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So plaudernd waren die drei in Oberbartenstein angelangt. hervorgerufen durch die Ueberzeugung, wie wenig sie doch, wohl­Kurz nachher trafen auch die übrigen Mitglieder der alster  'schen erwogen, solche Erfolge verdient habe kehrte Wanda kurz vor Gesellschaft ein, bis auf den Doktor Wichtel, von dem nichts Neujahr mit ihren beiden Begleitern, der Frau Doktor und dem mehr zu sehen und zu hören war, bis andern Tags von ihm Herrn Klose, aus dem Gebirge zurück. Trotzdem der ungeheure ein Brief zu Händen des Herrn Alster kam, der mit beleidigend Tumult des halben Dußends von Weihnachtsbescheerungen, welche fühlen, ja höhnischen Worten anzeigte, daß er nach dem Aus- sie meistens mit Hülfe der Geistlichen und Schullehrer der be­bruche tindischen Trozes bei seinem Fräulein Tochter, welcher treffenden Ortschaften veranstaltet hatte, sie furchtbar aufregte, ihn, Wichtel, in eine gradezu blamable Situation selbst einem hielt sie tapfer bis zu Ende aus. Aber den stürmisch begeisterten ordinären Handwerker gegenübergebracht hätte, auf die Fort- Danksagungen für ihre Güte und Barmherzigkeit", für ihre setzung seiner Bewerbung Verzicht leiste und nur die zuversicht- ,, engelhafte christliche Nächstenliebe", und wie die übertreibenden liche Hoffnung aussprechen könne, Herr Alster   werde durch eine Versicherungen hell auflodernder Verehrung der hunderte von eklatanteste Genugthuung, wie er sie sich auch von dem Chef- beschenkten Kindern und ihrer Eltern nur immer lauteten, diesen redakteur des Tageskorrespondenten" zu verschaffen gedenke, die hätte sie beinahe nicht standgehalten. Sie mußte sich mit aller Aufrechterhaltung der guten Beziehungen zwischen den Häusern Gewalt zur Ruhe und gefaßter Haltung zwingen, und wenn nicht Wichtel und Alster ermöglichen. während der beiden Weihnachtsfeiertage auf ihre dringende Ein­ladung Frizz sie begleitet und sie ein wenig zerstreut hätte, ihrem erschütterten Gemüthe Stüße und Stab gewesen wäre, und wenn dann, als er nothgedrungen nach P. zurückkehrte, um seine Redaktionsarbeiten wieder aufzunehmen, nicht seine Mutter sich ihrer auf ihre ausdrückliche Bitte angeschlossen und sie besser auf­zurichten verstanden hätte, als es die gute, phlegmatische Frau Doktor Winter vermochte, so hätte sie sich doch troß ihres energi­schen Willens und all' ihrer Jugendkraft der selbstgesetzten Auf­gabe wahrscheinlich nicht gewachsen gezeigt.

Die Herren Alster   und Schweder hatten am Weihnachtsabend noch eine längere Konferenz gehabt, an deren Schluß sie mit warmem Händedrucke von einander schieden; Herr Alster, um mit Herrn Klose bei dem Kantor für eine Nacht Quartier zu nehmen, während die Frau Doktor Winter mit Wanda bei dem Pastor von Oberbartenstein einlogirt wurde; Herr Schweder, um eine Rundreise im Gebirge zu beginnen, auf welcher er alle Orts­vorstände, Gutsbesizer, Forstbeamte, Geistliche und Lehrer besuchen wollte, zu dem offiziellen Zweck, authentische Mittheilungen über den Nothstand zu empfangen, und zu dem nichtoffiziellen, in der Gegend eine kräftige Agitation zu Gunsten des Eisenbahnbaues zu erwecken.

Beide Absichten erreichte er völlig. Der Tageskorrespondent" konnte eine ganze Serie höchst pikant geschriebener Artikel über die Noth im Gebirge und die gewaltige Bethätigung des Wohl­thätigkeitssinnes bei der wohlhabenden Bevölkerung des Landes bringen; und bald konnte er auch berichten, und die Wahrheit seiner Berichte mit einer garnicht enden wollenden Kette von Eingesandts beweisen, daß die Bevölkerung des Oberlandes, und zwar Reich und Arm, Hoch und Niedrig auf das lebhafteste ein­genommen sei für den völligen Ausbau der Eisenbahn nach allen in Aussicht genommenen Richtungen.

An Erfolgen noch reicher, als Herr Schweder, aber ohne daß sie ein anderes Gefühl davontrug, als das der Beschämung,

Mit wochenlangem Kopfweh und wochenlanger Nervenauf­regung büßte Wanda die Kühnheit ihrer, so leichten Herzens übernommenen, Samariterrolle, und doch empfand sie, einmal befreit von dem unmittelbaren Drucke jener drangvollen Tage, eine wenn auch schmerzliche Genugthuung darüber, daß ihr jezt ein Blick zu thun vergönnt gewesen in die Tiefen des Menschen­daseins, daß sie hatte heraustreten können aus den sonst so fest abgeschlossenen Kreisen städtischer Wohlbehäbigkeit, mit eigenem Auge zu schauen, mit eigenem Ohr zu hören, was an Noth und Leid abertausende von Menschenexistenzen bedrückt. Sie fühlte, daß die letzten Wochen des eben vergangenen Jahres aus dem harmlosen, übermüthig heiteren Kinde, das sie immer noch ge­wesen, eine ernste, weit über ihr Alter gereifte Jungfrau gemacht hatten.

( Fortsetzung folgt.)

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Forschungsfahrten im nördlichen Polargebiet.

