wurde. Auf dem so gewonnenen Boden gab er im Jahre 1849 seine Arbeit über Shakespeare , die den großen Briten fast zu einem eingeborenen Geiste machte und welcher die englische Literatur nichts Ebenbürtiges entgegenzustellen vermag, heraus. Seit wir uns unter Gervinus ' Leitung im Geiste anderer Völker umgesehen, kehrten wir urtheilsreifer nach dem eigenen Musentempel heim und lernten an fremdem Maße den eigenen Besiz abschäßen. Dafür wird der Dank der Wissenschaft dem am 18. März 1872 heimgegangenen Gervinus in der Geschichte der Kultur für alle Zeiten ein ehrendes Andenken sichern. Dr. M. T.
Sauya- el- Istad in der Oase Kufra.( Bild Seite 425.) Wir haben in Nr. 17 des laufenden Jahrgangs der ,, Neuen Welt" erzählt, daß im nördlichen Afrika eine islamitische Jesuitengesellschaft, Snussi genannt, besteht und bringen heute die Abbildung der Residenz des Jesuitengenerals Sidi- el- Mahdi, das stattliche einer Bergfeftung gleichende Sauya- el- Istad. Es ist ziemlich gleichgültig, ob dem Gründer der christlichen Jesuiten , Ignatius Loyala, diese mohamedanischen Fanatifer als Vorbild gedient haben, oder ob es umgekehrt der Fall war. Der Afrikareisende Schweinfurth berichtet merkwürdige Dinge über die auffallende Uebereinstimmung der Klostereinrichtung und der Ordensregeln der Snussi und Jesuiten . Jedenfalls sind beide Sorten geriebene Ränkeschmiede. Der Afrikareisende Gerhard Rohlfs , der bekanntlich in der Nähe von Sauya- el- Istad in der Dase Kufra ausgeplündert worden ist, hält die Snussi für die Anstifter dieser Schandthat. Wie sie den Verdacht von sich abzuwälzen bemüht waren, schildert Rohlfs folgendermaßen: Während im Anfang unseres Aufenthalts in der Dase Kufra die Bewohner von Sauya- el- Istad sich so feindselig gegen uns verhielten, daß sogar unseren arabischen Begleitern der Zutritt zu diesem Ort untersagt wurde, brachte nach unserer Ausplünderung das Erscheinen Sidi- el- Husseins, der rechten Hand des Sidi- el- Mahdi, einen vollkommenen Umschwung hervor. Während vorher und auch noch zwei Tage nach unserer Beraubung schon die bloße Annäherung an Sauya- el- Istad für eine Frevelthat angesehen wurde, kam jetzt der fromme Mann selbst, um sein Bedauern wegen des Ueberfalls auszusprechen und bemühte sich, so viel wie möglich die Mitschuld an jener Schandthat ganz von den Schultern eines seiner Brüder, des Sidi Aghil, abzuwälzen durch die einfache Erklärung, er gehöre gar nicht zu den Chuan( Genosse) der Snussi. Er brachte drei Ziegen, Datteln, Zwiebeln als Gastgeschenk, wodurch die Snussi ihre aufrichtigen Gesinnungen bethätigen wollten. Nach einigen Tagen kam der gute Mann wieder und sagte in echt jesuitischer Manier, er habe gehört, ich hätte mich gewundert, daß die Snussi keine Früchte aus ihrem Garten mitgeschickt hätten. Auf meine Entgegnung, daß eine solche Aeußerung meinerseits nicht gefallen sei, erwiderte er: Wie dem auch sei, sende einen der deinigen mit einem Lastesel; er soll unsern Garten besuchen, und was er an Früchten findet, mag er mitnehmen, du selbst aber und Stecker Effendi werdet besser thun, nicht zu kommen." Rohlfs betraute mit dieser interessanten Mission, den Garten der Chuan der Snussi zu besuchen, seinen Reisegefährten Franz Eckart aus Apolda , dem wir auch unsere Abbildung von Sauya- el- Istad verdanken. In Begleitung eines Arabers brach Eckart am nächsten Morgen auf. Vor sich her trieben die beiden einen mit Hängekörben versehenen Esel, der den Gartensegen tragen sollte. Der Garten lag etwa fünf Kilometer von dem Lager der rohls'schen Karawane. An