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sich eines Bauerjungen; wird dies aber der Polizei bekannt, so geräth der Pfaffe in die Tinte, denn selbst das ABC darf in Rußland nur auf Befehl gelehrt werden." Die Universitäten anlangend, so sind die philologischen Lehrstühle in Petersburg gut besett, Moskau ist in der Medizin berühmt, Odessa im Griechischen und in der Mathematik, sonst aber sind die Professoren meist solche ehemalige deutsche Studenten( aus Bonn , Göttingen , Heidelberg ), welche ihre Universitätsjahre mehr mit Trinken aus der Biertonne, denn aus dem Musenquell verbracht haben." Die Gebäude gleichen Kasernen, die Studenten leben fasernirt darin, sind auch uniformirt. Auch können sie wegen„ geheimer politischer Klubs", zu denen sie mit wahrhaft findischer Sucht hinneigen ( wie begreiflich in einem Lande, wo die geringste männlich- freie Regung unterdrückt wird), gleich massenweise an eine andere Universität transportirt werden. Solche müssen dann ein Leben unter engster Klausur führen und dürfen auch in den Ferien nicht nach Hause reisen. Diese Klubs sind übrigens gar oft nichts weniger als politischer Natur, haben vielmehr häufig nur den
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harmlosen Zweck, französische und englische Zeitungsliteratur, manchmal noch dazu die allerunverfänglichste, anzukaufen. Hierbei gleich noch einige Worte über die Militärakademien. Die Professoren derselben kommen fast alle aus Deutschland , es sind die hier im Examen Durchgefallenen, fruits secs", wie die Franzosen sagen. In Rußland aber sind sie natürlich„ intellektuelle Riesen". Die Wirksamkeit dieser Herren schildert der Verfasser dergestalt:„ Der Geist ihrer Vorträge zerstört alle jugendlichen Illusionen, drängt alle edlen Antriebe zurück und verbuttet das geistige Wachsthum ebenso, wie er auf den moralischen Charakter als giftiger Mehlthau fällt." Doch haben sie zwei Vorzüge. Erstens trinken sie feinen Nationalbranntwein( Wuttky) und dann haben sie durch laye Ausübung ihrer Berufspflichten soviel Muße, daß sie das früher Versäumte nachholen und Privatschüler einpaufen können. So werden denn alle, Reiche und Arme, die in Rußland ernstlich studiren, Nihilisten." ( Schluß folgt.)
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Von Dr. Max Tranfil. ( Schluß.)
Der Doktor, ein freisinniger Humorist wie fast alle Jünger| dem zerklüfteten Felsenboden, den nur hie und da Algen bedecken, Aeskulaps, Veroneser von Geburt, war ein veritables Konterfei muß man sich dem Instinkt der Maulthiere überlassen, der sie des Ritters von der traurigen Gestalt, denn was ihm an Breite immer die richtige Stelle finden läßt, wo ihr Fuß haften kann. fehlte, hat die Natur bei ihm an Länge ausgeglichen. Die rothe Als die Vegetation vollends aufhörte, wurde es todtenstill; man Habichtsnase hätte sich längst mit dem spitzen Kinn vereinigt, hörte nicht einmal das Auftreten der Maulthiere in den lockeren wenn nicht der breite Schlund des zahnlosen Mundes diese un- Schichten des braunen Tuffs. Schichten des braunen Tuffs. Mit Sonnenuntergang, erreichten natürliche Neigung vereitelt hätte. Der struppige, graue Schnurr- wir die 2940 Meter hochliegende Casa Inglese, eine massive bart und die buschigen Augenbrauen gaben ihm ein mürrisches Hütte zum Schuß vor Sturm, am Fuß des höchsten Kraterkegels Aussehen, aber die kleinen, braunen Augen, die wie Rosinen in von englischen Offizieren erbaut. Die Maulthiere wurden mit einem Safrankuchen saßen, belebten die vergilbten, faltenreichen dem Diener nach Val del Bove zurückgeschickt, weil ihnen die hier Züge mit unwiderstehlicher Freundlichkeit. herrschende Kälte das Uebernachten nicht erlaubt. Wir richteten uns in der Hütte, nachdem wir Fenster und Thüren geschlossen, häuslich zum Uebernachten ein.
Nachdem ich meine Leidensgeschichte erzählt hatte, räumte mir das gerührte Ehepaar sein bestes Zimmer ein. Der Mann vertiefte sich mit mir in das Labyrinth einer politischen Diskussion, und die Frau ward nicht müde, Neuigkeiten aus der theuren deutschen Heimath zu vernehmen. Auch die Magd Angioletta essanter Kerl. Auch die Magd Angioletta schien mich freundlicher anzusehen. Auf meinen schüchternen Einwurf, warum man dem garibaldinischen Gast ein so verwahrlostes Zimmer angewiesen, entgegnete mein schnurriger Wirth: „ Nur um es dem Gast behaglich zu machen. Wir erwarteten nach den Berichten der offiziellen Zeitungen einen Strolch, der sich nur in einer Spelunke wohl fühlt."
