Wetterschwankungen. Als eines der wichtigsten Resultate der Fahrt haben wir jedenfalls Bessels Entdeckung zu verzeichnen, daß der Golf­strom nördlich vom 75° 50' in der Bassinsbay nicht mehr zu suchen ist, während seine Wärmewirkung nordöstlich bis an die Gestade von Nowaja Semlja   fühlbar ist. Dies wohl hauptsächlich der Grund der ungünstigen Eisverhältnisse im westlichen Polarbecken.

Dr. Bessels   große Verdienste um die naturwissenschaftlichen Samm­lungen der ,, Polaris" wurden derart anerkannt und allgemein gewür­digt, daß eine im Januar 1880 in Halifax  ( Britisch- Amerika) tagende geographische Gesellschaft demselben die Führung der neuesten Nordpol­expedition( Juni 1880) übertragen hat.( Fortsetzung folgt.)

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Die Ueberschwemmung des Nils an den Pyramiden von Gizeh.( Bild Seite 292). Hundertundachtzig deutsche Meilen von Kairo  , der Hauptstadt Aegyptens  , liegt die Stadt Chartum  . Als Mittelpunkt der Wüste, die von den Armen des weißen und blauen Nils durchströmt, östlich vom Rothen Meer begrenzt, sich endlos nach West und Süd ausbreitet, ist das ärmliche Chartum das End­ziel zahlloser Karawanen, welche die Erzeugnisse des Landes und die europäischen   Einfuhrsartikel in das Innere Afrikas   schleppen. Tau­sende von Jahren sind im Strom der Ewigkeit verrauscht, und die Kultur, die alles beleckt, hat sich noch immer nicht auf die Kara­wanen erstreckt. Wenn wir die in der Bibel geschilderte Begegnung des Erzvaters Abraham mit Melchisedech und die heutigen Kara­banen vergleichen, werden wir, mit Ausnahme der Flinte und der Pfeife, nicht viel wesentliche Veränderungen wahrnehmen. Jetzt soll es aber anders werden, schreibt Dr. Nachtigal, der deutsche Konsul in Chartum  , an die berliner Geographische Gesellschaft. Um seine neu­erworbenen Provinzen im Süden zu sichern, beabsichtigt die ägyptische Regierung den Bau einer Eisenbahn Kairo  - Chartum  . Das genügsame Kameel, dieses Schiff der Wüste, soll von dem kohlenfressenden Dampf­roß verdrängt werden. Die Poesie der Wüste wird dadurch zerstört, jammern die Idealisten, ohne dabei zu bedenken, daß mindestens ein halbes Jahrhundert vergeht, bevor das Wort zur That wird.

