pferde geschlachtet würden. Der letztgedachte Umstand macht dasselbe entweder schwer verdaulich oder direkt nachtheilig für die Gesundheit. Ein sicheres Heilmittel des anderen, von Ihnen berührten Uebelstandes ist die Ehe. Ob wir dem Naturheilverfahren oder der Homöopathie den Vorzug geben? Dem ,, Verfahren" nicht, sondern der Naturheilkraft. Die Natur heilt, der Arzt kurirt," sagt ein altes Sprüchwort. Jede Heilmethode hat entsprechenden Falles ihre Berechtigung.
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Flensburg . H. 3. Ihr Adoptivkind scheint infolge unzweckmäßiger Ernährung von der englischen Krankheit befallen zu sein. Wir machen Sie in diesem Falle auf die in jeder Apotheke käuflichen Leguminosen präparate von Hartenstein& Co. in Chemnitz aufmerksam, welche, richtig zubereitet, als flüssiges Fleisch zu betrachten sind. Die Mischung Nr. 2, halb mit Kuhmilch, dürfte Ihren Zwecken am besten entsprechen. Dresden . K. Dr. Was der Bandwurmdoktor Mohrmann in seinen Zeitungs- Reklamen als Bandwurmsymptome aufführt, ist purer Unsinn, denn jene Erscheinungen: Magensäure, Aufstoßen, Bauchschmerzen 2c., fönnen ebensogut andere Magen- und Darmkrankheiten begleiten. Der Abgang von Bandwurmstücken allein ist entscheidend. Wenden Sie Sich also an einen dortigen Arzt.
Chemnik. R. S. Wir sollen Sie von Ihren ,, Drüsen" befreien! Das geht nicht an, lieber Freund, denn ohne Drüsen würden Sie nicht
leben können. Sie meinen also wahrscheinlich Drüsenanschwellungen!? Da kommt es auf den Ort an, wo sich dieselben befinden; ob sie die Neigung zur Eiterung haben oder nicht u. s. w. Umstände also, die sich nicht brieflich erledigen lassen, sondern persönliche ärztliche Berathung erheischen.
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Die übrigen, bis zum 18. April eingegangenen Briefe wurden direkt erledigt. Dr. Rejau.
Redaktions- Korrespondenz.
Lissabon . V. V. Beschreibungen portugiesischer Zustände und Gegenden, Photos graphien von Land und Leuten werden von uns jederzeit gern entgegengenommen und reproduzirt werden. Falls es Ihnen wirklich erheblich bequemer ist, portugiesisch zu schreiben( an dem Deutsch Ihres Briefes ist indeß sehr wenig auszusehen!), so mögen Sie es thun; wir haben Uebersezer zur Hand. Frdi. Gruß.
Frankfurt a M. Ingenieur F. Ihr Auffaz über Robert Meyer kommt zu spät; einer der ständigen Mitarbeiter der ,, N.." hat bereits eine Biographie des Mannes begonnen. Wir senden Ihnen daher den Ihren zurück, fordern Sie aber auf, doch Arbeiten über Gegenstände aus dem Gebiete der Maschinenkunde 2c. uns übermitteln zu wollen. Fr. D. Ob ,, von der sozialistischen Partei weibliche Redakteure angestellt werden", und ob wir im Bejahungsfalle Ihrer Frau, die nicht abgeneigt ist, einen solchen Bosten verschaffen" können! Nun, lieber Herr, zunächst möchten wir Sie fragen, ob Sie Ihre Frau, von der Sie liebenswürdigerweise Sich ,, eventuell trennen" würden, ,, um ihrem Thätigkeitsbedürfniß nicht im Wege zu stehen," nicht auf irgend einem andern, als diesem noch nicht beschrittenen Wege loszuwerden wissen? Außerdem bemerken wir, daß man auch als weiblicher Mensch nicht nur nicht abgeneigt" sein muß, sozialistischer Redakteur zu werden, sondern vielmehr zunächst die zur Verwaltung eines derartigen schwierigen und dornenvollen Postens nöthige Fähigkeit bewiesen haben muß. Vorläufig hat unsers Wiſſens noch keine Frau diesen Beweis zu erbringen versucht. Und das ist erklärlich genug: die moderne Jugenderziehung verschließt das Frauengehirn noch ängstlicher als das des Mannes vor dem erquidenden und geistig neubelebenden Luftzug politischer Erkenntniß.
Halberstadt . Justus F. Was die Strodtmann'sche Uebersetzung von Shelley koftet, muß Ihnen jede Buchhandlung sagen können. Biographisches über Strootmann finden Sie in Meyers Konversationslegiton. Sacher- Masoch ist glücklicherweise! nicht Sozialdemokrat. Welchen Inhalts soll die Korrespondenz mit den Schülern sein, deren Adresse wir Ihnen angeben sollen?
Ostuni ( Italien ). S. B. Da Sie erst im Herbst dieses Jahres nach Rom gehen wollen, so genügt es ja, wenn wir an dieser Stelle diejenigen ,, Gesinnungsfreunde in Rom , welche Lust haben, einem jungen deutschen Bildhauer, der sich in unabhängiger Stellung befindet, mit Rath und That zur Seite zu stehen", ersuchen, uns ihre Adresse anzugeben. Von dem Resultate dieser Aufforderung werden wir Ihnen dann Nachricht zukommen laſſen.
Antonienhütte. J. W. Es ist sehr hübsch von Ihnen, daß Sie Ihrer ,, lieben
Frau" Freude machen wollen, dadurch aber, daß wir Ihren gereimten Glückwunsch zu deren 32. Geburtstage in die ,, N. W." aufnehmen, kann dieser löbliche Wunsch nicht erfüllt werden und wenn Sie auch statt sehr, sehr mangelhaften, die allerschönsten Verse dichteten, die jemals aus einer Dichterfeder geflossen. Die ,, N. W." vertritt nur allgemeine, nie Privatinteressen.
