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Ordensschwindel.
Die meisten Menschen wollen mehr scheinen als sie sind, und um diesem Schein einen äußeren Ausdruck zu geben, haben sie allerlei lächerliches Brimborium erfunden. Was dem Chinesen der farbige Glasknopf auf der Müße, dem Indianer der Feder schmuck auf dem Kopf und dem Botokuden der knöcherne Ring in der Nase, das ist den Europäer der Ordensstern auf der Uniform. Der nackte Wilde unter den Wendekreisen malt sich seine soziale Rangstufe auf die Brust und rißt sich Namen und Stamm auf Arm und Beine, was in Ermangelung jeglicher Konskription noch lange nicht so lächerlich ist, wie der Kammerherrnschlüssel", eine Auszeichnung, die man auf der Rückseite des Körpers und der " Hosenbandorden", den man unter dem linken Knie zu tragen hat. Die nachfolgende wahre Geschichte möge als humoristische Illustration dieser und ähnlicher menschlichen Thorheiten gelten. Am wolkenlosen Himmel zieht die Julisonne abwärts ihre leuchtend stolze Bahn. Heiß ruht ihr Kuß auf dem Ameisen getriebe, das zu bestimmten Tagesstunden vor den wiener Bahnhöfen wimmelt.
Die Uhr am Südbahnhof weist 5 Minuten nach Fünf. Die Schneckenpost, die sich wohl deshalb Eilzug schimpfen läßt, weil sie sich beeilt, zwischen Wien und Baden dreimal anzuhalten, steht in der Halle mit brodelnder Lokomotive zur Abfahrt bereit. Der wetterbraune Zugführer Klopft seine Stummelpfeife aus, wirft nach vorn und rückwärts den letzten prüfenden Feldherrnblick, zieht seine Taschenuhr, um sie mit der Bahnhofsuhr zu vergleichen und mit einem Griff an der Maschine läßt er das eiserne Dampfroß den brausenden Gischt aus den ölgetränkten Nüstern pusten; der rothbemüßte Stationschef winkt und hell erklingt das dritte Glockenzeichen, doch dem Kondukteur friert auf den offenen Lippen das Fertig" ein, denn von der Kasse, welche bekanntlich die bequeme Einrichtung hat, daß sie eine Treppe tiefer liegt wie die Einsteigehalle, kommt in mächtigen Säßen auf der Stiege, die schon verschiedenen Passagieren das Genick gekostet hat, ein auffallend geputzter junger Mann gesprungen und bleibt nach schneller Musterung des Zuges vor einem Coupé erster Klasse stehen, aus dessen offenem Fenster eine feinbehandschuhte Damenhand mit einer Nelke winkt.
Durch den Kausalnerus eines Guldenzettels fühlt sich der herbeigeeilte Kondukteur bewogen, schnell die betreffende Waggonthüre aufzureißen, den Nachzügler etwas unsanft hineinzuschieben, im Vorgefühl des Biergenusses für das unerwartete Trinkgeld mit der Zunge zu schnalzen und schließlich mechanisch gedehnt sein fertig" zu rufen.
Der junge Mann entschuldigt etwas echauffirt die unliebsame Störung mit einer unfreiwilligen Verbeugung, zu welcher ihn der Ruck des abgehenden Zuges zwingt und die Konversation mit dem anwesenden Paar, Vater und Tochter, ist eingefädelt.
Dienstmänner etwas im Unflaren ist. Euphrosynens weißes Piquekleid, das faltenreich die schöngebauten Glieder hüllt und knappgefaßt die volle Brust umspannt, hat sich ein wenig verschoben und läßt ein paar winziger Füßchen sehen, wie sie nur auf dem Trottoir der Ringstraße herumgaukeln. Der zierliche, elastische Fuß, ein Erbtheil der Wienerinnen, das die Strauß und Lanner in's Leben rief, bedingt die leichte Bewegung, den schwebenden Gang und die Anmuth Euphrosynens, furz, er macht sie, wie ihre Landsmännin Fanny Elsler , von der Börne behauptete, daß sie Goethe tanzt", zur gebornen Tänzerin. Aber sie plaudert auch so leicht und anmuthig- immer mit dem AnKlang an die weiche wiener Mundart wie sie geht und tanzt. In dem blüthenfrischen Gesicht spielt ein reizendes Gemisch von Schüchternheit und Lust, mit einem Wort, es ist die sorglose Unbefangenheit des Kindes, die im entscheidenden Falle den festen Charakter nicht ausschließt. Der junge, hochgewachsene, breits schultrige Mann scheint von einer Audienz zu kommen, denn er ist en grande tenue am schwarzen Frack baumelt ein auffallend großer Ordensstern, die kräftig gebauten Hände sind in weiße Glacéhandschuhe gezwängt, die er eben abzustreifen bemüht ist. Das schwarze Kraushaar, die großen, braunen Augen, die unter den kühngeschwungenen Brauen recht unternehmend in die Welt hinausgucken, und der aufgedrehte Schnurrbart verleihen den scharfumrissenen Gesichtszügen etwas Energisches, aber um die vollen, etwas aufgeworfenen Lippen schwebt ein weicher, fast träumerischer Zug.