der Eingangsthür wurde Eckart von einigen Chuan empfangen, welche ihn sodann in dem wohlgepflegten und schönen Garten umherführten. Wo nur irgend eine vorzügliche Frucht bemerkt wurde, brachen sie selbe, und sie wanderte in den Korb. Orangen, Citronen, Melonen, Granatäpfel und herrliche Datteln waren das Resultat dieser Inspektion. Daß aber auch Wein und Oliven dort gedeihen, bewies eine Rebenpflanzung, die sich als langer Gang in Kreuzform durch den ganzen Garten zog, und schön belaubte Olivenbäume, welche den am Boden gezüchteten Gemüsen, Eierfrüchten, Tomaten und Pfeffer Schatten gaben. Natürlich predigen auch die Snussi dem Volke Wasser und trinken Wein. Von hier aus gewann Eckart denn auch auf das nahegelegene Sauya- el- Istad einen Blick. Das beigegebene Bild ist von Südwesten aus gezeichnet und gibt mit großer Treue diesen merkwürdigen Ort wieder. Links liegt der große Garten, während man Sauya- el- Istad auf steinigem, unfruchtbarem Boden erbaut hat. Der Ort ist von einer hohen Steinmauer umgeben, hat im Innern eine große Moschee, ein Hauptgebäude für den Ordensvorsteher, eine Schule und andere Wohnungen für die Chuan, für einige Kaufleute und die vielen Sklaven der Chuan. Freie Bewohner umfassen die Ringmauern von Sauya- el- Istad etwa 250. In der Nähe des befestigten Ortes stehen auch noch einige baufällige Gebäude. Das
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Klostergebäude der Snussi ist von geschickten Maurern aus Kairo aufgeführt worden, so daß es sich in Bezug auf Festigkeit und Regelmäßigfeit vortheilhaft von den anderen es umgebenden Stein- und Erdklumpenwohnungen unterscheidet. Bei seiner Rückkehr wurde Franz Eckart und der vollbeladene Esel mit großem Jubel begrüßt. Von den Früchten wurde gleich eine große Partie an die eingeborenen Begleiter der rohlf'schen Expedition vertheilt und mit besonderer Ehrfurcht von ihnen in Empfang genommen; kamen sie doch aus dem heiligen Garten, und hatten die Bewohner der Oase Kufra doch noch nie Gelegenheit gehabt, aus dem Garten ihrer Geistlichkeit Früchte zu bekommen. Die Chuan der Snussi sind gewohnt, Geschenke zu empfangen, jedoch nie von ihrem Ueberfluß zu geben; aber dafür ertheilen sie ihren Segen. Um diesen Ueberfluß in der Wüste glaubwürdig zu machen, sind wir den Lesern eine Berichtigung in Betreff der Bodenverhältnisse der Sahara schuldig. Die Wüste" zwischen den Gestaden des Atlantischen Oceans bis zu den Gebirgen Nubiens und Aegyptens ist keineswegs so ganz das trostlose sandige und steinige Tiefland, wie man früher glaubte, sondern ihre Plateaus sind voll Einsenkungen, die selbst feste Ansiedelung des Menschen gestatten und den Wanderstämmen Weidegrund bieten. Zumal ist dies in dem Wüstentheil, wo Sauya- el- Istad gelegen ist, und in der lybischen Wüste der Fall, wo die Einsenkung südlich von Kyre naika sich über 10 Breitengrade erstreckt und bei Bir Ressam 104 Meter unter der Meeresoberfläche erreicht. Das Kettengebirge des Atlas, welches die Sahara von Agadir im Westen bis Tunis im Osten durchzieht, gestattet nur die Bildung kleiner Küstenflüsse, wie Schelif, Tafna, Jsly u. a. m. sowie zahlreicher Binnenflüsse, welche in den geschlossenen Längenthälern von Salzseen aufgenommen werden und sich in Sümpfen verlieren. Bedeutendere Gewässer sind also selten, dagegen ist hier das Gebiet der Regenbäche, die bei einem Gewitterregen plötzlich zu verheerender Größe anschwellen, um ebenso rasch wieder zu versiechen. Ganz anders, wo der tropische Regen mit seiner Wasserfülle regelmäßig eintritt; da weicht