Rückfälle auf. Man vergleiche hierzu nur die Berichte über die Korrektionsanstalt zu Wakefield in England. In dieser Anstalt bestand vom Jahre 1823 bis 1833 die flassifizirte Gemeinschaft, nachher wandte man bis zum Jahre 1847 das Schweigsystem an, bis man zuletzt die Einzelhaft zu Grunde legte. Während der ersten Periode zählte man unter 6363 Gefangenen 2325 Rück­fällige, also 36,5 pCt., während der zweiten unter 28627 Sträf lingen 8207 Rückfällige, also 28,6 pCt., während sich bei dem Einzelsystem nach 5 Jahren unter 11596 Gefangenen 3087 Rück­fällige, also 26,6 pCt. gezeigt hatten. Doch man sagt, daß die fortgesezte Einsamkeit die Gesundheit des Sträflings untergrabe, auf seinen Geist nachtheilig wirke und zu Geisteskrankheiten und Selbstmorden führe! Dieser Einwand kann nicht gemacht werden, wenn die Zelle den Verbrecher nicht vereinsamt, sondern nur von andern Verbrechern trennt, dagegen dem Umgang mit guten, sittlich tadellosen und dadurch in ihrem Umgange verſittlichend wirkenden Menschen wohl zuläßt und sogar verlangt. Und selbst wenn die Einzelhaft den Geist schädlich beeinflußte, in Anbetracht des hohen sittlichen Werthes der durch die Einzelhaft begünstigten Gemüthserschütterung für die Besserung des Verbrechers erscheinen die vorübergehenden Nachtheile und Gefahren für die psychische Gesundheit von untergeordneter Bedeutung" so äußerte sich ein Anstaltsarzt zu Bruchsal in Baden .

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Doch so vortrefflich im allgemeinen die Einzelhaft ist, so un­wirksam, ja sogar gefährlich ist sie, wenn man die Grenzen ihrer nöthigen Dauer überschreitet. Eine Jsolirhaft, die ein Jahrzehnt dauert, ist vollständig unnüß. Denn der Verbrecher, welcher sich in einer dreijährigen Einsamkeit nicht gebessert hat, wird sich überhaupt nie zum Guten bekehren. Gegen feine Strafe stumpft sich das Gefühl so sehr ab, als gegen die Einzelhaft; hier ver­fällt der Verbrecher nur zu leicht dem Indifferentismus und, ist er erst soweit gekommen, so ist es fast unmöglich, ihm die Ueber­zeugung von der Nothwendigkeit eines bessern Lebenswandels beizubringen. Daß ferner eine allzu lange Isolirung die Gesund­heit wirklich untergräbt, kann man nicht leugnen. Wir werden uns deshalb dahin zu entscheiden haben, daß die Einzelhaft bei fürzeren Strafen vollständig, bei längern dagegen nur solange anzuwenden sei, bis die Besserung des Sträflings soweit gelangt ist, daß man ihn nun den Gefahren der gemeinsamen Haft an­vertrauen kann. Wie lange dies nöthig sei, das wird die Ver­waltung erst in dem einzelnen Falle entscheiden können; nur eine bestimmte Grenze wird sie dabei nicht überschreiten dürfen. Diese Grenze ist in den verschiedenen Ländern verschieden bestimmt worden. Das deutsche Strafgesetzbuch setzt fest, daß die Einzel­haft ohne Zustimmung des Gefangenen die Dauer von 3 Jahren nicht übersteigen dürfe; es hat damit vielleicht das Richtige ge­troffen. In drei Jahren kann die Gefängnißverwaltung einen Sträfling, vorausgesetzt, daß überhaupt noch der Keim der Moral in ihm geweckt werden kann, soweit gebessert haben, daß sie nun über ihn die gemeinsame Haft verhängen kann, umsomehr, da unter den Dualen der Einsamkeit der Wunsch nach den Erleichte­rungen der gemeinsamen Haft in dem Sträfling selbst bald das Bestreben hervorrufen muß, sich durch gutes Betragen auszu zeichnen. Nicht weniger zweckmäßig ist das gleichfalls in das deutsche Strafgesetzbuch aufgenommene Institut der bedingten Freilassung nach Verbüßung einer minimal bestimmten Strafzeit. Die Aussicht anf die provisorische Freilassung ist ein mächtiger Sporn für die Besserung und bewirkt, daß der Sträfling ſein ganzes Bestreben darauf richtet, die Zufriedenheit der Gefängniß verwaltung zu gewinnen. Auch erleichert ihm diese Aussicht die Qualen der Strafe in hohem Maße und gewährt ihm namentlich in der Einzelhaft einen großen Trost. Wie er ferner im Ge­fängnisse verbrecherischen Verlockungen zu widerstehen wußte, so wird er sich auch in der Freiheit bösen Versuchungen gegenüber unempfindlich zeigen, umsomehr da er ja weiß, daß seine Be­urlaubung bei dem geringsten Verdacht widerrufen werden kann. Ein nicht zu unterschäßender Vortheil endlich dieser Einrichtung ist der Umstand, daß durch sie jener so großen Anhäufung von Sträflingen in den Zuchthäusern abgeholfen wird, welche diese Anstalten zu wahren Verbrecherkolonien macht. Die Gefangenen, welche ungeheuer viel arbeiten müssen, entziehen dem Volfe einen großen Theil der Arbeit und noch dazu lohnendster Arbeit, so daß aus diesem Quell nicht wenig Noth und Elend entspringt zudem verbietet die Zuchthausluft allzu schwierige Arbeit und so bleibt diese gerade dem Volke. Diesem allen kann eine Ver­

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fürzung der Strafzeit wohl theilweise abhelfen. Die Zeit der bedingten Freilassung ist nun in den verschiedenen Ländern ver­schieden bestimmt. Das deutsche Strafgesetzbuch sagt: Die zu einer längeren Zuchthaus oder Gefängnißstrafe Verurtheilten können, wenn sie drei Viertheile, mindestens aber ein Jahr der ihnen auferlegten Strafe verbüßt, sich auch während dieser Zeit gut geführt haben, mit ihrer Zustimmung vorläufig entlassen werden."