Geschichtliche Zusammenstellung von Dr. M. Traufil.

( Fortsetzung.)

Das Gleiche gilt für jene großartige Erscheinung, für jenes zweite physikalische Räthsel der arktischen Zone, für das Nordlicht. Wer dieses Phänomen in seiner vollen Pracht gesehen hat, wie in der lautlosen Umgebung das ganze Firmament in intensiven Farbenflammen aufzu gehen scheint, wenn die Nordlichtstrahlen in toller Hast sich gegen den Zenith überſtürzen; wer die Aufregung gesehen und an sich selbst er­lebt hat, welche durch diese Erscheinung, in der die alten Urelemente und die Geister des Abgrundes zu kämpfen scheinen, hervorgebracht wird dem muß es zur Lebensaufgabe werden, den dichten Schleier lichten zu helfen, der über die arktischen Regionen ausgebreitet ist. Von welchem Einfluß ferner die Eismassen an den Polen   auf die Vertheilung und Feuchtigkeit an der Erdoberfläche sein müssen, liegt auf der Hand. Das Eis der Polargebiete ist der Regulator unserer klimatischen Verhältnisse; und der Ursprung vieler heftigen Orkane, welche über Europa   und Nordamerika   hereinstürmen, ist sicherlich im hohen Norden zu suchen. So sieht sich also auch die rasch aufblühende Meteorologie genöthigt, die Fundamente ihres Baues in den Polar­ländern zu gründen.

Daß die Geographie mit größter Spannung dem Entscheid über die Vertheilung von Wasser und Land, über die Gletscherbildung im Innern der nordischen und der südlichen Kontinente, über Luft- und Meeresströmungen, entgegensieht, braucht nicht erst hervorgehoben zu werden; aber auch Astronomie und Physik sind durch die Fragen über die Abplattung der Erde, die atmosphärische Refraktion, die gesammten Eisverhältnisse und Aehnliches in Mitleidenschaft gezogen. Zoologie und Botanik dürfen, abgesehen von der Auffindung noch unbekannter Formen, namentlich vom Studium des Wanderlebens der Thiere, der geographischen Verbreitung der Pflanzen und vor allem der Fauna des Meeresbodens in den höchsten Breiten werthvolle Resultate erwar­ten: das Schleppnet hat dort jetzt schon fast bei jedem Zuge wissen schaftliche Schäße zu Tage gefördert. Geologie und Paläontologie end­lich können ihre Erwartungen faum hoch genug spannen, seitdem uns von Spißbergen und Grönland   die schönsten Reste einer reichen, fast tropischüppigen Flora und Fauna zugekommen sind.

Wie viele dieser hochwichtigen Probleme sind nun durch die bis­herigen Anstrengungen bereits gelöst worden? Keines! Ja, man kann nicht einmal behaupten, daß, außer der Entdeckung einiger neuen In­seln, Buchten und Meeresströmungen, irgend eine der oben berührten Fragen auch nur ernstlich in Angriff genommen wäre. Nach all den Opfern an Geld und Menschenleben, welche die Polarforschung gekostet hat, sind wir über das Wichtigste gerade noch völlig im Dunkeln, sind uns höchstens die Augen darüber aufgegangen, daß dort unendlich viel zu thun sei, daß wir es aber wohl etwas anders anfangen müßten, wenn wir ,, bleibende Errungenschaften" erzielen wollten.

Aber irgend ein triftiger Grund muß doch vorhanden sein, der diesen Wetteifer aller zivilisirten Nationen und jene Begeisterung er­klärt, mit welcher die Mittel zu manchen dieser Expeditionen zusammen­gebracht wurden, mit welcher tapfere und verdiente Männer ungewissen drohenden Gefahren entgegengingen, und mit welcher die glücklich Heimgekehrten dann von allen Seiten empfangen und gefeiert wur­den. Und die Zahl dieser Polarfahrten hat in den letzten Jahren be­ständig zugenommen. Abgesehen von den kleineren Expeditionen von Wilczek, Heuglin  , Nordenskjöld  , Gray, Payer und Weyprecht sind hier besonders zu nennen: die zweite deutsche   Nordpolfahrt der Germania" und ,, Hansa" unter Kapitän Koldeway; dann die amerikanische   Expe­dition der Polaris" unter Kapitän Hall; die österreichisch- ungarische Expedition des Tegetthoff  " unter Payer und Weyprecht und endlich die letzte, die im Juni 1875 abgegangene englische   Expedition unter ,, Commodore Nares" mit zwei Dampfern, Alert" und ,, Discovery", mit einem Aufwand von mehr als 150 000 Pfund Sterling ausgerüstet und mit der speziellen Weisung versehen, durch den Smithsund, in welchem die Polaris" bereits den 82. Grad erreicht hatte, so weit als möglich vorzudringen, und dann per Schlitten dem heißersehnten Biele, dem Nordpol  , zuzustreben. Wo also, fragen wir nochmals, liegt der zureichende Grund für alle diese kostbaren und gefahrvollen Unter­nehmungen?

Gerade herausgesagt, es ist nichts anderes, als die nationale Eifer­sucht und der allgemein menschliche Abenteuertrieb, welche es verstanden haben, unter dem Deckmantel des wissenschaftlichen Forscherdranges die Sympathien und die Geldmittel der gebildeten Völker nach jenen Ge­bieten zu lenken, wo noch am ehesten etwas zu machen" war, nach den Polarregionen, wie nach dem großen weißen Fleck im Junern Afrikas  ! Wir brauchen wohl nicht mehr ausdrücklich zu betonen, daß