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Meine Entgegnung auf das ,, andere Wort über Steno­ graphie". ( Neue Welt" Nr. 22.) Hätte sich der Schreiber dieses ,, anderen Wortes" vergegenwärtigt, an wen ich meine Warnung vor der Stenographie gerichtet, hätte er der Tendenz, der Lebensaufgabe der ,, Neuen Welt" dabei Rechnung getragen, so würde er sein ,, anderes Wort" wahrscheinlich garnicht geschrieben haben. Der Verfasser be­handelt in seiner Entgegnung das Thema: Ist es nüßlich und zweck­mäßig, die Stenographie als allgemeines Bildungsmittel unter die Lehrgegenstände des Volkes, also in die Schule aufzunehmen? kommt dabei zu einer bejahenden Antwort. Ich selbst dagegen behan­delte ein ganz anderes Thema, nämlich die Frage, ob die Stenographie in der That werth sei, unter die Bildungsmittel des Arbeiterstandes aufgenommen zu werden. Meine Aufgabe war es also vorzugsweise, die praktischen, zur Zeit bestehenden Verhältnisse in der Arbeiterklasse zu würdigen; ich hatte, wie schon aus meiner kurzen Einleitung hervor­geht, ganz besonders den zwar jugendlichen, aber der Schule ent­wachsenen Arbeiter vor Augen, der von dem lebhaften Wunsche beseelt ist, die Lücken seiner Bildung auszufüllen und sich geistig, wissen­schaftlich und sittlich weiterzubilden. Ich hatte insbesondere diejenigen Bestrebungen im Auge, welche sich auf die sogenannte Fortbildung des Arbeiterstandes beziehen. Die erste Aufgabe meines Gegners wäre also gewesen, auf dieses von mir gewählte Terrain zu treten und mich hier seine zwingenden Gründe hören zu lassen. Statt dessen behandelte er das viel allgemeinere, mir vollständig ferne liegende Thema der Steno­graphie in der Schule. Alle seine Gründe, die er gegen mich in's Feld führt, treffen daher nicht mich, sondern einen ganz anderen, den weder ich, noch sonst irgend jemand kennt.

Die Gründe, welche mich bestimmten, den Arbeiterstand vor der Stenographie zu warnen, lassen sich auf zwei Hauptpunkte zurückführen. Der erste Bunkt ist die Gefahr der Oberflächlichkeit, des gedankenlosen mechanischen Nachschreibens, welcher der Stenographirende ausgesetzt ist; der zweite ist die unbestreitbare Thatsache, daß ein stenographisches Manuskript in der Regel alles andere, denn übersichtlich, klar und leicht leserlich ist. Beide Punkte werden von meinem Gegner zugegeben. Zum ersten Punkt sagt er:

,, Um dem Verfasser gerecht zu werden, gebe auch ich zu, daß der Stenographirende sich leicht dazu verleiten lassen kann, alles wörtlich niederzuschreiben, so daß seine ganze Thätigkeit nur im mechanischen Nachschreiben besteht, aber diese Gefahr besteht ebenso für den kurrent Schreibenden."

Zum zweiten Punkt sagt er:

Der zweite Grund des Verfassers, daß es dem stenographischen Manuskript an Uebersichtlichkeit fehle, hat einige Berechtigung. Meist erlebt es der Anfänger, daß er sich in seinem eigenen Heft nicht ganz zurecht finden kann, und auch bei langjährig geübten Stenographen dürfte dies noch oft, wenn auch in bedeutend geringerem Maße der Fall sein."

Für dieses offene Geständniß bin ich meinem Gegner zu wirklichem Dank verpflichtet ist; es beweist, daß es ihm wirklich nur um die Sache, nicht aber um Reklame zu thun ist. Was übrigens die Einschränkung betrifft, die mein Gegner meinem ersten Vorwurf macht, daß diese Gefahr( der Oberflächlichkeit) ebenso für den kurrent Schreibenden be­steht", so ist das nicht richtig; der turrent Schreibende kann eben nicht alles wörtlich nachschreiben, eben, weil er furrent schreibt; er ist also eo ipso zur Sichtung, Unterscheidung, Trennung, furz zum Denken ge­zwungen, wenn sein Manuskript nicht sinnlos sein soll.