die Wüste der Steppe und fruchtbaren Landschaft des Sudân. Ueber die Beschaffenheit des noch wenig bekannten Sudan werden wir nicht lange mehr im Unklaren schweben, d. h. vorausgesetzt toenn der Tod unsere Pioniere der Wissenschaft nicht hinrafft. Der Vorstand der ,, Afrikanischen Gesellschaft" in Berlin hat nach der Rückfehr des Dr. Rohlfs nach Deutschland dessen bisherigen Begleiter Dr. Steder ermächtigt, von Kufra nach Borum zu reisen und von dort gegen den Congo vorzubringen; als der günstigste Weg bietet sich der durch Adamaua dar, während der von Aegypten aus gemachte Vorschlag, über dieses Land nach Madai zu gehen, der Fortseßung der Reise von da aus nach dem Süden größere Schwierigkeiten in den Weg legen würde. Von Dr. Buchner sind günstige Nachrichten eingetroffen; wahrscheinlich ist derselbe schon längst in der Residenz des mächtigen Muato Jamno eingetroffen. Dr. Lenz hat sich bestimmen lassen, statt im Hohen Atlas Forschungen anzustellen, nach Timbuktu zu reisen. Wie aus Marocco berichtet wird, hat er den Atlas bereits überschritten und ungeachtet der Schwierigkeiten, die der Fanatismus der Bewohner ihm gemacht, die Residenz Frler erreicht, von wo er seinen Eintritt in die Sahara und seine weitere Reise nach Timbuktu unternehmen wird. Wenn wir nun noch die Berichte des Dr. Hilde brandt über Land und Leute von Madagaskar , die bei der berliner Geographischen Gesellschaft eingetroffen sind, anführen, so haben wir alles berichtet, was seit dem Abschluß unseres Artikels ,, Afrika und seine Erforschung" von deutscher Seite geleistet worden ist. Der größte. Binnensee Afrikas , der Tanganyika , fordert schon den Wettstreit der drei europäischen Kulturvölker heraus. Veranlaßt durch die Errichtung einer deutschen Station am Tanganyikasee, ist nun auch eine französische Expedition ausgerüstet, um in Usagara, zwischen Zansibar und dem Tanganyikasee, gleichfalls eine Station zu errichten. Der Engländer Tompson hat mit dem Missionär Stuart das Südende des Tanganyikasees erreicht und hier erkannt, daß das Steigen des Sees nur periodisch und daß der Pugafluß ein Ausfluß des Sees ist beide Ergebnisse stehen der Ansicht Stanleys entgegen. Eine Transportgesellschaft zwischen der Küste des Indischen Ozeans und dem See Ashinwird eingerichtet werden, auch hat ein englischer Philantrop eine namhafte Summe für Etablirung des Dampferton in Leeds verkehrs auf dem See hergegeben. Zum Schluß noch einige Nachrichten von dem erfolgreichsten aller Afrifaerforscher, dem Amerikaner Henry Morton Stanley . Die leßten Berichte seiner Afrikaexpedition sind vom 31. Januar und zwar aus dem Lager bei Wiwi, gegenüber der zweiten Stromschnelle, oberhalb Nöfi's, der letzten europäischen Handelsstation am rechten Ufer des Congostromes. Es würde uns nicht Wunder nehmen, wenn der Amerikaner Stanley, wie einst mit Livingstone, mit dem Desterreicher Stecker im Hochland Centralafrikas zusammenY. träfe. Glück auf!
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Inhalt. Jdealisten, von Rudolf Lavant ( Fortseßung). Ueber deutsche Familiennamen, von M. Wittich( Schluß). WohnungsDem Schicksal abgerungen, Irrfahrten, von L. Rosenberg( Fortseßung). heizung und Ventilation, von Rothberg- Lindener( Fortseßung). Novelle von Rudolph v. B......( Fortseßung). Die Republiken Südamerikas in ihrer Vergangenheit und Gegenwart. Historische Skizze von Dr. M. Vogler( Fortseßung). Georg Gottfried Gervinus ( mit Porträt). Sauya- el- Istad in der Dase Kufca( mit Jülustration).
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