man nur auf allen Vieren vorwärts. Endlich war der Gipfel erflommen, auf welchem ein nur wenige Schritte breiter Gürtel den gähnenden Schlund, der sich in einer Tiefe von beiläufig 100 Meter trichterförmig verengt, umgibt. Die Kraterwände waren mit einer Schwefelfruste überzogen, die wie Goldbrokat glizerte. Dieses alles sah ich natürlich erst im vollen Tageslicht, denn als wir oben ankamen, begann es zu grauen.

Was ist nicht schon über Aurora Gereimtes und Ungereimtes geschrieben worden? Unserem erhabenen Standpunkt konnte Frau Morgenröthe   nicht einmal ihre tiefsten Toilettegeheimnisse ver­bergen. Nachdem sie ein paar violette Wölkchen vorausgeschickt hatte, trat sie in ihrer vollen Majestät aus des Tages goldener Pforte. Mit einem Ruck schob sich die Sonne aus dem Busen von Tarent   und rothes Gold floß über die Meeresfläche. Wie Nebelstreifen entsteigen der Fluth die fernen griechischen Gestade, das calabrische Ufer, die liparischen Inseln mit dem rauchenden Stromboli und im Süden wie ein schwarzer Punkt die Felsen von Malta  .

In Bewunderung versunken, merkt man garnicht, daß sich die Farben und Formen jeden Augenblick verändern, je höher die Sonne steigt.

,, Videtur et altera pars!" rief mein munterer Telemach, und kehrte mein Gesicht nach Westen. Die Ueberraschung ließ mich nicht einmal zu einem Ah" kommen.

Wie eine dunkelblaue Pyramide liegt der Schatten des Aetna  auf der hell erleuchteten Insel, die wie eine Landkarte zu unseren Füßen aufgerollt ist.

Mit den Worten: Die Augen haben genug geschwelgt, nun wollen wir auch an den Magen denken," zog mein Begleiter ein kaltes Frühstück und eine Flasche Wein aus dem Quersack und hielt zur Abwechslung einen kulturhistorischen Vortrag:" Auf dieser feuerspeienden Esse der Werkstätte des Hephästos, welche Zeus

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einst verstopfen ließ, um die Giganten Typhon und Enkelados zu ärgern, theilte der Philosoph Empedokles   die Elemente in die vier bekannten Kategorien und stürzte sich vor Freude über die klassifikation in das jetzt verstopfte Hauptventil. Der graue Flecken dort am südlichen Abhang des Monte Laura ist Syrakus  , die Wiege des Mathematikers Archimedes  . An seinen jezt ver­fallenen Mauern ist soviel Blut geflossen, daß man meilenweit die blaue Fluth roth damit färben könnte. Die letzten Reste der Flotte Ottavians aber Donnerwetter, Sie essen ja nicht!" Herr Doktor, ich warte bis Sie essen werden."

es

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" Ja so, da haben Sie wieder recht."

Noch einen Blick auf all' die Herrlichkeiten und hinunter geht über Casa Inglese nach dem Val del Bove, einer Einsenkung des Aetna  , zwei Stunden breit und drei Stunden lang. Die Natur hat hier ihr großes Lehrbuch der Geognosie aufgeschlagen. Der Thaleinschnitt ist auf drei Seiten von 1300 Meter hohen, voll­ständig kahlen Lavawänden eingeschlossen, deren obere Ränder der Regen sägeförmig ausgezackt hat. Von hier ritten wir zu den kreisförmigen Kratern der Montirossi, in deren vegetations­losen Innenwänden, mit Eisenoxyd überzogen, man das Athmen des Vulkans belauschen kann, weil vor jeder Eruption die glühende Lava zu wallen beginnt. Man zählt 700 solcher Eruptionsfegel, die gleich Geschwüren an dem franken Körper des Aetna   auf­brechen, sobald sich die Titanen in seinem Innern rühren.

Die sorgsame Pflege der Mutter Gertrud sorgte dafür, daß ich die Strapazen der Aetnabesteigung bald überwand. Den hageren aber sehnigen Doktor schienen sie kaum angefochten zu haben.

Mit den besten Segenswünschen und einem vollgepfropften Mantelsack ausgestattet, schiffte ich mich 14 Tage später in Messina  ein und kam noch eben zurecht, um mit Garibaldi in Neapel  einzuziehen.

Weltausstellungsbriefe.

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V.

( Ein Gang durch die Maschinenhallen. Der Pavillon der Creusot  'schen Fabrik. Eine Eisfabrikationsmaschine. Französische   Eisenbahn- und Tramwaywagen. Lokomobilen und Dampfbroschken. Der Handarbeitersaal.) Wenn ich den freundlichen Leser ersuche, heute mit mir eine Wan­derung durch die Maschinenräume des Industriepalastes zu machen, so möge er nicht erwarten, daß ich ihm eine ausführliche Beschreibung sämmtlicher Maschinen geben werde, das würde die Machtbefugniß eines Briefstellers überschreiten. Ich kann nicht mehr thun, als einige be­sonders bemerkenswerthe Maschinen, welche die allgemeine Aufmerksam­feit auf sich ziehen, näher zu bezeichnen und im allgemeinen die charakte­ristischen Unterschiede der Maschinenausstellungen der verschiedenen Völker hervorzuheben. Vorausschicken muß ich, daß nach dem Urtheil mehrerer tompetenter Sachkenner, die mir freundlichst Auskunft ertheilten, die diesjährige Weltausstellung wesentlich neue und originelle Maschinen, die nicht schon seit Jahren bekannt wären, nicht enthält. Trotzdem ist mehrfach ein Fortschritt im Maschinenbau zu verzeichnen, doch offenbart sich derselbe nur klarblickenden Kenneraugen in einzelnen Verbesserungen, deren Aufzählung bei einem größeren Publikum kein Interesse und kein Verständniß finden würde.

