IX. Unangenehme Nachrichten. Als der Fabrikant eintrat, saß der Künstler ganz in der Be­trachtung der türkisch ägyptischen Schönheiten vertieft.

Ist er fort?" fragte der Besucher, mißtrauisch an der Thür stehenbleibend.

Jawohl, fort und über alle Berge."

,, Gott   sei Dank, er fing mir an sehr lästig zu werden. Hatte sich der Mensch eingebildet, sich in meine Familie einzuvettern, und meine Tochter Melanie, hatte sich, weiß Gott  , soweit unter ihrem Rang vergessen, daß sie gar die alberne Idee hatte, ich würde so etwas zulassen. Die Liebe eines gewöhnlichen Arbeiters zur Tochter des alleinigen Steuerzahlers erster Klasse in diesem Orte, in diesem Steuerbezirk!"

Ja, bei den jungen Leuten schießt die Phantasie dahin ohne Zaum und Zügel. Hatte er sich doch segar eingebildet, ein Patent zu erlangen für eine Erfindung, die er gemacht haben wollte."

,, Hat er davon gesprochen? O, der Phantast, garnichts hat er erfunden; ich, ich habe..."

,,, ich weiß, ich weiß, es ist die lächerlichste Geschichte. Und denken Sie, er läuft da nach der Kreisstadt, um einen Advokaten für sein vermeintliches Recht zu gewinnen. Er hat da einen Advokaten, der ein halber Sozialdemokrat sein soll."

,, Nicht möglich, ein Advokat und Sozialdemokrat!" Ja, es passiren wunderbare Dinge in unsrer verrückten Zeit, das politische Schwindelfieber ergreift alle Schichten der Bevöl­ferung."

,, Der Mensch wird sich blamiren. Ich werde drei Advokaten annehmen und die berühmtesten noch dazu. Ich hab's ja."

Es wird dessen nicht bedürfen, denn das ganze Patent ist Schwindel."

,, Wieso? Was wissen Sie davon?"

,, Nun, unsereins kommt überall hin und erfährt fast alles." ,, Ah was, ein Theil der Erfindung ist gut, aber der ist von mir und der soll mir auch ein Erfleckliches einbringen. Ich habe auch schon umfassende Vorkehrungen getroffen; sobald das Patent da ist, lege ich los; ein hunderttausend Thaler im ersten Jahre sind mir gewiß."

,, Und ich sage Ihnen: es ist Schwindel!"

Herr Kunst..."

,, Gut, ich weiß, was ich sage. Ich habe mit dem Regierungs­rath am Table d'hôte zufällig von Patenten gesprochen, und der sagte mir, daß dieje Patentangelegenheit bedenklicher Natur sei. Aber Sie wollten ja die Haremsschönheiten des Vizekönigs von Aegypten   schen. Sehen Sie nur hier: Zoë..."

Ein reizendes Frauenzimmer, in der That; welche Formen! Aber, haben Sie nichts zu trinken? Ich bin von dem Laufen durstig geworden."

Hier ist eine Flasche Ihres herrlichen Schaumweins. Gläser haben wir zwar nicht, auch feinen Pfropfenzieher, aber wir wissen uns zu helfen. Sehen Sie!"

Mit einem Schlag an die Wand enthauptete der Künstler die Flasche und reichte sie, nachdem er selbst einen kunstgerechten Zug gethan, dem Fabrikanten, der seinem Beispiele folgte.

,, Es ist einem ganz anders zu Muthe," bemerkte der lettere, indem er mit einem Ausdruck der Zufriedenheit die Flasche nieder­setzte ,,, wenn man so eine Gabe der Natur genossen. Was in­dessen das Patent..."

,, Und sehen Sie hier: Pamina, des Vizekönigs zweite Favorite, mit den langen, goldblonden Locken, die wie glänzendes Geschmeide auf ihre alabasterweißen Schultern herabrollen."

,, Schön, prächtig; sie könnte einen zu einer Vergnügungsreise nach Aegypten   verleiten. Aber zunächst wollte ich wegen des Patentes..

Profit, Herr Krummbügel!" unterbrach der Künstler, indem er seinerseits die Flasche um einen beträchtlichen Theil ihres In­halts beraubte. Sie bringen mich da auf eine Idee. Wenn ich nun eine Reisegesellschaft auf gemeinschaftliche Kosten arrangirte, mit der Andeutung, daß man gewisse Beziehungen zum Haus­pascha des Vizekönigs behufs Einblick in den Harem zum größeren Vergnügen der Reisegesellschaft auszunügen in der Lage ist..." Fünfhundert Theilnehmer sind Ihnen ganz gewiß, ich garan­tire. Aber lassen Sie mich weiter sehen."

