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erregen. Die Stickmaschine von Saurer in St. Gallen  , welche in zwei langen Reihen bis 150 verschiedene komplizirte Muster stickt und schon auf der wiener Weltausstellung Aufsehen erregte, befindet sich auch hier. Rußland und Ungarn  , die beiden politischen Todfeinde, ähneln sich darin, daß sie in ihren Maschinenräumen nichts von besonderer Bedeu­tung beherbergen. In beiden Ländern werden die bedeutendsten Fabriken meist von deutschen   Ingenieuren geleitet, und alle Maschinen sind theil­weise direkt deutschen   Ursprungs oder deutschen   und österreichischen Mustern nachgebildet. Die Sammlung von Holz- und Eisenmodellen in kleinem Maßstabe, welche die kaiserliche polytechnische Schule in Moskau   herübergesandt hat, ist allerdings sehr sehenswerth und für Schüler instruktiv, ebenso wie die Kollektion von Landkarten, Plänen, Modellen, welche das ungarische Ministerium der öffentlichen Arbeiten ausgestellt hat. Weiteres ist aber weder bei dem einen noch dem andern Lande erwähnenswerth. Diesen beiden reiht sich an Unbedeutendheit würdig an: Spanien  , welches vergeblich mit einigen Dampfmaschinen, die noch dazu von älterer Konstruktion sind, Aufsehen zu erregen sucht. Wie ein großes, zierlich gearbeitetes Spielzeug nimmt sich in dieser Ausstellung der einzige beachtenswerthe Gegenstand aus, ein zehn Meter langes und zwei Meter großes Modell aus Papiermaché des Hafens von Huelva   an der andalusischen Seeküste. Dieses ist, soviel ich weiß, der einzige spanische Hafen, welcher ganz nach moderner Weise angelegt ist, nach dem Muster der englischen Häfen, in welchen die Eisenbahnen direkt auf dem Landungsponton angebracht sind.

Desterreich nimmt, was Reichhaltigkeit und Größe des Maschinen­Etwas raums anbetrifft, den vierten Rang unter den Völkern ein. ganz Originelles, welches allerdings kaum ,, Maschine" genannt werden kann, ist das pneumatische Uhrwerk. Pneumatische Uhren, d. h. solche, die durch Luftdruck, statt mit einer Feder oder mit einem Gewicht in Betrieb gesetzt werden, hat es schon länger gegeben, hier aber sind circa dreißig Uhren aufgestellt, die vermittels kleiner Röhren mit einer Luftdruckmaschine in Verbindung stehen. Dieselben gehorchen alle gleichmäßig demselben Drucke und können garnicht retardiren oder zu schnell gehen. Die Erfinder dieser Luftröhrenleitung für Uhren haben ein Patent darauf, genommen und wünschen, dieses kleine Modell in großem Maßstabe in einer Stadt aufzustellen, falls irgendein Magistrat die Kosten übernimmt. Wir wollen hoffen, daß sich ein unternehmender Magistrat zu diesem Versuch finden wird, der aller Wahrscheinlichkeit nach glänzend reüssiren wird. Welche Annehmlichkeit den Einwohnern aus solcher Einrichtung erwächst, ist ersichtlich; alle Zifferblätter an Kirchthürmen und öffentlichen Gebäuden, alle Wanduhren in den Zim­mern können dann durch einfache Röhrenlegung mit der großen Luft­druckmaschine in Verbindung geſetzt werden, und solange diese ihre Pflicht thut, was ja leicht zu reguliren ist, gehen alle Uhren der ganzen Stadt in gleichem Tempo.

Sehr reichhaltig sind bei Desterreich die landwirthschaftlichen Maschinen vertreten. Da finden wir alle Arten von Pflug-, Dresch-, Säe-, Häcksel­schneidemaschinen und böhmische Zuckerfabrikationsapparate nach dem neuen Diffusionssystem. Die Luxuswagen, welche in schönen Proben vorhanden und eine Spezialität der wiener Fabrikation sind, sind ins­gesammt so zierlich, elegant und leicht gebaut, daß man die Vorliebe der reichen ,, Gründer", die so gern auf Gummirädern fuhren, begreifen fann. Man liegt in den weichen Polſtern wie in Abrahams Schoß, nur schade, daß der moderne arme Lazarus" diesen Himmel nicht besteigen darf, sondern nebenher trotten muß. Auch die Eisenbahn­wagen sind ebenso prächtig und elegant, wie praktisch eingerichtet. Be­sonders fällt einer auf, der für den Fleischtransport dient. Um im Innern desselben stets reine Luft, welche das Fleisch frisch erhält, zu schaffen, ist ein sinnreicher Ventilationsapparat direkt mit der Hinterage der Räder in Verbindung gesetzt. Sobald die Räder rollen, fängt der Ventilator an, von unten frische Luft einzusaugen, welche die verdorbene Luft zu den Löchern, die in der Decke angebracht sind, hinaustreibt.

