Wie

ihm nicht einen Merkstein der fortschreitenden Gesittung und Humanität, die vor kurzem erst in der französischen   Revolution wiedergeboren waren! Das zweite Bild Robert- Fleurys führt uns in frühe Zeiten zurück; es stellt den Einzug des römischen Konsuls Mummius in die Stadt Korinth   dar. Korinth   war im Alterthum die Stätte raffinirtester Sittenlosigkeit und Völlerei, die Frauen galten fast insgesammt für feile Dirnen, und die Männer waren nicht mehr fähig, ein geordnetes Staatsleben zu leiten. Sie verkamen in Völlerei und Wollust. eine dunkle, blizende Wetterwolfe fuhr das thatkräftige römische Heer über Griechenland   dahin, und was hier alt und morsch war, ward unbarmherzig zerstört. Es war der Kampf jugendlicher Kraft gegen die Schwäche und Versumpftheit des Alters. Die Römer übten ein Weltgericht aus, als sie das griechische Sodom zerstörten, die Männer tödteten und die üppigen Weiber in die Sklaverei führten. Fleury'sche Gemälde stellt den strengblickenden Konsul Mummius dar, wie er seinen Soldaten die betreffenden Befehle gibt. Im Vorder­grunde haben sich die korinthischen Weiber um die erschlagenen Männer zusammengedrängt, sie ringen die Hände, weinen, klagen und jammern. Auch bei diesem Anblick empfindet man trotz der üppigen, nackten Weiber nicht vorwiegend sinnliche Gefühle, sondern eine berechtigte sittliche Zufriedenheit mit dem Strafgericht, welches die Römer über Korinth  gesprochen haben. Ja, wenn alle französischen   Historienmaler ihre Süjets so trefflich aussuchten und sie mit so edler, humaner Gesinnung ausführten, dann ließe man sich auch die Schreckensszene gefallen.

"

"

Das

575

An großen und bedeutenden Historienbildern sind die Kunstaus stellungen der übrigen Völker verhältnißmäßig sehr arm. Bei Rußland  treffen wir auf das Riesengemälde von Siemieradsky: Die lebenden Fackeln des Nero", welches brillant gemalt ist und besonders durch die scharfe Charakteriſtik der einzelnen Figuren sich auszeichnet. Die , lebenden Fackeln" sind Christen, welche der heidnische Tyrann an Pfähle hat binden lassen. Diese waren mit Harz   bestrichen und wurden sodann angezündet. Der ganze Hofstaat Neros, Senatoren, Soldaten, Gladiatoren, Hofbeamte, Buhlerinnen, Tänzerinnen 2c. haben sich im kaiserlichen Garten vor der großen Treppe zum Palaste versammelt, um dem schrecklichen Schauspiel beizuwohnen. Soeben wird das Zeichen zum Beginn desselben von einem Hofbeamten, der ein rothes Tuch schwingt, gegeben, Negersklaven nähern sich mit flammenden Fackeln den armen Opfern. Gewiß ist das eine Schreckensszene, wie sie ärger nicht die Phantasie eines französischen   Malers ersinnen konnte, aber Siemieradsky hat es nicht blos auf den Sinnenreiz und Nervenkizel abgesehen, er entrollt uns in mächtigen Zügen ein großes Blatt aus der Geschichte Roms, er zeigt uns, wie die Tyrannei ihre höchste Höhe erreicht hat, aber auch zugleich, wie in der bethörten und verderbten Menge des Volks Abscheu und Ekel aufdämmern, denn wenn wir alle jene Figuren wohl 60 an der Zahl die Neros Hofstaat bilden, genauer betrachten, so bemerken wir wohl einige, die mit unverkenn barer Freude und Wolluft sich auf die Qualen der Christen zu freuen scheinen, aber die andern drücken, je nach ihrer Individualität, Abscheu, Furcht, Entsetzen, Ekel und Entrüstung aus; unter den Senatoren be­gegnen wir finsteren Mienen, unter den thatvollen Soldaten verächt lichem Hohn, unter den Weibern Mitleid und Angst. Freilich liegt auf allen der Bann, welchen die kaiserliche Tyrannei über sie ausübt, und ein Ausdruck der Energielosigkeit, in welcher zu jenen Zeiten grausamer Wollust auch die Besseren versunken waren. Alles in allem muß man zugestehen, daß der junge polnische Maler mit großem Ernst an seine Aufgabe getreten ist und mit großer künstlerischer Genialität ein charakte ristisches Bild aus der Geschichte des kaiserlichen Roms entworfen hat.

