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muß Oswald Frankenthal ein trefflicher Mensch sein. Glück­licher Vater! Zu euch, ihr Blätter, in denen ich so oft der Seele Stürme austoben ließ, in denen ich mich barg und mein Fühlen, wie der von den empörten Wellen willenlos Geschleuderte sich anklammert an des Felsenriffes Moos. Das Herz ist ein Kaleidoskop. Wir glauben es in die rechten Formen und Normen gelegt zu haben, ein Ruck des Schicksals und alles ändert sich, alles wechselt; mein armes Herz, nein, nicht mein armés, mein reiches, mein großes Herz, mein glückliches, soviel der Fülle der Empfindung noch tragen, noch verstehen zu können.

Wie es tobt und hämmert. Ich muß mich zur Ruhe zwingen, falt berichtend, objektiv wie von Fremdem, soll, wird es mir gelingen.

Auf Frankenthals, des Jugendfreundes, Meldung empfing ich ihn sogleich; unwillkürlich musterte ich, was ich nie vorher gethan, auch ihn bei seinem Eintritt. Wie mein Jakob, schien auch er mir an Alter weit voraus, sein Haar war beinahe völlig ergraut, das milde, bartlose Antlig von leisen Furchen durchzogen; wohl mehr die Sorge als die Zeit mochte sie mit unverlöschbaren Zügen gezeichnet haben.

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Nie hatte ich bei Frankenthal die Aeußerung einer gedrückten Stimmung bemerkt, ich wußte, daß er zuweilen mit Schwierig feiten zu kämpfen hatte, ihm unbewußt, fand ich Gelegenheit, sie zu ebnen, er selber verrieth sie mir, feinfühlend, fürchtend, Samit an meine Großmuth zu appelliren, weder durch Miene noch durch Wort. Heute schien er aber in einer besonders freudig bewegten Stimmung; nachdem Jakob mit seinen Instruktionen das Zimmer verlassen, konnte ich nicht umhin, ihn nach der Ur­sache zu befragen.

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Seit gestern Abend," erwiderte er, weilt mein Sohn, mein Oswald, bei mir. Er hat seine Studien ehrenvoll bestan den, seine Zeugnisse, im Maschinenfach namentlich, sind trefflich, nachdem er in der Stadt, wo er seine Lehrzeit beendete, be­reits als geschulter Hülfsarbeiter fungirte, will er sich hier nieder­lassen, um selbstständig zu wirken. Gebe Gott nur, daß sich des braven Jungen Streben erfülle und daß ich ihm so zur Seite stehen könnte, als meine Liebe es wünscht und seine Treue es

verdient."

Ist Ihr Oswald ein so guter Sohn, lieber Frankenthal , ist er nur seines trefflichen Vaters würdig," erwiderte ich. Und was seine Karrière betrifft, ich schmeichle mir, in maßgeben­den Kreisen nicht ohne Einfluß zu sein, und gern, einem alten Jugendfreunde zulieb, bin ich zu jedem Schritt in dieser Hinsicht Ich dachte mir's," sagte

bereit."

Frankenthal drückte mir die Hand.

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er einfach. ,, Und je eher wir etwas für die Jungen thun, um so besser. Ich glaube, ihn quält der Ehrgeiz. Ich finde ihn verändert, eine gewisse Traurigkeit liegt in seinem Wesen, eine Erregtheit, die ich sonst nicht an ihm gekannt."

Ich mußte lächeln. Wie alt ist Ihr Oswald?" fragte ich. ,, Dreiundzwanzig wird er zum Herbst."

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Sollte nun nicht ein anderer Grund mit ins Spiel kom­men; sind Sie der Vertraute seines Herzens?" Frankenthal schien zu stußen. Wenn es wäre," sagte er aber er hatte bis jetzt kein Geheimniß vor mir Er ward nachdenklich.

leise

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,, Hören Sie mich, lieber Freund," nahm ich das Wort ,,, wir wollen es erproben, indem wir seiner Thätigkeit Stoff geben, ihm zugleich zu Namen und Wohlstand verhelfend. Keinen Dank, was ich thue, ist Freundespflicht.

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,, Von einem amerikanischen Techniker habe ich das Geheimniß der Erfindung eines neuen Maschinensystems zur Tuchbereitung zu freiester Benutzung angekauft. Nicht lange erfreute sich der Urheber der Frucht seines Geistes. Er starb vor wenig Wochen, sein Geheimniß, dessen alleiniger Erbe ich bin, mit ihm; aber er lebte lange genug, die Konstruktion der bewußten Maschine zu vollenden. Jeder Tag kann sie bringen, bewährt sie sich, wie ich die Ueberzeugung habe, wird sie dem Besizer eine Quelle des Wohlstandes und ihrem Verfertiger desgleichen. Ich stelle Ihrem Oswald das Geheimniß des Systems zum Studium zu Gebot, er mag daran lernen, noch verbessern, zu den Lor­beeren des Erfinders eigne Blüthen hinzuthun."