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Mutter Gertrud, wie die Doktorsfrau genannt wurde, hatte mich wie einen Sohn in's Herz geschlossen und förderte auch mein leibliches Wohl durch leckere Agung. Ihre zärtliche Sorg falt half durch ein Dutzend neuer Hemden dem vollständigen Mangel meiner Leibwäsche ab und verdrängte das verblichene Rothhemd durch einen neuen Sammetrock. Ihr Mann, ein abgesagter Feind aller Quacksalbereien, suchte meine vollständige Genesung auf peripathetischem Wege, durch Bewegung in freier Luft, zu bewerkstelligen. Da sich auch die Honoratioren der Stadt, der aufgeblasene Podesta, der gelehrtthuende Syndikus und der leutselige Pfarrer, beeilten, die werthe" Bekanntschaft des Helden von Marsala zu machen, so führte ich ein wahres Schlaraffenleben. Nach Verlauf von vier Wochen konnte ich bereits an der Seite meines Wirthes, des besten Aetnakenners, die Besteigung des 3314 Meter hohen Vulkangipfels unternehmen, ohne meine Gesundheit zu gefährden. Auf Maulthieren reitend, von einem Diener begleitet, der Proviant und Holzkohlen trug, brachen wir an einem heitern Morgen auf. Troß der thaublinkenden Frische der üppigen Vegetation war der Ritt wegen der bedeutenden Steigung nichts weniger wie angenehm. In dem wie ein Gürtel den ganzen Berg umgebenden Kastanienwald hielten wir Mittagsruhe. Oberhalb dieser Waldgrenze kommt nur verkrüppeltes Nadelholz vor. Uns zur Linken klaffte der Riß der Montagnuola, den die furchtbare Eruption im Jahre 1763 vom Piano del Lago bis zum obersten Regel gespalten hat. Zu beiden Seiten des kaum erkennbaren Weges stehen die letzten Zeugen des Pflanzenlebens, Berberigen und Wachholdersträucher, die mit immer größer werdenden Schneeflocken abwechseln. Auf
" Sehen Sie, junger Freund," dozirte mein Wirth während der Bereitung des dampfenden Grogs,„ der Aetna ist ein intereffanter Kerl. Er wurde schon zweitausend Jahre vor Christi Geburt bestiegen. 1500 Jahre später beschreibt Thukidides sehr genau seine bösen Launen, die 96 Jahre nach Thufidides' Tod so schlimm wurden, daß die ausgeworfene Lava bis zum Meere floß und im Jahre 125, während der Sklavenkriege, die Stadt Catania zerstörte. Catania zerstörte. Endlich, 1232 Jahre nach Christi Geburt , fand man eine radikale Abwehr gegen seine Verwüstungen, näm lich das Vorhalten des Schleiers der heiligen Agatha. Schade, daß in der neueren Zeit der Schleier seine Wunderwirkung eingebüßt hat, sonst hätte er den Aetnaanwohnern im Jahre 1669 vielen Kummer erspart. Der Aetna , der durchschnittlich alle sieben Jahre rumort, ist zwar ein gefährlicher Patron, aber doch kein solcher Heuchler wie der Vesuv . Die dichte Dampfwolke, die fortwährend unter seinem Gipfel schwebt, zeigt, daß das Feuer in seinem Innern nie erlischt. Der Vesuv aber schweigt JahrHunderte lang und verleitet die Menschen, daß sie sich an seinem Rücken anbauen. Dann verschlingt er mit einemmale ganze Städte, wie uns Plinius von Herculanum , Pompeji und Stabia erzählt.
Der Doktor war im besten Zuge, den lehrreichen Schnappsack des Plinius vor mir auszuschütten, als unser Feuer erlosch und die bald eintretende Kälte von 2 Grad Reaumur uns zwang, die moosgefüllten Betten aufzusuchen.
Zwei Stunden nach Mitternacht weckte mich mein unermüdlicher Begleiter, der schon in aller Stille den Kaffee über Spiritus gekocht hatte.
Als wir aus der Hütte traten, flimmerten die Sterne am wolkenlosen Himmel und scharfer Ostwind pfiff uns um die Ohren. Nach kurzer Umschau bemerkte der Arzt schmunzelnd:„ Sie können sich bei Helios extra bedanken, daß er heute in großer Gala erscheint."
Jetzt beginnen erst die Schwierigkeiten des Anstiegs. Das Klettern zwischen den scharffantigen Lavablöcken, wo der Fuß in der lockeren Asche knietief versinkt, wird durch das Ausströmen der schwefligen Säure zur Tortur. Die letzten 45 Klafter kommt