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Draußen im Hofe sah sich Schweder nach Willisch um. In einem Winkel des Hofes stand dieser bei einem einspännigen Geschirr, dessen Pferd eben der Hausknecht des Wirthshauses hielt, um dem Herrn des Gespanns das Aufsteigen auf den Wagen zu erleichtern.
Schweder schritt rasch auf die Gruppe zu. Willisch sah ihn kommen; er brückte dem Hausknecht ein Trinkgeld in die Hand und verabschiedete ihn. Dann trat er mit der Dekonomenmüze,
die er jetzt zu tragen pflegte, in der Hand, dicht an seinen Gönner heran.
Das Entsehen war ein allgemeines. Wanda hatte keinen| Lämmerschwänzchen herab, während das andere wie ein WegLaut vernehmen lassen, aber sie war leichenblaß geworden vom weiser nach dem Nasenflügel hinzeigte. Dazu waren Rock und Schrecken. Die Frau Doktor Winter war nun wirklich in Ohn- Beinkleid mit Staub bedeckt, Manschetten und Hemdkragen gemacht gefallen, aber doch so vorsichtig gewesen, daß sie mit dem quetscht, kurz alles so in Unordnung, daß der Arme sich von Oberkörper auf einer breiten Holzbank und mit dem Kopf auf Kopf bis zu Fuß umkleiden mußte, um in seinem Aeußeren der Lehne derselben lag. Herr Alster und der alte Herr Klose wieder so untadelig zu erscheinen, wie es die Welt von ihm geeilten herzu, um dem, wie sie meinten, verunglückten Schweder wöhnt war. beizustehen. Aber dieser war nicht einmal zu Fall gekommen, er stand hochaufgerichtet, nicht anders, als ob er von einer Treppe einen Kunstsprung gemacht hätte, im Saale, während ein anderer stöhnend am Boden lag. Dieser war der Herr Doktor Wichtel, den die fallende Leiter richtig am Rücken gestreift hatte. Geschehen war ihm, wie sich bei näherer Untersuchung herausstellte, auch nicht das mindeste Schlimme und umgeworfen hatte ihn nicht die Leiter, sondern der Schreck. Das konstatirte Schweder zu großer Befriedigung und einiger Heiterkeit der Gesellschaft. Es war dies indeß nicht das erste, was Schweder that. Kaum hatte er auf seinen Füßen gestanden, so hatte er Willisch, an den jetzt die Reihe des Erstaunens gekommen war, einen nicht mißzuverstehenden Wink gegeben. Willisch hatte den August, den sein Anblick so in Entzücken versezt hatte, gleichfalls und keineswegs zu seiner Freude bemerkt. Das Intermezzo fam wirklich wie gerufen, und der Wink Schweders machte der augenblick= lichen Unentschlossenheit des Hoffnungsvollen Rittergutsbesitzers ein Ende. Er benutzte die allgemeine Verwirrung und drückte sich einfach. Kein Mensch fümmerte sich um den abschiedsLos Scheidenden. Erst nach einigen Minuten erinnerte sich August an den wiedergefundenen Cousin. Wo nur auf einmal der Cigarrenreisende Schneider hin gekommen sein möchte,
wagte er leise den Herrn
Klose zu fragen. Dieser
wußte natürlich keine
Da bin ich schön in die Patsche gerathen, gnädiger Herr; der August hat mich wiedererkannt und der Herr, den Ihre Leiter mit umgerissen hat, muß mich auch kennen, freilich nicht als Cigarrenreisenden, wohl aber als Dienstmann, was für einen Rittergutsbesitzer schließlich noch blamabler ist's ist ' ne ganz niederträchtige Geschichte, aber ich bin, weiß Gott , so unschuldig daran, wie ein neugeborenes Kind."
" Zur Unterhaltung haben wir keine Zeit, Willisch; machen Sie, daß Sie fortkommen. Dort steckt schon wieder der Esel, Ihr Pseudocousin, seine Spionirnase zum Tempel heraus. Also auf Wiedersehen, Herr Ritterguts besitzer auf Ihrem Gute; da Ihr geschwächtes Nervensystem von dem Schreck so angegriffen ist, daß Sie einen Schlaganfall befürchten mußten, so werden Sie gut thun, Sich wenigstens fünf Tage nicht
Silbe von einem Cigarrenreisenden Schneider.„ Nun, der Herr| von Ihrem Gute zu entfernen. Sie verstehen mich und werden mit dem schönen Schnauzbart, der eben hier war."
Herr Klose setzte ihm auseinander, daß der Herr keineswegs Schneider heiße und Cigarrenreisender sei, sondern der Herr Rittergutsbesitzer Willisch.
August schüttelte sehr bedenklich den Kopf.
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Wo mag er aber nur hingekommen sein dieser Herr Ritter , der mit meinem Cousin Schneider so eine ganz verfluchte Aehnlichkeit hat; ich sag' Ihnen, so ähnlich, wie ein Ei dem andern ist er ihm, das Gesicht, die Stimme, der Gang- blos der Bart ist anders, weiter nichts."
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Klose lächelte über Augusts Naivetät. Daß aber der Herr Rittergutsbesizer oder Ritter, wie August wollte, so plög lich und so spurlos verschwunden war, das erschien auch ihm sonder bar. Er machte die Gesellschaft darauf aufmerksam. Niemand fonnte es begreifen. Schweder versprach, sich nach dem Herrn umzusehen. Er verließ gleichzeitig mit Wichtel den Saal, dessen Toilette ziemlich derangirt war; das sorgfältig gekräuselte Haar strebte immer noch steif von Fett und Schreck widerspenstig gen Himmel, das eine Ende des Schnauzbarts hing schlaff wie ein
Sich darnach richten."
Willisch saß auf dem Wagen. Er knallte mit der Peitsche und empfahl sich respektvoll:
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" Ja, ja, mein angegriffenes Nervensystem, sehr richtig! Werde zuhause bleiben. Hätte ich eine Ahnung gehabt, hätte ich mich diesem Schlaganfall im Leben nicht ausgesezt."
Er fuhr davon, als gälte es eine Wettfahrt. Schweder begab sich zurück in den Saal und entschuldigte den von einem heftigen Unwohlsein plötzlich ergriffenen Herrn Willisch.
Kurz darauf erschien, mit märchenhafter Geschwindigkeit frisch aufgewichst, der Doktor Wichtel. Er fand nicht, wie er gefürchtet hatte, Schweder im Gespräch mit Wanda. Beim Umkleiden waren ihm merkwürdige Gedanken gekommen. Sein erster Blick von der Erde auf, nachdem er von der so merkwürdig gefallenen Leiter Schweders umgeworfen worden, war auf dessen Gesicht gewesen. Es war ihm, als ob er einen Zug eines fast teuflischen Hohnes darin bemerkt hätte. Schweder war von der Leiter gesprungen, so sicher, wie kaum einer springt, der da fällt. ( Fortsetzung folgt.)