und war verschwunden; denn dort bedeckte den Boden dichter Kräuterwuchs. Ich schwamm voll unaussprechlichen Schmerzes an's andere Ufer, welches hoch war, und wo ich am ersten sehen fonnte, wohin er geführt wurde. Nichts zu sehen. Ich ergriff, was ich für einen langen dürren Ast hielt, um ihn damit herauszuholen, riß und drehte daran, bis ich sah, daß es eine wilde Weinranke war, welche keine Menschenkraft hätte lösen können. Jetzt schwamm ich, von Todesangst getrieben, zurück an's andre Ufer und warf mich in meine Kleider, um dem Landsmann nachzueilen, den ich unten an der Mühle um Hülfe rufen hörte. Dort fand ich schon den Müller und seine Leute beschäftigt, einen mit Wasser gefüllten Kahn, der in der untern Wehrtiefe lag, umzustürzen, und ich mußte dabei helfen. Das plumpe Fahrzeug wurde an's Land geschleppt, von zwei Joch Ochsen über Land in die obere Wehrtiefe befördert, wir stiegen selbviert hinein und waren binnen zwanzig Minuten vom Untersinken des Unglücklichen an dort angelangt, wo ich ihn vermuthete.
Auf das erste Hinabstoßen meines Ruders hatte ich etwas Unnachgiebiges gefaßt und brachte es herauf. Er war's, und ich hatte die Schaufel des Ruders so zwischen seinen Arm und Leib gebracht, daß ein Griff nach seinem Haare den Kopf über Wasser brachte. So am Kahne hängend, landeten wir ihn, und ich machte sofort die ersten Belebungsversuche, wie sie in Erstickungsfällen vorgeschrieben sind, während ich den Landsmann nach allen drei Aerzten schickte. In einem Nachbarhause borgte ich mir eilig eine Bürste, welche mir mit dem Bedeuten gegeben wurde, sie ja nicht wiederzubringen, und rieb mit der Rechten den ganzen Körper, während ich mit der Linken das Rückgrat stüßte und drehte, um die Athmung wiederzuerwecken. Die Aerzte famen alle drei und sagten, ich solle nur so fortfahren, es sei noch alle Hoffnung. Plößlich meine Anstrengungen mochten eine Stunde gedauert haben fielen die Augen ein, senkte sich die Herzgrube und wurde der ganze Leib kalt.
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Es ist genug," sagte der eine Arzt, welcher dageblieben war, „ diesen Mann hätte nichts retten können der Schlag hat ihn gerührt, wahrscheinlich weil er zu warm in's Wasser ging. Sagen Sie hatte der Mann nicht schon einmal eine Gehirnkrankheit gehabt?"
Wie kommen Sie auf diese Frage?"
Je nun, ich mag mich irren, aber ich habe so meine Kenn
zeichen."
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Ja wohl das war die Lösung des Räthsels. Ursprünglich ganz gesund, aber von langen Gemüthsleiden mit seiner Frau und später seinen Verwandten gequält, für wahnsinnig erklärt, obwohl er es noch nicht war, durch rasche Schicksalswechsel erst gefnickt, dann beglückt; auf der Seereise bis zum höchsten Grade leiblicher Kraftfülle belebt, zum tollkühnen Wagehalse entwickelt und durch die Gluth, die Lichtfülle der langen Windstille bis zur Ruhelosigkeit überspannt, hatte er sich einen Anfang von Wahnsinn zugezogen, in welchem er sich von einem Mädchen geliebt wähnte, welche nur sein Geld heirathen wollte; und die mit erlebten Schicksalsschläge auf der Landreise hatten die Krankheit weiter ausgebildet. Die leichteste Erkältung beim langsamen Eintreten in's tiefere Wasser mußte ihn knicken, das Blut zum Herzen und Gehirn jagend, ließ sie ihn das Bewußtsein verlieren und willenlos mit dem Strome treiben. Hätte mich sein letzter Griff einen Zoll oberhalb der Handbreite gepackt, so war ich verloren; denn noch im Tode blieb die hohle Hand steif geframpft.
Es ist bezeichnend für die Furcht vor Ansteckung in allen heißeren Ländern, daß an den Leichnam kein Mensch außer mir seine Hand hat legen wollen. Seine Braut oder soll ich sie Frau nennen? verbat sich entschieden, daß ich die Leiche in unsre Wohnung brächte. Aus Rücksicht auf den Hauswirth schaffte ich sie auf die hintere Veranda eines benachbarten, leerstehenden Hauses. Daß alle meine Zukunftspläne dadurch bedenklich er schüttert wurden, daß ich Neuling im Farmen einen treuen, sachverständigen Freund verloren hatte, kam mir nicht zuerst in den Sinn, wohl aber, daß alle Mühe, welche ich gehabt hatte, ihn wohlbehalten hierher zu bringen, für ihn verloren war, daß er deren Frucht im Besitz einer unwürdigen Person lassen mußte, und nun, diese kreuzbrave Seele, wie ein Bestkranker oder Aussäßiger gemieden wurde. Da mir niemand half, mußte ich ihn waschen, und erstaunte, zu sehen, daß der Leichnam bald fast
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schwarz wurde; und da ich ihn allein nicht anziehen konnte, in Bettlaken einwickeln und in den Sarg heben. Diesen half mir dann der Leichenbestatter auf den Wagen heben und in's Grab senken, wohin ihm keine Seele folgte, obwohl er so vielen Liebesdienſte crwiesen hatte.
