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Desto gesprächiger war meine Seele und desto lebendiger meine Phantasie: Da steht ihr, ihr alten verrosteten Zeugen alter Zeit, einstmals bestimmt gewesen, Verderben unter die Menschheit zu senden, manches hoffnungsvolle Menschenleben, auf dessen Entwicklung Zeit, Geld, Liebe und Güte in unendlicher Geduld verwendet worden war, auf immer zu vernichten. Zu welchem Zweck bist du, einst die Civilisation mächtig förderndes Erz bestimmt? In meine Ohren klingt das Schlachtgetön und donnernd schleudert der Kanonenmund seine ehernen Bolzen; Gewehre fnattern ringsum; Weiber, Greise und Kinder schreien auf; die Stätten des Friedens und die kostbaren Früchte emsigen Fleißes stürzen zusammen, mit ihren Trümmern Unschuldige zermalmend; der Erdboden dröhnt unter dem Huffchlage blutiggespornter Rosse; von allen Seiten stürzen wildblickende Krieger mit bluttriefenden Bajonneten heran, Vernichtung hinter sich zurücklaffend. Bald hat meine Seele übergenug an dem furchtbaren Schauspiel und wendet sich zu anderen Gedanken. Große Ziele, große Ideen, hörte ich darnach eine Stimme in meinem Innern reden, verlangen Blut auf ihrem Siegeszuge. Da wird der einzelne nicht gefragt, ob seine Seele schmerzt, ob sein Körper in Wunden klafft und er sterbend der wohlgezielten Kugel flucht. Da gilt es ihm, die höchsten Güter des Lebens, die Freiheit und die Scholle, die da sein ist, bis auf den letzten Blutstropfen vertheidigen und würdig, wenn es sein muß, zu sterben, als ein Held! So vertheidigte Armin sein Vaterland gegen die Römer, so starb Körner im Kampfe gegen den Weltherrschaftserstreber und unsere Sympathie wohnt unwandelbar bei diesen Helden mit kühner Stirn und festem Arm!
So sprach die Stimme meiner ersten Jugend, die nicht nach Motiven fragte, und nur die Dinge sah, wie sie sich zeigten von außen; nur das Große und Edle sah und für das Schlimme und Schlechte kein Organ hatte.
13. Juli.
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Wie doch oftmals etwas längst und scheinbar auf immer Vergessenes wieder der Erinnerung zurückgeführt wird! Ich erinnere mich eben eines Mythos, in welchem ein Ungeheuer be-| schrieben war, das einst eine den Menschen feindliche Macht auf die Erde gesezt hatte. Ich hatte damals beim Lesen dieser
Geschichte den Kopf geschüttelt und zuletzt über das Unwahrscheinliche des vorgeführten Inhaltes mit Ünwillen das Buch in einen Winkel geworfen!- Aber die Erzählung hatte meine Phantasie lange gefangen gehalten und lebhaft beschäftigt, bis endlich die Zeit, die alles Ausgleichende, die schroffen Konturen zu verwischen und das ganze Bild wieder zu verblassen begann. Merkwürdig! Als hätte ich erst eben die Historie gelesen, so steht das Ganze wieder vor meiner Seele.
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Meschia, der Sohn des Gottes Ormuzd , hatte sich gegen Ahriman , den Gott alles Bösen, vergangen. Aus Rache sandte dieser auf die Erde ein erschreckendes Riesenungeheuer; die Füße desselben waren denen einer Spinne im Umfassen ähnlich; der Leib war beweglich wie der einer Schlange, und der Kopf, aus dessen Munde eine Reihe großer spizer Zähne hervorglänzten, trug ein paar funkelnde Augen. Aus jeder Miene des Gesichtes sprach die Gier nach Blut.- Unersättlich war das Ungeheuer. Bei seinem Nahen erzitterten Thiere und Menschen. Mitten in ihren friedlichen Geschäften überfiel es vernichtend die Erdbewohner. Es fraß die Ernten von den Feldern, trieb die Herden auf den Wiesen und Bergen vor sich her nach seiner Höhle und erfüllte mit seinem Wuthgebrüll die Welt. Um Frieden mit dem Unthier zu schließen, versammelte sich die leidende Menschheit zu einer Berathung. Wohl gab manch kluger Mann einen weisen Rath, aber das Ungeheuer mißachtete dessen, denn Ahriman ist sein Berather, und erst als man jährlich tausend der schönsten und kräftigsten Jünglinge als Opfer zu geben versprach, zeigte es sich willfähriger!-, Das Opfer ist flein, sagte es, aber ich nehme den Vorschlag an. Wenn ich mehr der Jünglinge bedarf, werde ich ihrer begehren! Und so geschah es auch. Zuweilen forderte es selbst die doppelte Zahl der Opfer und ob dann auch der Unwille der Menschheit groß war und das Schmerzgeschrei der Mütter und Väter die Wälder und Wohnungen erfüllte, dem Gebot mußte entsprochen werden. Der Gott des Bösen hielt seine Hand ausgestreckt über die ganze Welt!" Soweit der Mythos. Mythos. Der Erzähler hatte hinzugefügt, daß noch keiner es vermocht hätte, das Ungeheuer zu tödten und daß der Held erst noch geboren werden müsse, den ein göttliches Geschick berufen habe, diese befreiende That zu vollführen.( Fortsetzung folgt.)