Hannover . E. P. Ihre Sonette sind gut gemeint; der gute Wille genügt uns aber nicht. Wir rathen jedermann, nicht eher Gedichte zu machen, als bis er im prosaischen Gedankenausdruce Meister ist. Das sehr lobenswerthe Streben nach geistiger Ausbildung soll durch solche Mahnung nicht beeinträchtigt, sondern nur von Jrrwegen auf den rechten Pfad abgelenkt werden.
Neiffe. Lehrer(!) 8. 8. Sie wünschen, die ,, N. W." möchte sich ,, je eher, je lieber zum Teufel scheeren"? Wirklich ein ,, frommer" Wunsch das! Aber sagen Sie, was soll selbst bei Leuten Ihres Kalibers, ist Entwicklung des vernachlässigten Berstandes und die ,, N. W." beim Teufel? Der ist doch un verbesserlich! Bei den Menschen hingegen, Verſittlichung, Veredelung noch möglich, hier ist die ,, N.." ganz an ihrem Blaze. Also lesen Sie sie nur ganz ruhig weiter!
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Bremen . W. N. Sie sind noch sehr jung und hoffen darum", daß unser ärzt licher Rathgeber Ihnen ein Mittel gegen zu große Füße oder(!) gegen ferneres Wachsen" wird angeben tönnen!? Mit dieser Frage haben wir Hrn. Dr. R. nicht erst behelligt; das einzige Mittel, das in diesem interessanten Falle anzugeben ist, können Abschneiden! auch wir Ihnen verrathen:
Hamburg . J. K. Sie werden aus einer der früheren Korrespondenzen schon er sehen haben, daß wir uns auch in diesem Falle sehr gern eines bessern belehren lassen. Sie aber und die übrigen Schachfreunde unter den Lesern der ,, N.." sind schuld, daß wir uns im Frrthum befunden haben; denn über fast jede Veröffentlichung in der ,, N. W." gehen uns anfragende, ergänzende, zustimmende Mittheilungen in Menge zu, über die Schachangelegenheit aber herrschte nach den einleitenden Ausführungen ein so vollstän diges Schweigen in unserer Lesewelt, daß wir annehmen mußten, unser Versuch, dem Schachspiel im arbeitenden Bolte an Stelle der übrigen, verhältnißmäßig geistlosen Spielbeschäftigungen weitere Kreise zu erschließen, sei an der Ungunst der Zeitverhältnisse total gescheitert. Wenn Sie recht haben, daß grade der intelligente Arbeiter in legter Zeit viel Schach geübt hat, in Bildungsvereinen, Klubs und im Häuslichen", so gereicht uns persönlich das zu aufrichtiger Genugthuung, und nur der Umstand, daß wir über den Inhalt der ,, N. W." immer auf Monate hinaus disponirt haben und, der möglichsten Harmonie und Wirksamkeit des Inhalts wegen, disponirt haben müssen, verhindert uns, fofort mit der eigentlichen Theorie des Schachspiels zu beginnen.
Breslau . Arthur P. Zur Prüfung nehmen wir alles entgegen, was man uns zu schicken beliebt. Zur Remission größerer Manuskripte sind wir gern bereit, können aber, obgleich wir alles, was uns einigermaßen wichtig erscheint, möglichst schnell prüfen, für Durchsicht solcher Arbeiten im ersten Vierteljahr nach der Einsendung nicht Arbeitstische der Durchficht entgegenharrt und uns oft eine einzige Poſt mehr bringt, garantiren, weil stets ein für ein Jahr genügender Vorrath von Msptn auf unserm als wir in vierzehn Tagen zu prüfen vermögen. Wir sagen das bei dieser Gelegenheit, weil wir irrthümlichen Auffassungen, wie sie uns sehr häufig vorgekommen, begegnen möchten. ersucht, meinen Aufsatz, Ein heldenmüthiges Schweizermädchen' nebst der beigefügten Zürich . Frl. Marie St. Sie schreiben: Ich habe die Redaktion der, Gartenlaube Kabinetphotographie an eine p. t. Redaktion" also an uns- ,, zu übermitteln, falls er für die, Gartenlaube nicht geeignet erscheint." Wir bedauern, hierauf erwidern zu müssen: Literarische Arbeiten, deren Veröffentlichung die Redaktion der Gartenlaube" abgelehnt hat, sind von vornherein auch als für uns nicht verwendbar zu betrachten: nicht etwa, weil das Urtheil der Gartenlauben"-Redakteure für uns irgendwie maßgebend wäre, sondern weil wir auf eine Verbindung mit Schriftstellern, für die ein Ver tehr mit der kapitalliberalen, den Volksgeist verseichtenden und korrumpirenden ,, Gartenlaube" noch möglich ist, höflichst, aber entschieden verzichten müssen. Eine Korrespondenz farte lag übrigens Ihrem Schreiben nicht bei.
( Schluß der Redaktion: Sonntag, den 21. April.)
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Immanuel
Lied von Victor Hugo , übersetzt von Th. Curti. Kant, von A. Reichenbach( Schluß). Anziehungskraft oder Antrieb? Der Schlächter von Lithauen, von K. Hannemann( Forts.). Wiener Lebensbilder, III.( Schluß.) ,, Panem nostrum quotidianum da nobis hodie!"( Mit Illustration.) Die Linde zu Neuenstadt an der Linde( mit Illustration). Aerztlicher Briefkasten. Redaktionskorrespondenz.
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