"

Das Gleiche kann man wahrlich nicht von dem noch größeren Bilde, ,, Kaiser Karls V. Einzug in Antwerpen  ", von dem berühmten öster­reichischen Maler Makart  , behaupten. Dieser Künstler brillirt in der Farbengebung; alles, was er malt, ist farbengesättigt durch und durch und von heißer sinnlicher Gluth, besonders in der Darstellung des nackten Fleisches. Das erste Bild, welches ihn berühmt machte, stellte , die Best in Florenz  " dar oder Die sieben Todsünden  ". Auf drei zusammengehörigen Bildern veranschaulichte er die lasterhaften Szenen, in welche sich die Todgeweihten stürzten. Ueppigkeit und Schwelgerei, sinnbethörte und verthierte Lüftlinge und wollüstige, nackte Weiber scheint er seit jener Zeit am liebsten zu malen, und auch sein neuestes Gemälde ist unzweifelhaft aus dieser Sucht nach wollüstigen Phantasie­bildern entsprungen. Kaiser Karl, der mit seinem Hofstaat in die treue holländische Reichsstadt Antwerpen   einzieht, die Bewohner, welche sich auf der Straße drängen und dem jugendlichen Monarchen zujubeln, sind eigentlich Nebensache, den Kernpunkt des Gemäldes bilden sechs bis acht nackende Mädchen, die kokett um sich blicken und dem Kaiser Blumen auf den Weg streuen. Wie diese Frauenzimmer unbekleidet auf die Straße einer nordischen Stadt mit kaltem Klima kommen, ist schwer zu erklären, wenn man nicht eben annimmt, daß der Maler absolut nackende Körper zeichnen wollte. So schön die letzteren auch gemalt sind, so unedel sind die Mienen und Blicke dieser Jungfrauen". Es ist wirklich von Herzen zu bedauern, daß ein so großes Maler­talent, wie Makart  , sich auf solche Irrwege begibt, um der wohlhabenden Bourgeoisie eine pikante Augenweide zu geben und sich gut dafür be­zahlen zu lassen. Dieses Bild ist übrigens von der Preisjury mit der großen Ehrenmedaille preisgekrönt worden. In der österreichisch- ungari­schen Abtheilung hängen noch einige Porträts von Makart  , die sehr schön sind, ferner ein Bild von dem Ungarn   Muncaßki, welches einen

wahrhaft rührenden Eindruck hervorbringt. Der erblindete englische Dichter Milton sigt in einem Lehnstuhl und diktirt seinen jungen Töchtern Verse aus seinem berühmten Gedichte: Das verlorene Paradies  ". Hier herrscht wahrhafte Poesie. Welch' eine Geisteshoheit prägt sich in diesem von irdischer Sorge gefurchten Antlitz aus, während die Ge­danken sich in den höchsten Sphären menschlicher Weltanschauung ver­lieren!

Doch genug der Aufzählung einzelner Gemälde; ich würde gern noch auf ein schönes Historienbild in der deutschen   Kunstabtheilung hin­weisen, aber hier in dem kleinen Raum fanden die großen Gemälde unserer Maler keinen Platz. Deutschlands   Ausstellung ist deshalb auch ganz unvollständig und wesentlich nur mit Genre- und Landschafts­bildern, sowie Porträts angefüllt. Ein Bild von Piloty   ,,, Wallensteins Einzug in Eger  " gehört nicht zu den besten Werken dieses berühmten Malers und berüchtigteren Denunzianten.

Landschaften und Genrebilder finden sich bei allen Völkern in zahl­reicher Menge, und ich kann garnicht daran denken, einzelne besonders anzuführen. Im allgemeinen steht aber fest, daß Deutschland   und Desterreich sich in diesen am meisten auszeichnen, während Frankreich  auf der untersten Stufe steht. Das hat verschiedene Gründe.