Wie schon früher erwähnt wurde, dehnen sich die beiden großen Maschinenhallen an den beiden Langseiten des Palastes aus, die süd­liche ist den fremden Völkern, die nördliche den Franzosen zuertheilt worden. Beginnen wir bei den ersteren und treten wir durch den süd­östlichen Pavillon in denselben ein, so befinden wir uns in Holland  , welches keinen geringen Raum in Anspruch nimmt. Die interessantesten Objekte, welche dieses Land bietet, sind offenbar die in größtem Maß­stabe ausgeführten fupfernen Apparate für Zuckerfabriken, die aus dem Heimathlande nach den hinterindischen Kolonien, wo der Zuder Haupt­handelsartikel ist, exportirt werden. Seltsam genug fallen bei einem Lande, welches sozusagen auf politische Neutralität angewiesen ist und dessen Hauptstärke im Seehandel liegt, die verschiedenen Modelle von Kanonen und Artilleriebespannungen auf. Unwillkürlich denkt man an den schweizerischen Admiral, der auf den kleineren pariser Theaterbühnen als stehende komische Figur lebhaft beklatscht wird. Aber so unsinnig, wie ein Admiral des schönen Berglandes sich ausnimmt, berühren die holländischen Artilleriebespannungen denn doch nicht, da die Niederländer derselben in ihren heftigen Kriegen mit den Eingebornen( so in letzter Zeit mit den Atschins) gar sehr bedürftig sind, wenn sie ihre ,, Kultur" autorität in den Kolonien nicht einbüßen wollen. Troßdem war kein triftiger Grund vorhanden, diese Kriegswerkzeuge auszustellen, da sie sich weder durch besondere Güte der Arbeit, noch durch originelle Kon­struktion auszeichnen. Sie sind deshalb ziemlich überflüssig und be­engen nur den Raum, wie so viele andere mittelmäßige Objekte in allen Abtheilungen.

Portugal  , welches auf Holland   folgt, hat keine. nennenswerthen Maschinen ausgestellt und den Raum meist mit interessanten Natur­produkten angefüllt, von denen eine Holzsammlung durch ihre Reich­haltigkeit auffällt. Da finden wir querdurchschnittene Stämme von Ulmen, Kastanien, Cypressen, Buxbaum 2c., die einen Forstmann außer­ordentlich interessiren werden.

Belgien   hat nächst Frankreich   und England am zahlreichsten aus­gestellt und imponirt durch die schöne, großartige Gesammtaufstellung. Viele Dampfmaschinen, in der exakten Arbeit fast unübertrefflich, sind in Thätigkeit. Alle Apparate und Maschinen, welche beim Bergwerksbetrieb, der in Belgien   eine so große Ausdehnung hat, angewendet werden, sind hier in den schönsten und größten Exemplaren, nicht im Modell, sondern in facto vereinigt. Die Bergwerkspumpen aus den Fabriken der Sozietät Cockerill, welche von riesigen Balanciers und Schwung­rädern getrieben werden, geben uns eine ungefähre Anschauung von der Größe der Kraft, die sich der Mensch unterthänig gemacht hat. Diese Pumpen schöpfen die unterirdischen Wasser aus einer Tiefe von 550 Metern. Bohrer und Zangen, welche tief in's Erdreich und Gestein eindringen, sind in immensen Größen vertreten, ein Bohrer ist 300 Meter lang und hat 5 Meter Durchmesser in der Breite. Man denke, welche Arbeit allein schon dazu gehört, um so umfangreiche Schmiedeeisentheile herzustellen! Lettere sind auch einzeln in großer Anzahl zur Schau gestellt, hauptsächlich Produkte der Walz- und Hüttenwerke, z. B. Walz­eisen, Träger von ungeheurer Länge, Stangen, Platten, dann zahlreiche Façoneisentheile, nicht zu vergessen die sauber aus dem besten Material hergestellten Gußtheile für Maschinen, die Blecharbeiten im größten Maßstabe für Dampfkessel 2c. Ferner verdienen die Fördermaschinen, welche die Kohle aus den tiefsten Schachten des Bergwerks mit großer Schnelligkeit hervorheben, und die Dampfventilatoren, welche die frische Luft hinein und die schlechten Dünste, aus welchen sich so leicht schlagende Wetter entwickeln, aus den Schachten heraustreiben, und eine kleine Lokomotive, die für schmalspurige Geleise berechnet ist, besondere Be­achtung. Ohne seine ergiebigen Bergwerke würde Belgien   als selb­ständiger Staat kaum existiren können, aber auch nirgendwo sonst findet man eine solche in musterhaftester Weise geleitete Ausbeutung der unter­irdischen Schäße. Was sich sonst noch in der belgischen Abtheilung befindet, ist auch bei andern Völkern zu sehen, als da sind Holzfräser, Wollwasch- und Flachsmaschinen, alle zwar in besonders guter Aus­führung und praktischer Konstruktion, aber nicht von hervorragender Bedeutung.

An die große belgische grenzt die kleine schweizerische Maschinen­ausstellung, welche neben etlichen Dampfmaschinen, die sich bei allen Völkern mehr oder weniger finden, brillante Web- und Spinnmaschinen umfaßt, die vom frühen Morgen bis abends 6 Uhr, wenn der Balast geschlossen wird, in fortwährender Thätigkeit sind. Hier werden seidene Bänder gewebt mit einer Schnelligkeit und Akkuratesse, die bei dem großen Publikum, und besonders bei den Damen, große Bewunderung

Nr. 42. 1878.