Noch fand ich nicht Zeit, mich gemüthlichen Betrachtungen hinzugeben. Der Bruder der jungen Frau war angekommen, um der Hochzeit beizuwohnen; beide betrieben nun mit unanständiger Schnelle die Abmachung der Erbschaft( etwa 4000 Dollar baar und die Vertheilung des gemeinsamen Wirthschaftsgutes mit den darauf haftenden Lasten). Ich eilte nicht minder, diese noch eben ganz armen, jetzt kapitalistisch prozigen Leute loszuwerden. Es ist nicht ein unangenehmes Wort zwischen uns gewechselt worden; natürlich aber hatte meine brave Gattin ihr nicht verschwiegen, was sie von ihr denke. Bald darauf wurde sie ihres Geldes wegen von einem versoffenen deutschen Doktor, welcher aber farmte, geheirathet, und ich habe sie einmal auf der Farm aufgesucht, ohne mich jedoch da aufzuhalten.
Ich sehnte mich nach Erholung, und zugleich galt es nun wohl, mich umzuschauen, um aus den sehr mäßigen noch übrigen Mitteln einen sicheren Unterhalt für die Familie herzuleiten. Auf dieser Reise kam ich nach einem langen Ritt in der Hitze des Juni an das Landgut des bekannten Herrn von Meusebach . Es war das erste steinerne Haus, welches ich in Texas betrat, um nach einem Trunk Kaffee zu fragen. Es war darin sehr fühl, zumal ein Bach, der dicht daneben aus dem Felsen bricht, durch die Wirthschaftsstube geleitet war, um die Milchgefäße darin zu fühlen. Das Fenster, der Thür gegenüber, grade oberhalb des Baches, war offen. Alle meine sonstige Vorsicht war hier unnüß. In demselben Augenblick, in welchem ich in die Thür trat, fühlte ich die Erkältung, und meine Bitte um Kaffee wurde mit flappernden Zähnen vorgebracht. Natürlich bekam ich meinen Kaffee sehr geschwind, und um mich rasch loszuwerden, begleitete mich ein Herr von Auer nach einem Ort, wo man Fremde bewirthe," der Ort war blos vier Meilen über eine ziemliche Berghöhe weg entfernt. Da lehnten Bretter rechtwinklig gegeneinander, um eine Art Dach für einen Kaufladen und Schnapsschant zu bilden. Der Inhaber, ein Herr von Hausmann, wies mir ein Lager an, aus Baumästen bestehend, welche wagerecht an vier Bäumen befestigt waren. Kaum hatte ich mich da zurechtgelegt, so kam er wieder und sagte:" Da mein Partner, Marschall von Biberstein, nicht zugegen ist, muß ich Sie bitten, selbst nach Ihrem Pferde auszuschauen. Trupp Indianer- friedliche, aber wer mag ihnen trauen, wenn sie besoffen sind."
Es dauerte lange, bis ich mit dem Aufstehen fertig wurde; mittlerweile hörte ich, wie die Indianer Schnaps geborgt verlangten( es waren Lipans, welche spanisch sprachen), weil sie bald von San Antonio zurück sein würden, wo sie vom Government Geld zu erhalten hätten. Da sie schon betrunken waren,-hätte er ihnen durchaus nichts verabreichen sollen; er verlangte aber ein Pfand, und als die beiden Weiber, welche dabei waren( sie haben deren immer einige bei sich) ihre silbernen Brustplatten versetzten, ließ er sie saufen, soviel sie wollten.
Ich fand mein Pferd nicht mehr, wo ich's angebunden hatte; ich fand es, wohl eine( englische) Meile entfernt, den langen Strick mit einem Knoten in einen Dornbusch so eingehängt, daß es sich vorläufig angebunden fühlen konnte, aber beim Vorbeigaloppiren der Indianer zur Nachahmung angeregt, sich leicht losreißen konnte. Das nennt der Indianer nicht etwa„ Stehlen", sondern Mitgehenheißen", grade wie unsere Indianer oben und unten.
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Als ich an die Baracke zurückkam, hatte ich noch Humor genug übrig, auf mein Pferd zu deuten und den Indianern eine Nase zu drehen, eine Geberde, welche diese Wilden, die noch Europens übertünchte Höflichkeit nicht kannten", augenblicklich verstanden.
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Ich fand, daß Marschall von Biberstein zurückgekehrt war, der muthigste Bursch, den ich je gekannt, ein fleiner Mann, aber eine Kompagnie für sich. Die viehisch berauschten und zu jeder Gewaltthat fähigen Wilden wichen vor seinen ruhigen Worten und dem bloßen Blick auf einen Revolver wie eine Schafheerde auseinander und waren auf und davon.
( Schluß.)