oide sind mikroskopische Eiweißkrystalle, welche sich in vielen Zellen bei Pflanzen und Thieren finden und sich zwar auf die mathematischen Formen der unorganischen Welt zurück­führen lassen, aber von krummen Flächen begrenzt sind. Dieses Heraustreten aus der starren Gebundenheit bedeutet offenbar einen Uebergang von den Krystallen zu den Formen der belebten Natur und hat, wie es scheint, seinen Grund in der ganz be­sondern Natur des Kohlenstoffs, wovon schon der Diamant( be­fanntlich reiner Kohlenstoff) Zeugniß ablegt.

Auch dieser Fürst der Edelsteine ist nämlich von gebogenen Flächen begrenzt, woraus man geschlossen hat, daß er durch orga­nische Prozesse auf ähnliche Weise wie die Krystalloide entstanden und das Endprodukt der Zersetzung einer frühesten organischen Bildung sei. Die eigenthümliche Natur des Kohlenstoffs hat man auch auf anderem Wege schon längst erkannt; fein anderes Ele­ment besitzt in solchem Grade die Fähigkeit, mit andern Elementar­stoffen die verwickeltsten, aber auch wieder leichtest zerschlichen Verbindungen einzugehen. Die Fähigkeit dieser Verbindungen, sich so mannigfach zu verwandeln und unter Mitwirkung des Wassers und des Sauerstoffs der Luft innere Wechselwirkungen hervorzubringen ,, ist es, was die Möglichkeit so unendlich ver­schiedener Verbindungen in sich schließt, und worauf in legter Instanz die Summe der Prozesse und Erscheinungen, welche wir Leben nennen, zurückzuführen ist. Der Kohlenstoff fehlt feiner organischen Verbindung; die moderne Chemie stellt ihn bei ihren Formeln in die Mitte, um zu zeigen, wie die andern Elemente sich um ihn herumlagern; auch im lebenden Organismus bildet er das Band, welches die übrigen Elemente zusammenhält, beim endlichen Zerfallen derselben bleibt er als der letzte auf dem Plaze und legt als Anthracit oder Steinkohle noch Zeugniß ab von den großartigen Bildungen längst entschwundener Zeiten!

Ein schlagender Beweis dafür, daß das Leben nichts ist, als ein mechanischer Prozeß, ist die Thatsache, daß viele, selbst höhere Organismen durch einfache Entziehung von Wasser oder Wärme Wochen oder Jahre lang des Lebens beraubt und durch Zu­führung der fehlenden Bedingungen dem Leben wieder zurück gegeben werden können. Die Natur führt dieses Experiment oft genug aus an Pflanzen und Thieren, an Keimen und Eiern, wenn sie im Sommer den organischen Staub austrocknet und nach wochenlanger Dürre durch befruchtenden Regen wieder belebt. Aber nicht blos niedere Organismen, wie Infusorien, Pilze und dergleichen können duzende und hunderte mal austrocknen oder gefrieren und nach dem Befeuchten oder Erwärmen wieder auf leben, auch Frösche z. B. können zu steinharten Eisklumpen ge­frieren, so daß nicht mehr das geringste Lebenszeichen vorhanden ist und auch durch die stärksten Reize ihnen nicht entlockt werden kann und doch leben sie nach langsamem Aufthauen lustig weiter. Viele Fische, namentlich der Blei, die Karausche, der Hecht u. a. werden in gefrornem Zustande versendet und gefroren in die Teiche gesetzt, wo sie aufthauen und leben; nur muß die Er­wärmung langsam und allmählich geschehen, wie bei gefrorenen Pflanzen, von denen allgemein bekannt ist, daß sie bei lang­samem Aufthauen keinen Schaden erteiden, sondern weiter leben, obgleich während des Gefrorenseins jede Lebensthätigkeit völlig aufgehoben war.

Wenn wir somit im Stande sind, durch bloße Entziehung von Wärme oder Wasser auf beliebig lange Zeit das Leben völlig aufzuheben, durch Zufuhr dieser Agentien aber es wieder hervor zurufen, so bleibt natürlich für eine besondere Lebenskraft, welche

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immer noch in so vielen Köpfen spukt, kein Winkel mehr, in den sie sich flüchten könnte.