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Ja, Sie fragten wegen des Patentes; denken Sie, die Er­findung ist gestohlen."

,, Gestohlen? Wie? Nicht möglich!"

,, Ein Fabrifant in M. hat sie früher gemacht und sich zur Herstellung der Modelle eines Schreiners bedient, mit dem er zerfallen und der sie weiter geplaudert hat. Der Mann hat in­zwischen sein Patentgesuch eingereicht, und als man ihm mittels Restript bekannt gab, daß bereits ein früheres Gesuch wegen eben solcher Erfindung nur mit Hinzufügung einer ganz un­praktischen Zuthat im Bureau des Ministeriums vorliege, hat er bei der Staatsanwaltschaft wegen Betrugs denunzirt, und der Regierungsrath war gespannt darauf, wie sich die Sache schließ­lich herausstellen würde."

,, Es ist die Möglichkeit! Nein, wer hätte so etwas gedacht. Nein, unser heutiger Arbeiterstand ist keinen Schuß Pulver werth. Keine Spur von Reellität mehr! Und ich Thor gehe auf den Leim! Ich hätte mir's doch denken können, daß der Kühne nicht der Mann dazu sei. Zehntausend Thaler habe ich für Einrichtung der Werkstätten hinausgeworfen, eine Menge Metall bestellt, das ich nicht zu verwerthen weiß, Maschinen sind in Arbeit, die mir auch keinen Deut mehr nügen werden, da das Geschäft so wie so faul ist, und dazu eine Kriminalflage! Nun, ich werde sofort mein Patent zurückziehen und den Urheber des Betrugs denun­ziren."

,, Aber Sie sagten doch, Herr Krummbügel, daß Sie der eigentliche Erfinder seien?"

,, Der Verbesserung der Erfindung habe ich gesagt, das ist was ganz anderes."

,, Ach so, das ist wohl das, was der Regierungsrath eine ganz unpraktische Zuthat nannte?"

,, Der Regierungsrath und überhaupt die Regierung versteht davon garnichts. Das sind überstudirte Leute, unpraktische Köpfe. Aber ich weiß, was ich thun muß. Ich werde an's Ministerium eine Eingabe machen, durch welche ich das Patentgesuch, als auf Irrthum beruhend, zurückziehe. Herr Kunst, seien Sie heute mein Gast beim Mittagessen."

,,, ich muß heute arbeiten, ich brauche Geld."

,, Gut, aber ich brauche Sie, ich möchte jetzt nicht allein sein, ich brauche einen verständigen, einsichtsvollen Menschen, der mir unverholen seine Meinung sagt, und so etwas suche ich bei meinen angestellten Beamten vergeblich, die wissen nur Komplimente und Bücklinge zu machen und zu errathen, was ich gern hören will." Da haben Sie sie schlecht erzogen."

"

,.Nun, ich muß doch auf Disziplin halten. Wenn die Leute etwas wären, würden sie doch nicht bei mir Brot suchen?" ,, Aber ich verliere einen Arbeitstag."

,, Wieviel verlangen Sie?"

Was denken Sie?"

,, Nun, es soll mir auf drei Thaler nicht ankommen." ,, Drei Thaler, für mich? D, Herr Krummbügel, Sie schätzen die Kunst wie ein Barbar. Wenn Sie noch zwanzig Thaler gesagt hätten."

Zwanzig Thaler für einen Tag! Da haben mein erster Buchhalter und mein Kassirer zusammen noch nicht die Hälfte!" ,, Das ist mir ein Beweis, daß Sie Ihre Leute schlecht be­zahlen. Aber was thut das mir?"

,, Nun gut, Sie sollen zwanzig Thaler haben und Essen und Trinken noch dazu. Wo soviel zum Teufel geht und noch mehr auf dem Spiele steht, da will ich nicht knausern. Also zwanzig Thaler;' s ist ein Heidengeld, aber Sie sollen es haben, ich brauche einen Mann, wie Sie sind, heute. Also kommen Sie." Ja, ist es Ihr Ernst, wollen Sie mir die zwanzig Thaler gleich geben?"

,, Gleich? Mißtrauen Sie einem Manne, welcher die ganze erste Steuerklasse im Bezirk repräsentirt?"

,,, es ist nicht deshalb, sondern zur Vermeidung von Irr­thümern."

,, Gut, hier haben Sie zwanzig Thaler. Haben Sie noch etwas Champagner?"

,, Gewiß, langen Sie nur zu, Sie wissen ja nun, wie man sie zu behandeln hat. Einen Augenblick Geduld, ich werde gleich salonfähig sein. Sie können inzwischen die anderen Harems­schönheiten studiren."

( Schluß folgt.)