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An der Wiege des Christenthums.
Kulturhistorische Skizze von C. Lübeck. ( Schluß.)
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Alles, was diese Erleuchteten ans Leben kettete, ist abgestreift,| tion, soweit überhaupt noch an Zuwachs zu denken ist, immerdie Außenwelt mit ihren zahlreichen Lebensverbindungen existirt für sie nicht mehr. Die Ehe ist absolut verboten. Sie fühlen sich dem Leben überhaupt schon entrückt; ein Hauch des Göttlichen hat auf die Verbindung sich gesenkt.
Man steht der Gottheit ganz nahe, man sieht den Himmel offen, Geister und Engel herniedersteigen. Man verkehrt mit ihnen, spricht mit ihnen, von früh bis spät. Man betet Tag und Nacht und fleht die Gottheit an, den Selbstvernichtungsprozeß, der schon zu lange währt, zu vollenden, die Pforten des Kerkers zu sprengen, die Seele frei zu machen und sie mit der unfaßbaren erträumten Weltgottheit zu vereinigen.
Kein Schlummer erquickt diese Menschen auf ihrem nächtlichen Lager; die phantastischen Gestalten, die sie sich gebildet, weichen auch Nachts nicht von ihnen. Ihr himmlischer Glanz, die Herrlichkeit ihrer Erscheinungen verdoppeln sich; sie werden deutlicher, greifbarer. Es ist ein Zustand, der vom Wahnsinn sich kaum noch unterscheidet.
Wir wollen Ausnahmen gestatten, einzelne Denker zugeben, die sich von dem Wahnsinnstaumel frei halten, im übrigen aber düstere, thatenlose Pessimisten sind.
Erweitern wir das Bild! Denken wir uns zu dem idealen Kreise, den wir soeben gesehen, ein von gleichem Streben beseeltes Volk.
mehr dahinschwindet. Die Gesellschaft lichtet sich, Krankheit und Siechthum zerfleischen sie, die Geisteskrankheiten werden häufiger und als eine nothwendige Folge dieses Himmelreichs auf Erden ergibt sich die vollständige Entartung des menschlichen Geschlechts. Vielfache Uebereinstimmungen zwischen den Essäern, Therapeuten und den Urchristen sind nachzuweisen.
Verzicht auf alle Güter, auf alle Genüsse des Lebens. Haus und Hof, Weib und Kind soll man im Stiche lassen, alles, was dem Menschen im Gesellschaftsverbande lieb und theuer ist. Das Ziel ist der Himmel, die Vereinigung mit der Weltgottheit. Dieses Ziel zu erreichen, wird Entsagung, wird Verleugnung der menschlichen Natur, das Dulden aller Lasten und Beschwerden, ein Sterben und kein Leben gefordert.
Jesus von Nazareth kämpfte gegen den Reichthum, aber nicht blos gegen diesen, sondern überhaupt gegen die Sinnlichkeit an. Er fordert Wahrheit im gegenseitigen Verkehr und die Bethätigung der Nächstenliebe. Er befiehlt, die Obrigkeit zu ehren, dem Kaiser zu geben, was des Kaisers und Gott, was Gottes ist. Wer Blut vergießt, deß Blut soll wieder vergossen werden.
Jesus von Nazareth theilt mit den Essäern die Moral. Er wendet sich wie sie mit Freundlichkeit und Liebe zu den Kindern, zieht im Lande umher, heilt wie sie Kranke und übt Werke der Nächstenliebe. Er lebt mit seinen Jüngern in kommunistischem Verbande, er theilt mit ihnen, was er besißt und nimmt von ihnen, was er zum Leben bedarf. Gemeinsam, überaus einfach ist die Mahlzeit, gemeinsam die ganze Lebensweise, und wenn man alle diese Momente, die sich beiläufig noch nach den verWas für Menschen zeigen sich uns! Blasse, hinfällige Geschiedensten Richtungen hin ergänzen ließen, reislich erwägt, so stalten, deren Lebensmuth und Lebenskraft mit jeder neuen Genera- ergibt sich, daß Jesus den Essäern und Therapeuten sehr nahe
Mit dem Playgreifen der alexandrinischen Gottes- und Lebensanschauung muß ein eisiger Hauch die Gesellschaft berühren, allen Fortschritt lähmen, alle Kulturkeime tödten, alle Freude, alles menschliche Glück erstarren.