Gebrauch gemacht werde. Die chemische Untersuchung erwies das kostbarste, 3 Thaler der Centner, als fieselsaure Magnesia oder Speckstein, das zweite, für Thaler, als kohlensaure Magnesia oder Magnesit, das dritte, für 1½2 Thlr., als kohlensaure Magnesia mit 22 pet. Quarz. Man vergleiche damit die Preise für Roggen­oder Weizenmehl, und man wird begreifen, wie die Nußbar­machung dieser Stoffe in der empfohlenen Weise zur Hebung des Wohlstands" dienen kann.

Wer aber vom innerlichen Gebrauch solcher Brotpräparate sein Wohlbefinden beeinträchtigt fühlen sollte, der tröste sich im Hinblick auf so viele andre Kulturerrungenschaften mit einer fleinen Variation bekannter Dichterworte:

Wer nie sein Brot mit Füllmehl aẞ, Wer nie die jammervollen Nächte Im Magenkrampf sich windend saß:

Der kennt euch nicht, der Neuzeit Mächte!

Nachdem wir so die absichtlichen Verfälschungen gekennzeichnet, welche unser Hauptnahrungsmittel erfährt, erübrigt uns noch eine Besprechung der theils schädlichen, theils unschädlichen Bei mengungen vegetabilischer Art, welche auf natürlichem Wege in das Brotmehl gelangen können. Wenn die Samen gewisser Pflanzen, die im Getreide wachsend als Unkraut gelten, mit dem Korn vermahlen werden, so nimmt das daraus bereitete Brot meist auch ungewöhnliche Färbungen und Eigenschaften an. Durch das Mehl von brandigem Getreide soll das Brot bläuliche Farbe, zähe Beschaffenheit und schlechten Geschmack be­kommen. Gelangen die Samen der Kornrade( Agrostemma Gilhago) in's Brot, so erhält es gesundheitsschädliche, wenn nicht geradezu giftige Eigenschaften, und kennzeichnet sich durch scharfen, bittern Geschmack und bläuliche Farbe. Ackerklee( Trifolium arvense) ertheilt dem Brot blutrothe Farbe, ohne es schädlich zu machen; ebensowenig geschieht dies durch die Samen des Ackerwachtelweizens ( Melampyrum arvense), wenngleich sie das Brot röthlich, bläu­lich, bis schwarz färben und ihm einen bitterlichen Geschmack geben. Dagegen soll die Roggentrespe zwar an sich unschädlich sein, doch aber das Brot schwarz färben und schwer verdaulich machen. Dieser Pflanze reiht sich noch an der rauhhaarige Hahnenkamm oder auch Klapperkraut genannt( Rhinauthus Alectorolophus), der dem Brot einen ekelhaft süßlichen Geschmack und schwarz­blaue Farbe verleiht und es feucht und klebrig macht.

Die Gegenwart der genannten Unkrautsamen im zu Brotmehl bestimmten Getreide läßt sich jedoch vermeiden, nicht nur durch sorgfältige Auswahl des Saatguts und rationelle Kultur, sondern auch durch Entfernung derselben aus dem reifen Korn. Sie sind sämmtlich kleiner als die Getreidesamen, sodaß sie davon durch sorgfältiges Absieben getrennt werden können.

Leider ist dies Verfahren von keinem Erfolg bei der gefähr­lichsten Beimengung, welche das Getreide erfahren kann, dem so genannten Mutterkorn( Secale cornutum). Es ist das nicht eigentlich eine besondre Pflanze, sondern eine abnorme Verände­rung des Getreidekorns durch die Vegetation eines parasitischen