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Den Ausdruck des Glücks in Frankenthals Zügen zu be­schreiben, ist der Feder unmöglich. Wie lieb muß er seinen Sohn haben, wie gesegnet hat Gott ihn; Liebe und ich--? ,, Mag Oswald selber seinem edlen Gönner danken," sagte er, ich habe mir erlaubt, ihn hierher zu bescheiden, um, wenn es Ihnen recht, ihn meinem alten Jugendfreunde vorzustellen, von dem ich ihm schon viel berichtet. Er harrt meiner im Vor­garten."

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Daß ich den jungen Mann sofort ins Haus nöthigen ließ, ist selbstverständlich. Er kam, ein hübscher, wohlgewachsener, junger Mann, das gutmüthige Antlitz des Vaters, doch fehlt der Ausdrunk der Intelligenz nicht darin.- Bescheiden und frei­müthig zugleich nahte er sich mir; Oswald Frankenthal ist eine Erscheinung, die sympathisch anmuthet, und doch, obgleich ich das Bewußtsein seines Werthes fühlte, hatte ich in seiner Nähe ein gewisses Gefühl des Befangenseins, der Unbehaglich­keit, jenes Gefühl, das mich zu ergreifen pflegt, wenn die Luft mit elektrischen Strömen geschwängert und ein Gewitter im An­zug ist.

Brennstoffe und Wohnungsheizung.

Von Rothberg- Lindener.

Es war während des letzten Theils einer Reise nach der Hauptstadt eines modernen Kaiserreiches, daß ich, etwas ermüdet von der Betrachtung der mit furchtbarer Konsequenz zwischen Flugsand, Kieferwald, Wolfsmilchplantagen und Bruchwiesen abwechselnden Landschaft, den Blick wieder nach innen, das heißt auf die Mitreisenden im Coupée, richtete. Sofort wurde mir ein Antheil an der sogenannten Unterhaltung gewährt, deren Kosten mit aristokratischer Verschwendung ein junger Mann fast ganz allein trug, der nichts einzuwenden haben würde, wenn man ihn in Kürze als ganz patent modern" bezeichnete. Die Größe und Noblesse seines Stammhauses" in Dundee - das mit eignen Augen zu sehen, ihm leider nie beschieden war! die einzig dastehende Qualität der von ihm generalvertretenen Jutegewebe; seine Ueberzeugung bezüglich der Wichtigkeit seiner Sendung, durch welche erst die von ihm berücksichtigten Bedürftigen lauter feine Häuser" Befriedigung eines schmerzlichst gefühlten Bedürfnisses erfahren könnten; dann wieder Andeutungen über die ihn in der Hauptstadt erwartenden außerdienstlichen, aber natürlich wohlverdienten Genüsse, von denen ich mir nach den Hauptbeiwörtern ,, famos, göttlich" eine genügende Vorstellung machen konnte: das waren die mit Beharrlichkeit kaleidoskopisch immer wieder gemischten Ingredienzien der mir freundlichst ge­spendeten, gebildeten Unterhaltung.

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Ohne Furcht, deren Faden zu verlieren, hatte ich schon wieder

( Fortsetzung folgt.) Sozialdemokratische Partei Deutschlands

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holt den Kopf zum Fenster hinausgesteckt, um ein Zeichen vom Reiseziel zu erspähen. Endlich entdeckte ich das erste und konnte eine erfreute Bemerkung nicht zurückhalten. Mein ausgezeichneter Mitreisender bemühte sich vergeblich, das Anzeichen gleichfalls zu sehen ,,, troßdem er doch routinirter" sei, als andre Leute. Ich machte ihn nun auf einen ziemlich ausgedehnten Schmutzflecken am flaren Septemberhimmel aufmerksam: das von der Weltstadt emporgesandte Kohlenrauchopfer! Infolge davon mußte ich, nach einer herablassenden Anerkennung meiner richtigen Beobachtung, eine Dithyrambe über mich ergehen lassen über den Segen der Arbeit, die unendlichen, kaum zu fassenden Fortschritte, die ,, man" heutzutage mache, die alle beglückenden Resultate der Industrie, besonders der durch den Handel befruchteten: von all' dem spricht zu dem modernen Gebildeten jene Rauchwolke!" schloß er emphatisch.

Durch die vorhergegangene Anerkennung kühn gemacht, wagte ich noch hinzuzusehen: Aber auch von einem guten Theil Un­wissenheit, mangelhaften Einrichtungen und unverantwortlicher Verschwendung!" Das möglichst weite Hinwegrutschen meines Mitreisenden von meiner Person zeigte mir ohne Worte die Miß­billigung meiner als Beweis jener verwerflichen allgemeinen Un­zufriedenheit anfgefaßten Bemerkung.

Nicht um mich bei meinem gebildeten Mitreisenden vielleicht nachträglich noch in ein besseres Licht zu setzen, sondern um die