Vor allen Dingen finden die Maler hier in Paris  , wo sie allein Ruhm ernten können, nicht jenes Entgegenkommen seitens des Publi­kums, wenn sie Landschaften malen, als wenn sie pikante Frauen und historische Schreckensszenen darstellen. Das pariser Publikum ist im allgemeinen zu blasirt, um noch an einfachen Naturschönheiten oder harmlosen häuslichen Szenen Gefallen zu finden, und es finden sich deshalb nur wenige Maler, die dieser Blasirtheit nicht Rechnung tragen. Dann aber kommt hinzu, daß die Franzosen im Grunde weit weniger humoristisch angelegt sind als wir germanischen Völker, und Humor darf nun einmal bei Genrebildern nicht fehlen, wenn diese nicht lang­weilig werden sollen. Es gibt ja auch hochernste Gemälde dieser Art, aber besonders bei uns Deutschen   wiegt die humoristische Art vor und hat der deutschen   Malerkunst seit alters großen Ruhm eingebracht. Auch unsere Zeit zählt berühmte Meister, deren Werke bei anderen Nationen ihres Gleichen nicht finden. Knaur, Meyerheim  , Hasenclever, Defregger  , Güssow sind noch die bekanntesten. Sie verbinden mit einer meisterhaften Technik und lebhaften Wiedergabe der Natur mehr oder weniger derben und feinen Humor, der ohne satirische Bitterkeit ist und deshalb jeden Menschen, der unbefangen ihre Gemälde betrachtet, bis in's innerste Herz hinein erfrischt und erfreut. Die Werke dieser Meister sind es denn auch, die dem deutschen   Namen auf der Ausstellung die größte Ehre eingebracht haben und selbst von den Franzosen rückhaltlos bewundert werden, was bei der noch immer herrschenden Deutsch­feindlichkeit und der horriblen Eitelkeit der Franzosen   in der That sehr erfreulich ist. Freilich wird auch bei uns in der Genremalerei von vielen Künstlern viel gesündigt. Vor allem ist es zu bedauern, daß in dieser Beziehung so massenhaft produzirt wird, und da läuft selbst­verständlich viel Unbedeutendes und Schlechtes mit unter. Es iſt die­selbe Geschichte, wie bei der Schreckensmalerei der Franzosen  . Unsere wohlhabenden Kunstliebhaber haben eine Vorliebe für dieses Genre und kaufen solche Bilder mehr als andere, schon weil sie billiger sind. Wo aber viel Nachfrage, wächst auch das Angebot, aber die Auswahl bei letzterem ist nicht grade groß. Wo soll denn auch den vielen Malern, die tagaus tagein nichts als Genrebilder malen, Zeit und Stimmung herkommen, um das tägliche Leben der Städter und Landleute auf­merksam studiren und betrachten zu können, und wie viele von ihnen müssen sich gewaltsam in eine humoristische Laune hineinarbeiten, denn nur wenigen ist ächter, frischer Humor von Mutter Natur verliehen! So kann man rechnen, daß unter zehn Genrebildern, die in Deutsch­ land   gemalt werden, neun fehlen könnten, ohne dadurch unserm Ruhm Eintrag zu thun. Da sind viele, die sich durch weiter nichts als natu­ralistische Naturtreue auszeichnen, kein Hosenknopf, kein Staubflecken fehlt, die Gesichter sind treue Porträts lebender Modelle, aber die Szene, welche dargestellt ist, langweilt. Wie unzählige male ist schon die ,, Mutterliebe" dargestellt worden, eine junge Frau, die ein Kind auf dem Arme hält, oder der aus dem Kriege heimkehrende Soldat, oder das Innere eines Dorfwirthshauses, oder ein verliebtes Paar, oder eine alte Frau, die Strümpfe strickt, oder das betende Kind, oder­was weiß ich sonst noch. Alle gleichgiltigen Situationen in unserem häuslichen Leben müssen den Malern herhalten. Fürwahr, es steckt in diesen bildlichen Nachahmungen der geringfügigsten Dinge, Menschen und Situationen ein gut Theil Impotenz, vermengt mit engherziger Philisterei, die unfähig ist, das Größere von dem kleineren, das Edle was das öffentliche vom Gemeinen zu unterscheiden. Unsere Zeit ist und soziale Leben anbetrifft eine der gewaltigsten und interessantesten, sodaß es wahrhaft sonderbar erscheint, unsere Künstler noch immer im gewöhnlichsten, alltäglichsten Kram herumwühlen zu sehen, obgleich dem Genremaler soviel Großartiges zur Darstellung geboten wird. Arbeiterleben allein umfaßt so viele Momente, welche werth wären, künstlerisch dargestellt zu werden! Aber wenn man eine solche Anfor­derung stellt, gleich wird die Parole ausgegeben, das ist politische Tendenz, die die Kunst nicht befördern darf. Nun, ich bin der Mei­nung, lieber tendenziös malen als langweilig und gleichgiltig, und daß man nicht immer tendenziös zu sein braucht, wenn man sein Süjet aus dem modernen öffentlichen Leben nimmt, beweist das schöne Bild von Professor Mepzel: Die Schmiede", ein lebensvolles, packendes

-

Das