Es lag mir nun wahrhaftig nichts ferner als die Behauptung, der Stenographirende müsse an und für sich ein oberflächlicher Schreiber sein; auch ich konnte mir, wenn ich gleich nicht davon sprach, sehr gut vorstellen, daß der Stenographirende von seiner Fertigkeit einen ver­ständigen, vernünftigen Gebrauch machte. Nichtsdestoweniger bleibt auch in diesem Fall der zweite Vorwurf des Mangels an Uebersichtlichkeit vollkommen bestehen.

Trozdem mein Gegner sich nicht auf mein Terrain, d. h. die Stenographie und ihr Verhältniß zu den Fortbildungsbestrebungen der Arbeiter gestellt hat, liegt für mich die Versuchung nahe, mich auf sein Terrain, d. h. die Stenographie und ihr Verhältniß zur Schule zu stellen. Ich gestehe aber offen, daß ich nicht weiß, wie die Zukunft diese Frage lösen wird. Was ich aber weiß, ist, daß an eine nach­haltige, wirklich ersprießliche Wirkung der Stenographie selbst in der Schule und von hier aus vielleicht im ganzen öffentlichen Leben erst dann gedacht werden kann, wenn zahlreiche andere Vorbedingungen er­füllt sind. Man müßte sich z. B. vor allem einmal über ein einziges System geeinigt haben.

Doch, wie gesagt, alle derartigen Erwägungen mußten mir ferne liegen. Ich hatte den der Schule entwachsenen Arbeiter vor Augen, der nun die Mängel seiner Bildung fühlt, der von dem lebhaften Wunsch beseelt ist, sich weiter auszubilden. Diesen Arbeiter warnte ich vor der Stenographie, und ich warne ihn heute wieder, noch eindringlicher als das erstemal vor ihr. Wie im Leben überhaupt, so muß auch im geistigen Leben und Streben das Resultat, das zu erringende Ziel, der wirkliche Nugen in einem normalen und gesunden Verhältniß stehen zu der Zeit, der Mühe, der Gedankenarbeit, die man darauf verwendet. Das alles ist bei der Stenographie keineswegs der Fall, wenn sie nicht von Kind auf schon in der Schule erworben wurde und erst später nachgeholt werden muß. Wenn mich heute also ein junger, strebsamer

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Arbeiter, der die Augen offen und ein Herz für das hat, was seine Brüder gegenwärtig bewegt, um Rath fragt, ob er die Stenographie erlernen solle, so würde ich ihm sagen: Lieber Freund! Wenn Sie und ich weiß, daß es einmal zwei Jahre lang jede freie Stunde deren sehr wenige gibt, und daß auch die Erholung ihre Rechte fordert stenographisch geschrieben, nachgeschrieben und gelesen haben, so bringen Sie es vielleicht soweit, irgend einen Vortrag ordentlich zu Papier zu bringen. Ob Sie ihn acht Tage später selber wieder lesen können, weiß ich nicht, denn auch bei langjährig geübten Stenographen dürfte dieses Nichtkönnen ,, noch oft, wenn auch in bedeutend geringerem Maße, Bedenken Sie, welche enorme Zeit und es ist ihre vorkommen." sie kostbarste, für Ihre eigene intellektuelle Weiterbildung bestimmte darauf verwendet haben, sich diese Fertigkeit anzueignen. Vergleichen Sie nun den reellen Gewinn, welche Ihnen diese Fertigkeit bringt, mit der ungeheuren Summe Zeit, Mühe und Gedankenarbeit, die Sie darauf verwendet, so ist das gerade so, als hätten Sie 1000 Thaler für eine Bohne bezahlt. Nun, sagt man Ihnen freilich, daß die Er­lernung und Ausübung der Stenographie selbst Ihre Geistesbildung außerordentlich fördern wird. Sie müssen dieser Behauptung keinen so übermäßigen Werth beilegen; es ist mir bisjezt noch nicht gelungen, einen wesentlichen Unterschied zwischen Stenographirenden und Nicht­stenographirenden in der geistigen Gesammtqualität zu entdecken. Kurz und gut, ich fürchte sehr, daß Ihnen eines Tages die Augen aufgehen und Sie zur Erkenntniß kommen werden, daß Sie Ihre Zeit hätten viel nüglicher verwenden können. So oder ähnlich so würd' ich zu dem betreffenden Arbeiter sagen. Dr. Mülberger.

