bringen, und der moderne Kulturstaat kann und will diese Aufgabe nicht übernehmen, solange seine Einkünfte verschlungen werden von dem großen Wettkampfe, den die sogenannten zivilisirten Völker Europas miteinander kämpfen und aus welchem dasjenige als Sieger hervorgehen wird, welches die meisten Soldaten auf den Beinen zu erhalten und die raffinirtesten Mordwerkzeuge zu erfinden vermag, respektive welches es am längsten aushält.
Dies ist um so bedauerlicher, als schon heute die segensreichsten Folgen solcher Einrichtungen zu verzeichnen sind.
In Cardiff ist nach Einführung der Wasserversorgung und Kanalisation die Sterblichkeit von 33 auf 22, in Newport von 31 auf 21 pro mille heruntergegangen.
In Kopenhagen hat nach Einführung des neuen Wasserversorgungssystems der Typhus sowohl an Häufigkeit, als an Heftig feit abgenommen.
In einem Gefängnisse Londons , in welchem das Trinkwasser nicht mehr aus der mit thierischen Auswurfstoffen verunreinigten Themse , sondern aus einem artesischen Brunnen genommen wird, ist seither die Sterblichkeit von 70 bis 80 auf 4 bis 20 pro mille gesunken; Typhus und Ruhr sind beinahe gänzlich verschwunden. Bei einer Typhusepidemie, welche in einem Stadttheile von Greifswald besonders heftig wüthete, ergab die Untersuchung, daß der unsaubere Inhalt der Straßenrinnsteine durch eine dünne, mit Fäulnißstoffen geschwängerte Erdschicht in die Brunnen hatfe hineinfiltriren können.
Pumpbrunnen find unter allen Umständen als Bezugsquellen von Trinkwasser zu verwerfen, denn sie sind immer der Gefahr ausgesetzt, durch Abfallflüssigkeiten, welche in den Boden sickern, perunreinigt zu werden.
Professor Förster in Breslau , der sich namentlich mit Untersuchung der Choleraverbreitung durch die Pumpbrunnen beschäftigt, gibt einige Orte an, welche ihren Wasserbedarf ausschließlich durch Leitungen von außen beziehen und stets von Cholera freigeblieben
428
|
|
sind, wie Polnisch- Lissa, Neumarkt , Grünberg, Glogau u. a. Der größte Stadttheil von Glogau hat eine Wasserleitung und blieb cholerafrei, obgleich 1866 in einem Barackenlager unter den gefangenen Desterreichern die Cholera ausbrach und in dem kleinern Stadttheil auf dem rechten Oderufer, welcher sein Wasser aus Pumpbrunnen bezieht, ebenfalls eine Choleraepidemie grassirte.
Derartige Beispiele ließen sich noch dußende anführen, welche alle beweisen, wie weit die Lösung des dritten Problems schon vorgeschritten ist und daß es ganz und gar in die Hand des Menschen gegeben ist, die mittlere Lebensdauer beträchtlich zu verlängern und Krankheiten, wenn nicht gänzlich zu verhüten, so doch weit seltener zu machen: er darf nur Zustände schaffen, welche es allen Menschen in gleicher Weise ermöglichen, ein menschenwürdiges Dasein zu führen, wozu vor allem gehört. daß die nothwendigen Grundbedingungen des Lebens: Licht, Luft und Nahrung in genügender Weise jedem zugänglich sind; eine Aufgabe, welche freilich erst der sozialistische Staat lösen kann und wird.
Wenn troß unserer großartigen Fortschritte auf allen Gebieten der Wissenschaft auch uns die Lösung mancher alten Probleme, wie die Frage nach dem Ursprung des Lebens oder die: was ist ein Element? bisjetzt noch nicht vollständig geglückt ist, so dürfen wir deshalb doch nicht an der endgiltigen Lösung derselben verzweifeln. Die Begreiflichkeit der ganzen Welt ist für den heutigen Naturforscher ein feststehender Lehrsay, und was heute für unbegreiflich gilt, ist morgen verständlich für jedermann oder bleibt ein ungelöstes Problem, dessen Lösung gesucht werden muß, bis sie gefunden ist."( Lange, Geschichte des Materialismus.)
Die Wissenschaft unserer Tage hat die Fesseln abgeworfen, welche Engherzigkeit und Unvernunft früherer Tage ihr angelegt hatten, frei und unverdrossen schreitet sie fort auf dem Wege zur Erkenntniß und damit zugleich zur wahren Glückseligkeit der Menschen.
C. Fehleisen.
1.
Ein Stück Kulturgeschichte des Mittelalters im Orient.
Von A. Bebel. ( Fortsetzung.)