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Als sich die drei behaglich in ihren Winkel zurecht gerüttelt hatten, bat der junge Mann die Dame, ihm zu gestatten, eine Cigarre zu rauchen, was diese auch mit einem steifschelmischen Kopfnicken gewährte.
Erlauben Sie mir, Ihnen eine Londres anzubieten, die mich 35 Kreuzer fostet?" schnarrte der„ Medizinalrath" mit schleppendem Pathos, und zog mit affenähnlicher Geschwindigkeit ein buntgesticktes und goldbeschlagenes Cigarrenetuis aus der Brusttasche und fuchtelte damit herum, als wenn er Seifenschaum schlagen wollte. Doch plötzlich hielt er inne jezt erst hatte er den Ordensstern des ihm gegenübersißenden Mannes bemerkt und, ihn von Kopf bis zu den Füßen musternd, fragte er respektvoll zögernd: Mit wem habe ich das Vergnügen?"
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Der Fremde überreichte schweigend seine Karte, welche Herr Purzelmeier, nachdem er sie eine zeitlang von allen Seiten bes trachtet hatte, seiner Tochter übergab, die mit komischer Würde die Worte Georgios Popokatopulos, Attaché der königlich gricchischen Gesandtschaft in Wien " vorlas.
" Ah, sehr schön von Ihnen, Herr von Attaché. Da nehmen Sie gleich zwei Cigarren," fuhr schmunzelnd der„ Medizinalrath" fort, und präsentirte seine theuren Londres.
Der Grieche nahm mit unterdrücktem Lächeln die Cigarren und reichte seinerseits dem Purzelmeier Feuer. Als sich blau die romantischen Wölfchen zum Waggonplafond kräuselten, fuhr der alte Herr mit einem schmerzlichen Seitenblick auf sein leeres Knopfloch fort:" Was haben Sie da, Herr von Po- Popokatepetl, für einen Orden?"
Vornehm fühl replizirte Georgios:„ Das ist der Stern von Missolunghi , Hausorden meines allergnädigsten Herrn, des Königs von Griechenland ."
Um die hagere, langgestreckte Stangengestalt des alten Herrn, eines angehenden Sechzigers, schlottert ein großfarrirter Sommeranzug. Auf dem knochigen Rumpf sigt ein unverhältnißmäßig fleiner Kopf, dessen kahle Scheitelfläche ein Panamahut mit breiter Krämpe umschattet. Die grauen, gutmüthigen Augen mustern mit Behagen die ringgeschmückten Finger, und das Alpenglühen auf der etwas aufwärtsstrebenden Stumpfnase verräth, daß ihr Besitzer kein Verächter eines guten Tropfens ist. Die Bewegung seiner langen Arme läßt troß der wohlgezählten Sechzig, die er auf dem ein wenig gekrümmten Rücken trägt, an Lebhaftigkeit Euphrosyne schien plößlich hungrig geworden zu sein, denn nichts zu wünschen übrig, denn wenn er etwas mit seiner sie bearbeitete mit ihren weißen Perlenzähnen das Spizentuch. schnarrenden Stimme erzählt, so scheint seine Linke einen unsicht- So- so!" sagte Papa Purzelmeier, und führte seine Rechte baren Streichriemen emporzuhalten, während die Rechte ein ditto zur Stirn, als ob er darüber nachdenken wollte, in welchem unsichtbares Rafirmesser daran zu weßen scheint. Auf seinen Welttheil Griechenland liegt. Visitenkarten, mit denen er sehr verschwenderisch umgeht, paradirt er als Medizinalrath„ von" Purzelmeier, ist aber schlichter, bürgerlicher Abkunft und seines Zeichens ein Barbier, dem die blinde Frau Fortuna ein Kreditloos mit einem Treffer von 250,000 Gulden in den Schooß geworfen hat.
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Seine Tochter Euphrosine eigentlich heißt sie Nanni- eine achtzehnjährige, sehr hübsche Blondine, die mit dem hereinstolpernden Mann verstohlen einen verständnißinnigen Blick gewechselt hat, ist zum Aerger des Vaters einfach, aber geschmackvoll gekleidet. Er möchte sie am liebsten gleich der Mutter Gottes in Maria Zell " im edelsteinbesäeten Brokatkleid sehen, denn er hat geschworen, sein Schwiegersohn müsse wenigstens ein Diplomat sein, obzwar er in Betreff der Funktionen dieser diplomatischen
Nach einer Pause, während welcher die Blicke der jungen Lente von der Rekognoszirung zum Geplänkel übergingen, hub Purzelmeier, von der Neugierde gestachelt, vom neuen an:„ Und haben Sie ihn von Ihrem König auf dem Schlachtfelde von Miesel Miezl-"
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" Missolunghi "? schaltete Euphrosyne ein und warf mit einem köstlich spöttischen Zug die feinen Lippen auf.
" Der Teufel kann sich all' die wälischen Namen merken," fnurrte Purzelmeter. Haben Sie ihn auf dem Schlachtfeld von Miselonki bekommen?"
Mit mühsam bewahrtem Ernst antwortete Georgios: Nein, denn im Jahre 1828 waren Seine Majestät und meine Wenigkeit noch nicht auf der Welt."