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Italien   hat das Marsfeld, was Maschinen anbetrifft, mit vielen Dingen beschickt. Es findet sich von jeder Sorte etwas, aber wenig von Bedeutung und meist alles nur in Modellen. Das Marine ministerium nimmt mit einer Kollektion von See- und Kriegsschiffs­utensilien einen großen Raum weg, die nicht gerade von der fort­schreitenden Humanität der Menschheit Zeugniß ablegt. Aber was soll Italien   thun? Wenn die übrigen Großmächte gepanzert und gewaffnet für den Krieg dastehen, darf es nicht zurückbleiben, besonders nicht im Seewesen, da das Land fast ganz vom Meere umgeben ist. So finden wir denn hier, neben hübschen Modellen von Kriegsschiffen und Häfen, zahlreiche Waffen und Vertheidigungsapparate, Kanonen, Mitrailleusen, Torpedoschleuderer, Proben von submarinen Telegraphendrähten, Schiffs taue und Ketten 2c. 2c. Friedlicher dagegen nehmen sich die wirklich sehr interessanten Haken, Harken, Zangen, Kneifen, Messer und Bohrer aus, welche dazu bestimmt sind, an Stangen und Tauen auf den Meeresgrund herabgelassen zu werden, dem sie seltenes Gestein und Pflanzen entreißen. Diese Pflanzenfiſchapparate sind ganz neu und werden mit der Zeit nicht wenig dazu beitragen, unsere Kenntnisse von der Meeresbodenbeschaffenheit zu erweitern.

Verschiedene Meerfischgeräthe haben auch Norwegen   und Schweden  hierher gesandt, unter ihnen steht als Novität oben an, die Walfisch­fanone. Um einen solchen Meerriesen zu fangen, gebraucht man aller­dings nicht so große Kanonen, wie sie im Menschenkriege gebräuchlich ind. Es ist ein kleines, 1 Meter hohes Exemplar der todtbringenden

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Riesenwaffe, die bequem auf dem Schnabel eines Walfischfahrers an­gebracht werden kann und große Harpunen, die sich an einem langen Tau abrollen können, entsendet. Da das Laden sehr schnell geht, so wird der Walfisch, ehe er noch zur Besinnung kommen kann, mit zehn bis zwölf solcher Hakpfeile beschossen und dann aus weiter Ent­fernung in's Schlepptau genommen, bis er sich auf den Rücken legt und am Blutverlust stirbt.

Schweden   und Norwegen   sind beide reich an Eisen und Holz. Von beiden finden sich die vorzüglichsten Proben ebenso wie sauber aus­geführte Holzschneidemaschinen. Sonst wären bei diesen Ländern nur noch die Heilgymnastikapparate zu erwähnen, die aber zu komplizirt sind, um hier näher beschrieben werden zu können.( Schluß folgt.)