Borderhand begnügt sich der neugebackene Bicekönig von Aegypten  , Khedive Tefik genannt, mit den althergebrachten Mitteln. Seine süd­lichen Nachbarn, König Johann von Abessinien und König Menelek von Schoa, liegen sich in den Haaren und der Khedive ernährt die Hälfte seiner Kriegsmacht auf ihrem Gebiet durch Kontribution. Das Em pörende an dieser neuen Art und Weise, kostenfrei Soldaten zu halten, ist der Umstand, daß ein Engländer, Gordon Pascha  , diese entmenschte Soldateska kommandirt. In diesen unglückseligen Ländern, wo in trockenen, regenarmen Jahren tausende von Menschen verhungern, däucht uns eine Verbesserung des Feldbaues durch künstliche Berieselung wich­tiger wie der Bau einer Eisenbahn durch eine menschenleere Wüste. So lange es die Gläubiger des Vizekönigs von Aegypten  , die Engländer und Franzosen  , nicht in die Hand nehmen, kommt es überhaupt nicht zum ersten Spatenstich. Den nüchternen, aber arbeitsscheuen Herren des Landes, die von Arabien   herübergekommen sind, um die eingeborenen Fellahs, Nubier und Abyssinier zu schinden, sitzt das Nomadenthum tief in den Knochen und macht sie zu jeder geregelten Thätigkeit un­tauglich. Das wußte ihr schlauer Landsmann Mohamed, der Gründer des Islam, und hat diesem unbezwinglichen Wandertrieb dadurch Rech nung getragen, daß er jedem seiner Anhänger eine fromme Bummelei, die Pilgerfahrt nach Mekka  ( Arabien  ) zur Pflicht machte. Tausende und Abertausende pilgern jahraus, jahrein von Indien  , aus den ent­legensten Winkeln Nordwestafrikas und vom fernen Balkan nach Mekka  , um die heilige Kaaba( der Sage nach ein vom Himmel gefallener Stein, in Wahrheit aber ein Meteor) zu küssen. Die unbegrabenen Leichen der verhungerten Fanatiker bezeichnen den Weg von Djeddah  ( einem Hafenort im Rothen Meer), nach Mekka   und sind wahrscheinlich der Keim der Cholera, die auf ihrem Fluge nach Westen die Mensch heit dezimirt. Aber noch ein Faktor ist es, der den von den Paschas ausgeplünderten Fellah in seiner Trägheit bestärkt, es ist dies eine Naturerscheinung, die mit der Pünktlichkeit der Ebbe und Fluth, aber nur einmal im Jahre auftritt- das regelmäßige Steigen und Fallen des Nilstromes, der den lockeren Marschboden Aegyptens   durchdringt und dem landwirthschaftlichen Betrieb einen fast bis ans Wunderbare streifenden Ertrag gewährt. Seitdem wir die im abessinischen Hoch­land und im äquatorialen Afrika   niedergehenden periodischen Regengüsse kennen, wissen wir auch, daß nur sie das Steigen des Stroms bedingen, welches in Aegypten   Mitte August so zugenommen hat, daß das Land nach allen Richtungen hin reichlich bewässert und von dem schlammigen Niederschlag frisch gedüngt ist; und zwar ohne Menschenarbeit. Bis Ende September ist der höchste Wasserstand erreicht und im Oktober beginnt das allmähliche Fallen. Das Sinken währt bis in die zweite Hälfte des Mai. Der feine, röthliche Schlamm, den der Fluß in seinem Lauf mit sich führt, um ihn in Aegypten   abzusetzen, trägt zur Erhöhung des Bodens bei und beträgt in einem Jahrhundert ungefähr 10 Centi­meter. Herodot  , der 450 Jahre vor Christi Geburt Aegypten beschrieb, sagt: Aegypten   sei ein Geschenk des Nils, des Vaters der Ströme, dessen alljährlich wiederkehrende segenspendende Anschwellungen dies älteste Kulturland der Erde bilden halfen. Dieser Boden, der unter den Tritten der macedonischen Phalanx des Alexander, der römischen Legion des Julius Cäsar   und des französischen   Quarrè's des Napoleon Bonaparte  

erdröhnte, und der seine Fruchtbarkeit den verwesten Gebeinen persischer und assyrischer Söldner, griechischer und phönizischer Schif­fer, muhamedanischer und christlicher Fanatiker verdankt, erzeugt, von Nilwasser befruchtet, Weizen mit 25-50 fältigem Ertrag und Reis mit 50-100 fältigem Ertrag, Zuckerrohrpflanzungen gedeihen ohne jegliche Mühe und der Baumwollenbau liefert alljährlich 100 Millionen Kilogramm. Und doch sind wieder große Strecken des Landes eine Wüstenei und Einöde, deren brütende Stille weder der Schall mensch­licher Tritte noch der Schrei eines Hausthiers unterbricht. Die wilde Natur gewinnt wieder ihre vollen Rechte über die weiten Gefielde welche ihr der menschliche Fleiß vor Jahrtausenden schon abgerungen hatte. Wo früher prangende Städte gestanden hatten, blieben nur noch zerbröckelnde Trümmer sichtbar.

Sehen wir uns das großartige Panorama unseres Bildes an, auf dem Jahrtausende hindurch die bedeutendsten Akte der Weltkomödie abgespielt wurden. Aegypten   war die Wiege der griechisch- römischen und somit auch unserer heutigen westeuropäischen Kultur, und von den ältesten Zeiten bis auf unsere Tage haben die Wellen fast aller hervor­ragenden Ereignisse des Menschengeschlechtes den Fuß dieser steinernen Kolosse, Pyramiden genannt, umspielt, die im Hintergrunde unseres Bil­des aus der Wasserwüste hervorragen.