Wer überhaupt weiß, daß kein fundamentaler Unterschied be­steht zwischen unorganischer und organischer Natur; wer bedenkt, daß die gewöhnlichsten Vorgänge der Chemie bei Bildung und Auflösung der einfachsten Verbindungen unerklärt bleiben, wenn wir nicht der Materie an sich schon Denfvermögen zuschreiben, wenn wir nicht annehmen, daß die einzelnen Atome schon den Willen und die Fähigkeit besigen, sich zueinander hin und von­einander fortzubewegen; wer die Krystallisationserscheinungen in ihrem Wesen betrachtet, wie schon die Krystalle gewissen innern Bildungsgesetzen folgen und die Krystalloide einen offenbaren Uebergang von den Krystallen zu den Formen der belebten Natur bilden, für den ist der Uebergang von der" unbelebten" Natur zu der belebten" kein so gewaltiger Sprung, nur darf man nicht, was so häufig theils aus Unkenntniß, theils aus Absicht geschieht, der unbelebten Welt einen höheren Organismus gegen­überstellen, wie es z. B. Infusorien, Eingeweidewürmer oder selbst schon die Zellen sind, sondern man muß Verbindungsglieder suchen in dem Reich der Protisten, einer erst seit kurzem entdeckten Klasse von Wesen, welche zwischen dem Pflanzen- und Thierreich in der Mitte stehen. Es sind dies meistens Organismen, welche diesen Namen noch garnicht verdienen, weil sie gar keine Organe besigen; der ganze Körper besteht aus einem zähflüssigen Schleime, man kann sagen aus nackten lebendem Protoplasma oder Eiweiß, welches auch bei den höheren Organismen den eigentlichen Träger der Lebenserscheinungen bildet: alle andern Verbindungen, die Zellhäute, Knochen u. s. w. sind sekundäre Produkte des in den Amöben, Moneren, Rhizopoden und anderen Protisten in seiner ursprünglichsten Gestalt auftretenden Protoplasma. Schon auf dieser niedern Stufe antwortet dasselbe auf gewisse Reize durch Zusammenziehen und Bewegung; in dieser einfachsten Form hat es sich noch keine Organe geschaffen, es ist gleichzeitig Haut und Magen, Hand und Fuß. Nach beliebigen Richtungen stößt der Schleimklumpen mehr oder weniger dicke und lange Fäden, so­genannte Pseudopodien oder Scheinfüße aus, um Nahrung heran­zuziehen und sich von der Stelle zu bewegen; findet sich etwas in der Nähe, so umfließt die halbflüssige Masse den Bissen und nimmt durch einfache Aufsaugung die zur Ernährung brauchbaren Stoffe auf; die strahlenförmig ausgebreiteten Scheinfüße fließen gelegentlich wieder zusammen und ziehen sich alle in die Körper­masse zurück, die nun wieder das gestaltlose Schleimklümpchen von vorher darstellt. Ist durch die Nahrungsaufnahme das Indi­biduum über ein gewisses Maß hinausgewachsen, so zerfällt es in 2, 4 oder mehr Stücke, die nun auf eigene Faust weiterleben. Dies ist die einfachste und ursprünglichste Vermehrungsform der Lebewesen, und das Studium der niedersten Pflanzen und Thiere hat unzweifelhaft ergeben, daß alle die so wunderbaren und sinn­reichen Einrichtungen, welchen wir zu diesem Zweck in den höhern Abtheilungen des Pflanzen- und Thierreichs begegnen, durch fort­schreitende Arbeitstheilung aus jener ursprünglichen Form all­mählich hervorgegangen sind.

Die generatio aequivoca ist somit zwar noch nicht experi­mentell bewiesen, allein die Annahme der freiwilligen Entstehung lebender organisirter Materie aus unorganischem Stoff ist einfach eine logische Konsequenz des Darwinismus, vollständig ebenso berechtigt und nothwendig, als es die Annahme des einstmaligen, feurig- flüssigen Zustandes unserer Erde ist, wozu uns astronomische und geologische Beobachtungen und Thatsachen zwingen.

Ein Stück Kulturgeschichte des Mittelalters im Orient.

Von A. Bebet.

Die Vorgänge der letzten Zeit in der europäischen Türkei , wo allem Anschein nach ein Reich von tausendjährigem Bestand den Todesstoß versetzt bekommt, lenken die Aufmerksamkeit Westeuropas wieder auf den Orient. Nicht ohne ein tiefes Mitgefühl kann man den Untergang eines Reiches beobachten, das in seiner Blüthezeit ein Pfleger und Mehrer der Kultur war, der Anreger, welcher dem, nach dem Zerfall des west- römischen Reichs in tiefe Barbarei gefallenen, von einem unduldsamen, fanatischen und fulturfeindlichen Priesterthum beherrschten Westeuropa wieder die Wege öffnet, durch die es allmählich seine gegenwärtige Kultur stufe erlangte.

Das weite Reich des Islam, als dessen persönliches Ober­haupt seit der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts der Padischah ( Sultan ) der Türken angesehen wird, nahm in den ersten drei Jahrhunderten seines Bestandes, nämlich vom siebenten bis zum zehnten, einen überraschenden Aufschwung. Auf fast allen Ge­bieten menschlicher Thätigkeit wurden Resultate gezeitigt, die vollste Anerkennung verdienen und in starkem Kontrast zu dem damaligen Kulturzustand aller übrigen Völker des christlichen Europa standen. Und wenn auch mit dem 10. Jahrhundert ein rascher Verfall sich zeigte, so hat diese hohe Entwickelung doch noch lange nachgewirkt und zeigt sich in etlichen Ausläufern bis in die Gegenwart, wo