Molière und die Laforêt.( Bild Seite 496.) Die Genialität hat das Vorrecht, die beengenden Fesseln der Nationalität abzustreifen und die Schranken ihres Zeitalters zu überspringen. Deshalb gehören Heroen der Weltliteratur, wie der Held unsers Bildes, Molière  , nicht nur Frankreich   und dem siebzehnten Jahrhundert, sondern der ganzen Welt und allen Zeiten an. Von seinen Zeitgenossen vergöttert, hat ihn die Nachwelt mit einer wahren Virtuosität des Hasses beurtheilt, bis Lessing und Goethe dem größten Lustspieldichter Frankreichs   den ge­bührenden Platz in der internationalen Ruhmeshalle anwiesen. Der strenge Goethe, der mit Schiller in den ,, Xenien  " die Dichterlinge seiner Zeit dußendweise abschlachtete, rühmt Molières   Eigenart in folgenden schmeichelhaften Ausdrücken: Ich kenne und liebe Molière seit meiner Jugend und habe während meines ganzen Lebens von ihm gelernt. Es ist nicht blos das vollendete künstlerische Verfahren, was mich an ihm entzückt, sondern vorzüglich auch das liebenswürdige Naturell, das hochgebildete Innere des Dichters. Es ist in ihm eine Grazie und ein Takt für das Schickliche, und ein Ton des feinen Umgangs, wie es seine angeborne schöne Natur nur im täglichen Verkehr mit den vor­züglichsten Menschen seines Jahrhunderts erreichen konnte. Menander halte ich für den einzigen Menschen, der mit Molière zu vergleichen wäre." Wie der tiefsinnige Humorist Deutschlands  , Jean Paul Richter  , seine literarischen Arbeiten, bevor sie durch die Druckerschwärze das Licht der Welt erblickten, einer Bierwirthin bei Baireuth  , der durch ihn berühmt gewordenen Frau Rollwenzel, vorzulesen pflegte, so liebte es der geniale Komiker, die Szenarien neuentworfener Stücke mit seiner alten Dienerin Laforêt zu besprechen, in welcher Situation ihn unser Bild zeigt. Er wurde als Sohn des Tapezirers Jean Baptiste Poquelin  am 15. Januar 1622 in Paris   geboren und vertauschte erst als Schau­spieler den Familiennamen Poquelin mit dem Künstlernamen Molière  . Da nun Wissenschaft und Literatur damals ausschließliches Eigenthum des Adels und der Geistlichkeit waren, machte es dem jungen Poquelin, der einen unbezwinglichen Widerwillen gegen das Handwerk des Vaters hatte, viel Mühe, bis er dessen Einwilligung zum Eintritt in das Jesuitengymnasium Collège Clermont erlangte. Als Vertreter seines Vaters, der Tapezir- Kammerdiener des Königs Ludwig des Vierzehnten war, reiste er mit dem königlichen Hoflager im Jahre 1641 nach der Provinz Languedoc  . Die farbenreichen Reiseeindrücke entschieden über seine zukünftige Laufbahn, denn obzwar er in Orleans   mit Erfolg Rechtswissenschaft trieb und in Paris   in die Advokatenliste eingetragen wurde, folgte er doch seinem Trieb zum Theater, wurde in Paris  Mitglied der Truppe Petit Bourbon" und durchzog zwölf Jahre lang Frankreich   nach allen Richtungen als fahrender Komödiant. Wohl mußte er sich oft gefallen lassen, vom Strohlager in der Scheuer ver­trieben, aus den Dörfern mit Hunden herausgehezt zu werden, aber dadurch eben lernte der Menschenkenner alle Voltsschichten kennen und schildern in der anschaulichen Weise des Plautus und Terenz. Im Jahre 1658 fand er endlich mit der Truppe, deren Direktor er ge­worden war, einen festen Aufenthalt in Paris  , wo er auch als Schau­spieler, nach dem Zeugniß von Freund und Feind, den höchsten Grad von Vollkommenheit erreichte. Er war Komiker vom Kopf bis zu den Füßen, es schien, als ob er mehrere Stimmen hätte, alles sprach an ihm; durch einen einzigen Schritt, durch ein Auflachen, durch einen Blick, durch eine Bewegung des Kopfes drückte er mehr aus als ein großer Redner kaum in einer ganzen Stunde würde sagen können." Mit diesen überschwänglichen Worten schildert Taschereau ſeine Dar­stellungsfähigkeit. Durch reichliches Einkommen der Lebenssorgen ent­hoben, heirathete der 40jährige Molière die 18jährige Schauspielerin Armande Béjart   und zerstörte sein ganzes Lebensglück. Nach vier qualvollen Jahren trennte er sich von seiner ungetreuen Frau. Dichter Corneille, Boileau   und Lafontaine, sowie der sonst sehr stolze große" Ludwig, nannten Molière   ihren Freund, aber seine rücksichts­lose Vertheidigung der Wahrheit zog ihm den Haß der Pfaffen und die Verachtung des bornirten Adels zu. Er war ein Vater seiner Untergebenen, denn einige Stunden vor seinem Tode sagte er zu seinen Freunden, die ihn wegen zunehmender Schwäche vom Spielen abhalten wollten: Fünfzig arme Arbeiter harren meiner, die weiter nichts als ihren Tagesverdienst haben. Was soll aus ihnen werden, wenn ich nicht spiele? Ich würde mir während meines ganzen Lebens einen Vorwurf machen, wenn ihnen durch meine Schuld auch nur einen Tag der Lebensunterhalt entzogen worden wäre." Und er starb wie ein wackerer Kämpe in seinem Beruf und wurde am 21. Februar 1673 begraben. Frankreich   verweigerte dem großen Dichter, dem Griechen

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