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Pilzes, der am häufigsten den Roggen, seltener Gerste und Hafer befällt. Die Zeit seiner Sporenreife trifft ungefähr mit der Blüthe des Getreides zusammen. Die von diesen Sporen befallnen Fruchtknoten scheiden zuerst einen dicken, süßlichen Saft aus, der bald die Spelzen anfüllt und in dem der Pilz gedeiht, sodaß er mit dem Verschwinden des Saftes meist weit aus den Spelzen herauswächst. Oft aber entwickelt sich das Mutterkorn nur in gleicher Größe mit dem Getreide und ist dann in keiner Weise davon zu trennen; Abschwemmen nützt auch nichts, da das spezifische Gewicht mit dem des Korns ziemlich gleich ist. Das Mutterkorn enthält einen stark giftigen Bestandtheil, das Ergotin, und etwa 30 Prozent eines dicklichen, in der Kälte theilweis ge­frierenden Dels, das frisch einen schwachen Geruch nach Cacao­butter besißt und leicht ranzig wird. Es mag vielleicht diesem Bestandtheil zuzuschreiben sein, daß mutterkornhaltiges Brot widerlich riecht und schmeckt; seine Farbe ist violett und es ist fleckig. Stärkerer Gehalt von Mutterkorn ist für ein geübtes Auge im Mehl schon durch eine schwach rosa Färbung zu er kennen. Der Chemiker vermag es leicht mittelst Alkohol und Schwefelsäure oder durch Natronlauge nachzuweisen*). Ein Ge­halt von 2 Prozent Mutterkorn macht das Mehl schon entschieden giftig. Es entsteht durch seinen Genuß die sogenannte Kornstaupe oder Kriebelkrankheit, welche sich zuerst durch Unterleibsbeschwerden, Eingenommenheit des Kopfes, weiterhin durch Krämpfe und Lähmungen, sowie durch sogenanntes Kriebeln, d. h. durch das Gefühl von Ameisenlaufen, wie es beim Einschlafen" der Glieder stattfindet, kennzeichnet, nicht selten zu Blödsinn, Epilepsie führt und öfters auch den Tod verursacht. Das Mutterkorn tritt in nassen Jahren häufiger auf gleichzeitig hat man dann auch das häufigere Auftreten der Kriebelkrankheit festgestellt. Derartig vergiftetes Getreide dürfte unbedingt weder zur Mehlbereitung, noch als Saatgut, mit dem die Keime wieder in den Acker gelangen, zugelassen werden. Wer aber kann das bei jeßigen Verhältnissen verhindern? Der Produzent will und muß seine Waare" möglichst gut verkaufen, er erkennt ihr vielleicht einen, geringern Werth" zu und schlägt sie für einige Groschen weniger los. Dem Mehl ist das darin enthaltene tückische Gift schon nicht mehr anzusehen und so kann es seinen Weg in den menschlichen Magen finden, dessen Inhaber sich dann seine armen, einschlafenden Glieder vergeblich reibt. Hätten wir genossen­schaftlichen Landbau, so würde durch strenge Ausschließung solchen vergifteten Kornes von Genußzwecken und Verweisung von andern, vielleicht möglichen, gewerblichen Zwecken, kein berechtigtes Inter­esse verlegt, keine Einzelperson einen Verlust" erleiden, und so könnte auch diese Krankheit durch ächten Kulturfortschritt aus der Welt geschafft werden! R.-L.

*) Mutterkornhaltiges Mehl oder Brot wird mit Alkohol aus­gekocht; setzt man diesem dann Schwefelsäure zu, so entsteht eine rosa bis dunkelrothe Färbung. Natronlauge entwickelt bei Gegenwart dieses Giftes den Geruch von Triäthylamin( ähnlich dem von Herings­lake). D. V.

Richard Wagner und die andern.

An einem jener flaren Septembertage, die nach einer Reihe von Regentagen an den oberitalienischen Seen unserm Blick Adler­schwingen verleihen, schlenderte ich durch die Levantina dem Gott hard zu. Nur das klassische Licht der römischen Campagna, welches das Herz des Dichters und Malers immer und immer wieder mit so unendlicher Wonne erfüllt, jenes Licht, von dem der verbannte Cicero heimwehvoll seinem Freunde schrieb: Urbem, mi Rufe, cole et in ista luce vive!" kann mit der herrlichen Beleuchtung des südlichen Abhanges der Alpen rivalisiren. In schweigender Majestät heben zu beiden Seiten des Thales die Bergriesen ihre Häupter zum tiefblauen Himmel empor, und bei jedem Schritt des gewundenen Weges verändert sich die wunder­volle Wandeldekoration. Hier das mannichfaltige Grün der in Sonnengold getauchten üppigen Vegetation, dort dunkelgähnende Abgründe, umstarrt von nackten Felsen, die wild übereinander geschichtet, gleich sprungbereiten Ungeheuern sich jeden Augenblick auf den Wanderer stürzen zu wollen scheinen, und doch seit Aeonen schon auf ihrer schwanken Höhe den Stürmen trogen. Tosend eilt der trübe Tessin in schäumenden Kaskaden dem Lago maggiore

zu. Der jährlich wiederkehrende Größenwahn der Reuß, seiner wilden Schwester, und die daraus resultirende Verkehrs­störung hat in Stresa ein kaleidoskopisch zusammengewürfeltes Touristenkonglomerat aufgehäuft, und in dem Hotel, das ich zum Uebernachten erkoren, wimmelte es wie in einem Bienenkorb von steifleinenen Engländern, bockledernen Yankees, ladestockgraden Norddeutschen, Bajuvaren wie Alemannen jeglichen Kalibers, nebst einigen italienischen Geschäftsreisenden.

Der Germane war von jeher, troß seiner anscheinenden Ruhe, die causa movens, der Sauerteig aller nationalen Gährungs­prozesse, und es gibt wenig Völkerfamilien in Europa , denen die rastlose Zeitströmung nicht einige germanische Elemente zugeführt hätte. So entstanden durch die Longobarden in Oberitalien , die Gothen in Spanien und die Franken in Gallien Uebergangs­varietäten, deren germanisches Gepräge unter dem römischen Schliff ganz unkenntlich geworden ist. Die Wanderlust, die in prähistorischer Zeit Odins Sippen von Himalayas Hochebenen gen Westen trieb, hat ihre Zaubermacht, wie die massenhafte Auswanderung nach Amerika dokumentirt, bis auf den heutigen