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Ein Bergstrom in der Sierra Acaray.( Bild Seite 460.) Ein stolzes Gefühl schwellt die menschliche Brust beim Anblick des wilden Das Leben, diese nothwendige und gesetz­Kampfes der Elemente. mäßige Umbildung des Stoffes, können sie nicht vernichten, denn die Kruste des Salzes, die Abgründe der Vulkane, die Tiefen des Ozeans, die warme Mineralquelle, die höchsten Regionen der Atmosphäre und alles erhält organische selbst die Oberfläche des ewigen Schnees Wesen, und so sehr sie auch toben mögen, der schwache Mensch hat sie doch gebändigt und zum Werkzeug seiner Erhaltung gemacht. Unser Bild zeigt eine turbulente Werkstatt der zur Zerstörung entfesselten Elemente, einen Bergstrom auf dem steilgewundenen Grat des Acaray­gebirges in Südamerika , dessen eiskaltes Wasser von sturmentwurzelten Bäumen gestaut und zwischen moosbewachsenen Felsen zum perlenden Schaume gepeitscht, brausend und zischend in zahllosen Katarakten zu Thale stürmt, um die lachenden Fluren von Britisch- Guyana mit seinem kühlenden Aushauch zu befruchten und bei der Hafenstadt Georgs­town seine blinkende Klarheit dem atlantischen Ozean zu vermählen. Man sieht dem Essequibo, der murmelnd zwischen den Pfeffer- und Zuckerrohrpflanzungen der Niederungen gleitet, den wilden Bergstrom nicht an, an dessen himmelanstrebenden Uferwänden Darwin dem dumpfen ,, Dieser Laut Tone der in der Strömung rollenden Steine horchte. spricht sehr beredt zum Geologen," schrieb der Reformator in sein Tagebuch. Der Ozean ist die Ewigkeit dieser Steine, und jeder Ton ihrer wilden Musik spricht von einem weiteren Schritt ihrer Bestimmung entgegen. Ruft man sich aber in's Gedächtniß, daß ganze Thierrassen von dem Angesicht der Erde verschwunden sind und daß während dieser ganzen Zeit die Steine Tag und Nacht in ihrem Laufe rasselnd weiter­gingen, dann habe ich mich wohl selbst gefragt: Kann irgendein Berg, irgendein Kontinent einer solchen Abnüßung widerstehen?" Und wie diese Steine rollen unsichtbare Gewalten die Gestirne in ewiger Pendel­bewegung. Auch sie streben in ungemessene Ferne, die Nachbarn fesselnd Dr. M. T. und schwingend in ewigem Reigen.

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Ein Walfischzug au den Küsten Neufundlands.( Siehe Bild Seite 461.) Das unersättlichste Raubthier, der Mensch der kaukasischen Rasse, welcher den Auerochsen und den Steinbock ausgerottet hat, ist schon seit dem Anfang des neunten Jahrhunderts bemüht, dem größten und einzigen Säugethier, welches im Ozean lebt, dem Walfisch, ein gleiches Schicksal zu bereiten, was ihm um so leichter wird, weil er sich langsam fortpflanzt, denn das Walfischweibchen wirft nach 34 Monaten ein einziges Junges. Das Männchen, welches ausgewachsen 60 Fuß Länge und 70 Tonnen Gewicht hat und dessen Kopf den dritten Theil des Körpers ausmacht, ist sehr streitlustig, aber infolge seines unver­hältnißmäßig kleinen Gehirns stupid. Die knochenartige Hülle des Kiefers, Fischbein genannt, und die 8-20 Zoll dicke Specklage, welche den ganzen Körper des Walfisches umgibt, sind die beiden Artikel, welche die Seefahrer aller Nationen auf seiner Spur von einem Bol zum andern treiben. Unser Bild stellt einen Walfischzug an den Küsten von Neufundland vor. Dieses Gestade wurde schon im 9. Jahrhundert von den Norwegern entdeckt und hat im Laufe der Jahrhunderte oft seine Herren gewechselt, die alle nicht verabsäumten, den Riesen der Salzfluth zu jagen. Zum Walfischfang verwendet man Schiffe mit doppelter Wandung, damit sie erfolgreich dem Eispressen widerstehen. Kommt ein Walfisch in Sicht, so wird ein Boot ausgesetzt, das mit einer an Seilen befestigten Harpune versehen ist. Ist das Thier von einer solchen getroffen, so taucht es schnell unter und zieht oft das Boot in die Tiefe mit sich. Als Säugethier muß es nach kurzer Zeit an die Oberfläche, um zu athmen, und wird so oft harpunirt, bis es infolge