Das geistige Klima dieser Regionen ist besonders der Erzeugung von Religionssystemen günstig gewesen, die ägyptisch- griechisch- römische Mythologie und die Ein- Gott- Systeme des Judenthums, Christenthums und Islams, alle sproßten unter der Treibhaushize dieser Himmels­striche hervor und sind gleichsam aufeinander gepfropfte Zweige des felben Stammes, dessen uralte Wurzeln, vom grauen Moose der Un­wissenheit und des Aberglaubens überwuchert, an den Quellen des Nils feimen. Sind die Pyramiden von Gizeh Monumente zur Verherrlichung der fast allmächtigen ägyptischen Priesterkaste oder Erinnerungszeichen geschichtlicher Ereignisse, sind sie die Gräber oder Schazkammern ihrer Erbauer aus der Cheopsdynastie, sind sie astronomische Meßinstrumente, Observatorien, oder Wasserleitungen? Von den Konjunkturen über den Zweck dieser kolossalen Bauten ist noch keine einzige unwiderleglich be­wiesen. Die in der Nähe von Kairo   stehenden Pyramiden von Gizeh, sind wie jene von Memphis  , von Bruchsteinen erbaute Massen, die, zu Kirchthurmshöhe aufgethürmt, anf meist quadratischer Basis sich er­heben. Diese ungeheuern Steinmassen sind im Innern mit nur wenigen engen Gängen versehen und endigen oben in eine Spiße oder kleine Fläche. Wie es in jenen Tagen, wo Muskelkraft fast die einzig be­tannte war und die mechanischen Wissenschaften noch in den Kinder­schuhen steckten, möglich gewesen, das Material zu diesen Kolossen aus meilenweit entfernten Steinbrüchen heranzuschleppen und diese Bauten mit einer mathematischen Genauigkeit aufzuführen, die selbst von den Architekten unserer Tage, mit allen möglichen Hülfsmitteln und Kennt­nissen ausgerüstet, nicht übertroffen werden kann, wird wohl für die Wissenschaft stets eine offene Frage bleiben. Es ist bei dem praktischen Sinn der alten Aegypter nicht leicht anzunehmen, daß sie die Muskel­kraft mehrerer Generationen verschwendet hätten, um in den Pyramiden Mausoleen für eine einzige Mumie, und wenn es auch die eines Königs wäre, zu errichten. Das ginge ja noch über die heut beliebte Kräfte­vergeudung! Und doch hat man in jeder Byramide, in welche man gedrun gen, nur einen Sarkophag gefunden. Mumien sind in keiner der ge­öffneten Pyramiden mehr vorhanden und im nördlichen Aegypten   über­haupt nicht mehr ,, wild", sondern nur im Museum des Khedive( Vize­fönig) in Kairo  ( Hauptstadt Aegyptens  ) zu finden. Die Grabstätten der Pharaonen und Priester des alten Wunderlandes sind in den letzten Jahrhunderten unverantwortlich geplündert worden und besonders im 17. und 18. Säculum war der Export von Mumien zu medizinischen Zwecken ein so starker, daß zu verwundern ist, daß der Artikel nicht schon gänzlich geräumt wurde. Vor letzterem Schicksal hat ihn auch nur die starke Fabrikation frischer Mumien bewahrt, welche besonders im Anfange des vorigen Jahrhunderts in schwunghafter Weise in der ägyptischen Hafenstadt Alexandria   betrieben wurde. Unser Jahrhundert hat sich von dem Mumienschwindel emanzipirt, um dem Kultus anderer Quacksalbereien zu huldigen.

X.

Er hat

Seltsame Meerbewohner. Welch' fabelhafte Phantasie die Natur bei der Erzeugung ihrer Produkte entfaltet, zeigt recht deutlich die sonderbare Gesellschaft, welche unsere Illustration auf Seite 293 heute den Lesern vorführt. Da ist zunächst der mit 1 bezeichnete Zitter­rochen, ein zur Ordnung der Quermäuler gehöriger Fisch, welcher häufig im Mittelmeere vorkommend, durch seine elektrischen Eigen­schaften schon den alten Griechen und Römern bekannt war. eine nackte, schlüpfrige Haut, einen vorn gerundeten, scheibenförmigen Körper, einen kurzen Schwanz und mißt im Durchmesser 50 Centimeter. Seine elektrischen Organe, von denen er willkürlich Gebrauch machen kann, wendet er mit mehr oder weniger Erfolg gegen feindliche An­griffe oder gegen die zu erhaschende Beute an. Sie liegen links und rechts zwischen Kopf, Kiemen und dem innern Rand der Bauchflossen und sind aus einem Gerüst von Bindegeweben gebildet, welche zahl­reiche, zur Längsachse des Körpers senkrechtstehende, aneinander ge­drängte Fächer aufweisen. Die letzteren werden vielfach durch feine, aus zarten Bindegeweben gebildete parallele Querscheidewände in noch kleinere Fächer abgetheilt, von denen jedes einzelne eine aus zart