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Ein solches Geschäft" soll die diesmalige Ausstellung nicht werden. Wir wollen hoffen, daß dieses soll" nicht trügt. Folgender Fall deutet leider nicht darauf hin, daß die große Opferfreudigkeit des Staates zugleich auch eine unparteiische ist. Als es sich kürzlich herausstellte, daß die Unkosten größer seien, als man früher glaubte, wurde die anfangs gefaßte gute Absicht, den Arbeitern an Sonntagen freien Ein­tritt in die Ausstellung zu gewähren, wieder beiseite geschoben. Aus Sparsamkeit, sagt man. Wohl! Aber ist es nicht unrecht, das Sparen just dort anzufangen, wo es sich um das Geld derjenigen handelt, ohne die eine Weltausstellung unmöglich ist und die doch gezwungen sind, jeden Sous in der Hand zehnmal umzudrehen, ehe sie ihn ausgeben? Die reichen Bourgeois und insbesondere die Aussteller, welchen alle möglichen Begünstigungen zutheil werden, werden das selbstverständlich ,, ganz natürlich finden, aber was diese natürlich finden, ist es nicht gewöhnlich unnatürlich? Im Jahre 1867 führte man dieselbe Sprache, nur war sie offenherziger. Der Minister Rouher   erklärte im Namen der kaiserlichen Regierung, an freie Entrées für die Arbeiter an Sonn­tagen sei nicht zu denken, da durch dieselben die Interessen der Aktien­gesellschaft arg geschädigt würden. Handelt die jetzige Regierung edler, humaner? Die Antwort mag sich jeder selbst geben.

Diese Sparsamkeit, welche dem Arbeiter und ärmeren Volk die Möglichkeit erschwert, geistigen Profit aus der diesjährigen Ausstellung zu ziehen, macht sich um so erbärmlicher, weil der Staat nach allen anderen Richtungen hin mit den Millionen um sich wirft. Die Kosten des Unternehmens wurden vor circa anderthalb Jahren von der Kom­mission auf 35 millionen Franken normirt, und diese Summe ward von den beiden Kammern bewilligt. In Wien   und Philadelphia hat man nicht mit so großen Ziffern gerechnet. Jetzt werden noch extra neun Millionen, die zum großen Theil schon verausgabt sind, nachbewilligt werden müssen. Der Handelsminister Teisserenc de Bort und der Generalkommissar Senator Kranz haben soviel Anmeldungen von Aus­stellern bekommen, daß sie die Bauten soviel wie möglich verbreitern und vergrößern mußten. Der ursprünglich abgegrenzte Platz für die Weltausstellung reicht nicht mehr aus, es sind auch außerhalb desselben neue Bauten errichtet. Weshalb, so wird vielleicht mancher fragen, hat man denn nicht gleich anfangs auf einen größern Raum Bedacht genommen? Die Sache ist sehr einfach: es existirt in Paris   keine größere, unbebaute, zusammenhängende Fläche als das Marsfeld mit­sammt dem Trocadero.

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Das Marsfeld ist eine große Sandebene von circa 1000 Meter Länge und 500 Meter Breite, mitten in der Stadt, im südwestlichen Theile derselben gelegen und an drei Seiten von hohen Häusern um­geben. Im Nordwesten begrenzt die Seine dieses Feld, welches in gewöhnlichen Zeiten als trefflich geeigneter Exerzirplatz der Garnisons­truppen benutzt wird. Historische Bedeutung hat dieser Platz schon frühzeitig gehabt. Im Jahre 1790 ward hier das große Verbrüderungs­fest( Fête de la fédération) gefeiert. Es war in jenen denkwürdigen Tagen, als das Volt, berauscht von den ersten Erfolgen seines Kampfes gegen die Tyrannei, den Glauben hegte, die Aera   der Freiheit sei nun wirklich angebrochen, und mit der Großmuth des Siegers bot es allen seinen Feinden die Hand der Versöhnung. Der König hatte den Eid auf die neue Verfassung geleistet, der Erzjesuit Talleyrand heuchelte die höchste Freiheitsliebe und celebrirte mit einem Gefolge von 400 Geist­lichen in weißen Chorkleidern die Messe vor einem großen Altar. Die Nationalversammlung war vollzählig zugegen, und an 200,000 Menschen jubelten dem König, als er nach der Reihe die hervorragendsten Ver­treter des revolutionären Volks umarmte, zu. Bald darauf kam die Schreckenszeit. Auch auf dem Marsfeld fanden Hinrichtungen statt, bis im Jahre 1794 hier das große Fest des höchsten Wesens" mit eben­solchem Pomp wie das Verbrüderungsfest gefeiert wurde. Robespierre  , der bald darauf gemeuchelt wurde, hielt seine berühmte Rede vom Nußen der Moral. Der liebe Gott ward wieder auf seinem Welten­thron restituirt. Im Jahre 1798 fand zur Feier des siebenjährigen Bestehens der Republik   auf dem Marsfeld die erste französische   Industrie­ausstellung vom 19. bis 21. September statt, während die französischen  Soldaten sich an den Grenzen wie Löwen schlugen und das Direktorium durch seine egoistische Mißwirthschaft dem zukünftigen Despoten Napoleon  den Weg zum Thron ebnete. Aber so hoch der letztere auch später in der persönlichen Macht gestiegen war, es tam die Zeit, wo er, gedrängt von außen, um die Freundschaft und das Mitleid seines eignen Volfs betteln mußte. Er veranstaltete wiederum auf dem Mars­