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Durch die eben erwähnten beiden Justitute, das der bedingten Freilassung und das der Verbindung der Einzelhaft mit der ge­meinsamen Haft tritt das Trennungssystem mit dem irischen System in Berührung; was dieses lettere auszeichnet, ist haupt­sächlich die Einrichtung der sogenannten Zwischenanstalten. Diese allein bedürfen daher noch einer weitern Besprechung. Das irische System hat in Irland glänzende Erfolge erzielt. Ich glaube, man irrt sich nicht, wenn man annimmt, daß ein großer Theil dieser Erfolge den Zwischenanstalten zu verdanken sei. Worin aber besteht das Segensreiche dieses Instituts? Ein nicht un­bedeutender Theil von Rückfällen entstammt jener unheilvollen Kluft, welche eine abgebüßte Gefängniß-, namentlich aber Zucht­hausstrafe zwischen dem Entlassenen und der menschlichen Gesell­schaft zurückläßt. Mag sich der einstige Verbrecher auch noch so sehr bestreben, seinen guten Namen wiederzugewinnen sobald man erfährt, daß er im Gefängniß oder Zuchthaus gewesen sei, stößt man ihn von sich und meidet vorsichtig seine Berührung. und doch ist dies eine schreiende Ungerechtigkeit. In einer Zeit, die uns einen fortwährenden Kampf um das Dasein zeigt, kann es manchmal gar leicht geschehen, daß ein Mensch, welchen das Geschick vernachlässigt, welchem das Leben nichts als Leiden bringt, in seiner Verbitterung die Grenzen, die ihm das Gesetz zieht, überschreitet. überschreitet. Er büßt dafür mit Recht die Strafe; aber darf man ihm sein Vergehen so sehr anrechnen, daß man ihm auch dann noch, wenn er seine Strafe abgebüßt hat und den redlichen Willen zeigt, sein Vergehen wieder gut zu machen, in Noth und Elend und damit auf die frühere Verbrecherbahn zurückstößt? Schon vielfach hat man versucht, dem unseligen Vorurtheil zu begegnen, man hat es bisjetzt noch immer nicht erreicht, und wenn auch Vereine sich der Unterstützung entlassener Gefangener be­fleißigen, ihr Wirkungskreis ist zu sehr beschränkt, um auch nur den größern Theil der Noth zu lindern. Hier können nun die Zwischenanstalten eine unübersehbare Hülfe gewähren. Sie ver­mitteln die Annäherung des einst zu Entlassenden an die mensch­liche Gesellschaft und reißen die Schranken nieder, die so viele zwischen sich und dem einstigen Verbrecher entstehen lassen. Der Gefangene, welcher dem Publikum Proben seiner wirklichen Besse­rung gibt, welcher von der Verwaltung fast ohne jede Aufsicht zu allen Besorgungen benutzt wird, gewöhnt die Außenwelt nicht weniger an sich, als er sich selbst wieder an sie gewöhnt, so daß man seinen Uebertritt in die Freiheit kaum bemerkt. In Irland verlangt man, um den Beurlaubten nicht dem bloßen Zufalle preiszugeben, noch den Nachweis, daß der zu Entlassende in ein ordentliches Dienstverhältniß eintrete. Da der künftige Meister sowohl mit der Vergangenheit, als auch mit den jetzigen Ver­hältnissen des Entlassenen bekannt gemacht wird, werden auch die unseligen Folgen der Polizeiaufsicht vermieden, welche den Be­aufsichtigten von einem Meister zum andern und zuletzt in Glend und neue Verbrechen treiben, weil keiner der Meister die Mah­nungen und Belästigungen der Polizeibehörde aushalten kann und will. Hier übernimmt der Meister mit der Inarbeitnahme des Entlassenen zugleich die Verpflichtung, fich willig den Nach­fragen der Polizei zu unterziehen. Es scheint jedoch, als ob in dieser Vorsicht bei der Beurlaubung eine Unbilligkeit läge, weil man den Zeitpunkt der Freilassung von dem Wohlwollen dritter Personen abhängig macht. Doch wer die Verhältnisse in Irland kennt, der weiß, daß daselbst gerade zur Beschäftigung entlassener Sträflinge die zahlreichsten Auerbietungen von seiten der Arbeit­geber ergehen und es also nicht Schuld der Gefängnißverwaltung ist, wenn der Sträfling wegen mangelnder Beschäftigung nicht entlassen werden kann.

Vielleicht gelingt es auch bei uns einstmals, das Vorurtheil gegen entlassene Zuchthäusler so zu besiegen, daß man ihre Be­schäftigung nicht zurückweist, vielleicht bringt auch uns die Zu­funft den Segen jener von solch' hoher Menschenfreundlichkeit zeugenden Anstalten, der Zwischenanstalten es wäre damit dem Elende vieler Tausende abgeholfen!

H. K.