Lone Woll

25.

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Illustrirtes Unterhaltungsblatt für das Volk.

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Erscheint wöchentlich.- Preis vierteljährlich 1 Mark 20 Pfennig. In Heften à 30 Pfennig. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postämter.

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Dem Schicksal abgerungen.

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Novelle von Rudolph von B...... ( Fortsetzung.)

Wie ein Blizz leuchtete es dem Juristenscharfsinn Wichtels junior auf. Der Fall Schweders war von diesem selbst gemacht aber warum? Um ihn, Wichtel, todtzuschlagen? Lächerlich! Das wäre eine sehr ungeschickte Manier, jemanden aus der Welt zu schaffen sehr ungeschickt und ungeheuer unsicher. Aber vielleicht, um ihn umzuwerfen, ihn lächerlich zu machen das erstere war ja auch wirklich geschehen und das letztere hatte Schweder ver­sucht, und ihn auf einige Zeit vielleicht hatte Schweder gehofft, auf mehrere Stunden zu beseitigen. Und wenn ihn die Leiter nun nicht nur ganz leicht am Rücken gestreift, sondern- etwa an der Schulter ordentlich und derb getroffen hätte? Dann wäre er nicht für Stunden, sondern für Tage aus der Gesell­schaft ausgeschlossen gewesen, bis die Folgen des gewaltigen Schlages, den er da empfangen, völlig gehoben worden wären. Dann hätte Schweder freies Spiel gehabt aber wozu und womit? Was wollte Schweder überhaupt jezt zu Weihnachten hier oben im Gebirge? Daß er den Nothstand mit eigenen Augen sehen und untersuchen wollte, war eine Lüge eine offenbare Lüge! Er hatte sich auch noch nicht einen Augenblick um die Noth der Gebirgsbevölkerung gefümmert. Wichtel junior sah keine andere Ursache für Schweders Reise, keine andere Ver­anlassung für das absichtliche Umstürzen mit der Leiter, als- Wanda! Zweifellos war es so. Warum sollte Schweder nicht ebenso, wie die Wichtels, in neuester Zeit dahinter gekommen sein, daß Alster hinter dem Rücken aller seiner näheren Bekannten in fremden Papieren spekulirt und glücklich spekulirt habe. Daß er viel mehr Geld besize, als man vermuthet. Daß er allein im stande sein würde, die Industriegesellschaft Alster , Wichtel, Senkbeil bei Fortdauer des allgemeinen industriellen Nothstandes über Wasser zu halten. Warum sollte er sich nicht auch entschlossen haben, Alsters Schwiegersohn zu werden? Daß Wanda auch einen Roué begeistern könne, das hatte Wichtel junior an sich selbst zur genüge erfahren, soweit Roués überhaupt zu begeistern und zu fesseln sind.

Gewiß, so mußte es sein. Aber wenn das Streben, ihn bei Wanda auszustechen, auch der Hauptgrund von Schweders Unfall war, so brauchte es doch nicht der einzige Grund zu sein. Dieser ebenso rasch auftauchende als verschwindende ,, Rittergutsbesitzer" mit der frappanten Aehnlichkeit ja, mit wem? Wichtels Erinnerungsvermögen mochte durch die wilde Hazz der Gedanken, welche durch seinen Kopf stürmten, gestört sein; nur soviel schien ihm gewiß, daß er dasselbe Gesicht oder ein fast ganz gleich

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1880.

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ausschauendes schon früher gesehen hatte und zwar bei einem Manne in Lebensverhältnissen, welche von denen eines Ritter­gutsbesizers himmelweit verschieden waren. Halt da jezt durchzuckte ein Lichtblitz Wichtels Gedächtniß so und nicht anders sah jener Dienstmann aus, den er Wichtel junior schon als Student gekannt hatte, gekannt als den pfiffigsten, ver­schwiegensten und entschieden auch gebildetsten aller derartigen Kommissionäre in P. Der Mann war dann, wie sich Wichtel jetzt entsann, einige Zeit verschwunden gewesen, um vor garnicht langer Zeit zwei oder drei Jahre mochten es sein- wieder in P. und wieder als Dienstmann aufzutauchen. Damals sah ihn Wichtel auffällig oft in der Nähe seiner Wohnung, ja, er hatte ihn sogar einmal, wenn nicht öfter, ihm Hofe seines väter­lichen Hauses mit demselben alten Diener in sehr vertraulicher Unterhaltung gefunden, welcher ihm und seinem Vater als Schleicher und Horcher schließlich so verdächtig geworden war, daß sie ge­glaubt hatten, ihn entlassen zu müssen.

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Hatte nicht Schweder auf der Fahrt nach Waltersdorf erklärt, daß er einen Rittergutsbesizer hier in der Nähe kenne? Gewiß! Und da kam dem scharfsinnigen Herrn Doftor noch ein Ge­danke: Wichtel senior hatte gelegentlich seinem Sohne mitgetheilt, daß der Käufer, welcher sich für eines der wichtelschen Güter gefunden hatte, ein Klient Schweders sei, der diesem jedenfalls nur als spanische Wand dienen sollte, hinter der der Chefredakteur des ,, Tageskorrespondenten" ungesehen vom Publikum bei dem späteren, höchst wahrscheinlichen Verkauf des Gutes an die Eisen­bahn den Löwenantheil des Profits einstreichen könnte. Das Gut mußte hier in der Gegend liegen natürlich! Vielleicht war hier oder in P. etwas über die Antecedentien des Besizers zu erfahren; und wenn es sich vielleicht nachweisen ließe, daß der allezeit vornehm reservirte Lebemann einem simplen Dienstmann zu einem solchen Avancement verholfen, einem Dienstmann, der mit einem spionirenden Bedienten im wichtelschen Hause in ver­dächtiger Verbindung gestanden hatte, dann dann fand sich vielleicht auch der Weg zur Erklärung des Räthsels, wie Schweder vor zwei Jahren so spielend leicht aus einem ein harmloses Parasitenleben führenden, mäßig bemittelten Privatmanne eine einflußreiche Person, wie er vor allen Dingen in so gradezu unheimlicher Weise in die Geheimnisse und Schwächen des Ver­hältnisses zwischen den Häusern Alster und Wichtel eingedrungen und wie es ihm gelungen war, ihnen den Seufbeil auf den Hals zu setzen, den sie, wie die Wichtels längst überzeugt waren, wenn

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V. 20. März 1880.