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am 1. Juni 1815 das sogenannte Maifeld", eine Feier, welche dem ehemaligen Verbrüderungsfeste ähnlich sah wie ein Ei dem andern. Wie Louis XVI.   leistete Napoleon   einen Eid auf die neue freiheitliche Konstitution und ließ die Priester dazu beten und Psalmen singen, wie Louis XVI.   meinte er es nicht ehrlich mit den Rechten des Volks und auch ihn traf wie die Bourbonen   der Schlag der raschschreitenden Nemesis: vier Wochen darauf war Napoleon   kein Kaiser mehr, sondern ein Gefangener der Engländer. Fünfzehn Jahre später, im August 1830, übergab der Bürgertönig" Louis Philippe   den Nationalgarden ihre trikoloren Fahnen auf dem Marsfelde und ward von dem enthusias mirten Volke, welches wiederum gläubig alle Versprechungen seines Herrschers hinnahm, angejubelt. Aber wie schnell vergeht der Ruhm und die Volksliebe, wenn man lettere hintergeht! Zweiundzwanzig Jahre verfließen und auf der Bildfläche des Marsfeldes erscheint der ,, Mann von Sedan", damals im Glücke. Am 10. Mai 1852 erhielt

die französische   Armee die Standarten mit dem Bilde des napoleonischen Adlers, welcher den gallischen Hahn verdrängte.

Man sieht aus dieser kurzen Skizze, welch' eine Bedeutung das Marsfeld für die Franzosen hat. Aber nicht aus diesem Grunde hat man dasselbe zum Weltausstellungsterrain gewählt, sondern, wie gesagt, weil es das größte Feld innerhalb der Stadt ist. In der Stadt sollte die Ausstellung jedenfalls stattfinden, damit der große Fremdenzufluß dem pariser Octroi zugute käme. Dagegen läßt sich schließlich nichts einwenden, denn, wo die Stadt so große Kosten hat, mußten ihr auch die Vortheile der Ausstellung zukommen.

Gegenüber dem Marsfelde, nur durch die Seine von demselben getrennt, befindet sich ein Kalksteinhügel, der Trocadero", so genannt nach einer kleinen Insel an der spanischen   Küste bei Cadix, die stark befestigt ist. Napoleon I.   hatte die Absicht, diesen Hügel zu armiren und übertrug auf ihn den Namen der spanischen   Insel. Die Hügel­fläche hat ungefähr ein Drittel der Ausdehnung wie das Marsfeld. Die direkte Verbindung zwischen letzterem und dem Trocadero wird durch die Jenabrücke hergestellt, welche Napoleon   zum Andenken an seine Siege in Deutschland   erbauen ließ und welche der wackere Hau­degen Blücher   durchaus demoliren wollte. Als Talleyrand diese seine Absicht durchkreuzen wollte, erwiderte der hißige Feldmarschall grob, aber nicht ohne Humor: Wenn der Herr die Güte haben will, sich auf die Brücke zu stellen, so werde ich sie und ihn mit desto größerem Vergnügen in die Luft sprengen lassen." Die Brücke blieb, aber auf Befehl des preußischen Königs unverlegt. Neuerdings ist dieselbe durch Eisenwerk bedeutend vergrößert und erhöht worden, damit sie dem hin und herwogenden Strom der Besucher genügend Raum geben fann. ( Schluß folgt.)