Wasserarmuth ist die Signatur und die Ursache der Wüste. Wald- und baumlose Gegenden trifft selten der erquickende Regen; erscheint er aber, so kommt er in plöglichen Güssen, gewaltige Wassermassen herunterstürzend, die in wenigen Augenblicken alles unter Wasser seßen und in den Fluthen vernichten, was vom Lebenden ihnen nicht entrinnen kann. Solche Wasserorkane erscheinen zeitweilig in der Wüste und machen jede Bodensenkung, jedes Thal zu einem Meer, das ebenso rasch im Sande verschwindet, als es gekommen ist. Am Tage unter glühender Sonne und in glühendem Sande wandernd, umgibt den Wanderer am Abend die rasch hereinbrechende Nacht; die glühende Hize macht einer empfindlichen Kühle Platz und über ihm wölbt sich in feierlicher Stille, die nur vom Geheul der Raubthiere unterbrochen wird, das tief schwarze Firmanent im vollsten, strahlendsten
Sternenglanz.
Das sind Erscheinungen, welche Phantasie und Gemüth tief ergreifen und jedem Aberglauben für geheimnißvolle Geister, die in der Wüste ihr Wesen treiben, die Thore öffnen. Alle diese Momente finden in der Poesie der Araber, von der wir einige Proben hier folgen lassen, ihren tief empfundenen Ausdruck. So heißt es in einem alten Gedichte des Dichters Dywan der Hodail*): Ein Durchstreifer unablässig bin ich der felsigen Schluchten, Der von Straußen, dem Gezische der Ginnen und der Ghulen besuchten. Es war eine Nacht von tiefster Schwärze, gleich einem Rappen, Bedeckt mit der pechschwarzen Schabrake weiten Lappen.
Ich durchwehte sie, doch meine Gefährten die nickten, besiegt
Vom Schlafe, wie die Chirwäblume die Krone neigt;
Den Regenguß besingt Jmra'Alkais folgendermaßen: Eine Wolfe mit gedehntem Schooß, Erdumfangend stand sie still und goß, Ließ den Zeltpflock sichtbar, wenn sie nachließ, Und bedeckt ihn, wenn sie reichlich floß. Eidechsen sahst du, kund'ge, leichte, Mit den Tagen rudern, bodenlos. Büsche ragten aus der Flut wie Köpfe Abgehau'ne, die ein Schleier umfloß.
-
erlaubtes, er sieht ihn für ebenso berechtigt an, als Lohn für Der Raub galt und gilt noch heute dem Araber für etwas seine Mühe und die dabei gehabten Gefahren, wie der moderne Kapitalist den seinen Arbeitern ausgepreßten„ Entbehrungslohn" als Belohnung für seine Enthaltsamkeit von„ Gott und Rechtsdabei mit dem Wolf, der plötzlich in die ruhende, ahnungslose wegen" beansprucht. Ländlich, sittlich. Der Araber vergleicht sich Heerde bricht. Hören wir:
Ich komme am Morgen dann hervor nach einem kargen Male Als wie ein falber, hungriger Wolf, der streift von Thal zu Thale , Der nüchtern ist am Morgen und dem Winde entgegenschnaubt, Sich in der Berge Schluchten stürzt und suchet, was er raubt.
Ein anderer, einem Landwirthschaft treibenden Stamme angehöriger Dichter, schildert in folgenden naturwahren Worten die bescheidene Zufriedenheit des kleinen Besitzers:
Wohlan, sind's nicht Kameele, die du hast, so sei mit Ziegen zu
Und, wenn auch die Finsterniß wie die Meerfluth entgegen mir dräut, frieden, Biegen, deren alte Böcke Hörner wie Stäbe haben; sie beziehen Und eine Wüste, unendlich, mit Gefahren, die jeder scheut, Wo das Käuzchen schreit und der Führer sogar sich verirrt Und dem Wandrer die Angst den Blick verwirrt.
*) Der Hodail heißt soviel als vom Stamme Hodail. Jeder Araber pflegt seinem Personennamen den Stammnamen hinzuzufügen. Die im Gedicht vorkommenden Ginnen und Ghulen sind Wüstengeister.
von Sitar bis nach Hist hin die Frühjahrsweide unter dem reichlichen Gusse des Landregens; kommt der Hirt sie zu melken, so möckern sie, als wäre in der Heerde einer, dem ihr Klaglied gilt: sie sehen mit ihren vollen Eutern so wackelig, daß man meint, sie hätten zur Trauerbezeigung an den Wiesen sich volle Brunneneimer angehängt. Mir füllen sie das Haus mit Sahne und Butter, und mit diesem Reichthum sei zufrieden, denn er genügt für Hunger und Durst.