Wüstenpost. Unsere Illustration( Seite 436) ist eine Nachbildung des gleichnamigen Bildes von Horace Vernet  , des 1863 zu Paris  verstorbenen berühmten französischen   Malers. Auch diese seine Wüsten­post zeichnen die ihn charakterisirenden Vorzüge aus: die klare, drastische, lebensvolle Darstellung und der trotz der Einfachheit des Gegenstandes deutlich hervortretende Reichthum der Erfindung. Das Schiff der Wüste", das einhöckerige Kameel, trottet in scharfem Trabe den Wüsten­weg dahin. Es hat nicht schwer zu tragen und ist nicht müde, und der bronzefarbene Beduine auf seinem Höcker balancirt geschickt.im Reit­sattel, während er behaglich seinen Tschibuk raucht. Ueber dem ganzen Bilde liegt die wunderbare Klarheit der Wüstenatmosphäre, welche die spärliche Vegetation und die kahlen Höhenzüge in der Ferne deutlich sichtbar macht.

Die Redensart ,, Glücklich wie ein König" kann für Frank reich keine Anwendung finden, wenn man sich erinnert, welchen Todes viele französische   Herrscher gestorben sind: Karl IV.   wahnsinnig; Karl VI.  ließ sich verhungern, aus Furcht, von seinem Sohne vergiftet zu werden; Ludwig XI.   starb in seinem freiwilligen Gefängnisse zu Plessis les Tours, umgeben von seinen Opfern, gemartert von Reue und Gewissens­bissen; Karl VIII  . wurde in seinem zwanzigsten Jahre vergiftet; Franz I.  starb infolge seiner Ausschweifungen; Heinrich II.   an einem im Turnier erhaltenen Lanzenstoße; Franz II.   wurde durch seine Mutter vergiftet; Karl XI.   starb unter gräßlichen Qualen an Gift, gefoltert von der Reue über die Pariser Bluthochzeit; Heinrich III.   wurde durch einen Dominikaner  ( Clement) und Heinrich IV.   durch einen Jesuiten  ( Ravaillac  ) ermordet; Ludwig XIV.   wurde unter dem dumpfen, vorwurfsvollen Schweigen und Ludwig XV.   unter lauten Verwünschungen des Volks begraben; Ludwig XVI.   endete auf dem Blutgerüste; Ludwig XVIII.  starb nach einer Verbannung von zwanzig Jahren und einer zweiten von hundert Tagen; Napoleon I.  , Karl X.  , Ludwig Philipp und Dr. B.-R. Napoleon III. starben im Eril.

Das Alter der Panzerschiffe. Woht kaum von irgendetwas anderem können wir beschränkte Unterthanen uns schwieriger einen Begriff machen, als von der Größe militärischer Entdeckungen, wenn auch, nach Versicherung erster Autoritäten, die Anspannung aller Geistes­kräfte derer, die sie machten, erfordert wurde. Uns scheint das alles mehr nur auf Fortschritte der Technik und der raschen Konzentrirung und Verwendung des Kapitals, der Früchte der Volksarbeit, hinaus­zulaufen. Welch' Renommiren mit Panzerschiffen, Panzerthürmen und Geschüßständen! Ganz abgesehen von den allgemein bekannten alten Blechrittern ist die ,, geniale dee" gepanzerter Schutzmittel keineswegs neu. Um nicht weiter zurückzugehen: schon die Kreuzfahrer panzerten ihre Belagerungsthürme vor Jerusalem   mit Leder, die Belagerten ihre Mauern jenen gegenüber mit Wollsäcken; den Waffen jener Zeit gegen­über völlig zweckentsprechend. Die Verwendung von eisernen Panzern, um Schiffe zu schüßen, läßt sich im zwölften Jahrhundert schon nach­weisen. Die seeräubernden Normannen pflegten damals ihre Schiffe von der Wasserlinie an mit einem eisernen Gürtel zu umringen, der vorn in einen Sporn endigte. Später beschirmten sie den oberen Theil ihrer Schiffe durch Schilde. Peter von Arragon ließ gegen 1534 seine Seeschiffe mit Leder bedecken zum Schutz gegen die damals sehr häufig gebrauchten zündenden Substanzen. Als Karl V.   seine Expedition gegen Tunis   ausführte, enthielt das Geschwader des Andreas Doria ein Schiff, das mit mehreren Lagen Leder bedeckt war. Es war in Nizza