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gestanden, wenigstens vieles aus ihren Lehren beherzigt hat.| dem sündhaften Fleische auch insofern Rechnung trug, als sie dem Ragt doch auch der Gott, den er predigt, weit über den jüdischen Nationalgott hinweg.

Ein ,, innerlich geistig Ding" ist nach der Definition des durch den Lichtstrahl bekehrten Apostels die christliche Freiheit. Sie bedeutet eine Befreiung von der Sinnlichkeit, von den Anforde­rungen und Verlockungen des Fleisches, eine Freiheit von der Verdammniß, in die das sinnliche Leben verfällt.

Die nächste Weiterentwicklung des Christenthums bewegt sich also ganz auf essäischer Basis. Die ersten Jahrhunderte zeigen uns die christlichen Gemeinden fast durchweg in einer der essäi schen nachgebildeten Organisation.

Aber schon damals erwies das Fleisch sich mächtiger, als das, was man Geist nennt. Alle Versuche, für die christliche Ascese das Volk zu gewinnen, erwiesen sich als fruchtlos, das Volf wollte leben und genießen, nicht entsagen und sterben, und selbst die christlichen Mönche und Nonnen, welche in die Fuß­stapfen der Essäer und Therapeuten traten, fanden meist das Himmelreich auf Erden, das ihre Vorgänger genossen, äußerst fade, sie zogen Wein, Kuchen und Braten der essäisch- therapeutischen Brot- und Wasserkost vor. Und wie sie über den geschlechtlichen Verkehr dachten, das ist sattsam bekannt, das bedarf keiner Er­wähnung.

Also nicht einmal im Kreise derjenigen, die berufen waren, das Christenthum fortzuführen und es zu stützen, vermochte die ascetische Richtung desselben sonderlichen Anklang zu finden. Hier war die christliche Freiheit denn doch ein ganz ander Ding, als der strenge Apostel sie aufgefaßt. Der großen Masse des Volkes dagegen wurde sie stets in ursprünglicher Form auf getischt.

Wer kann es aber leugnen, daß überall dort, wo das mön chische Christenthum tiefe Wurzeln schlug und zur Blüthe gelangte, seine erstarrenden und erstickenden Wirkungen sich gezeigt haben| und daß umgekehrt überall, wo das Volk der Seelenrettung sich einigermaßen zu entziehen verstand, frisches, fortschrittliches Leben Play griff und der stockende Kulturstrom neue Bahnen fand. Sollen wir geschichtliche Fakta sprechen lassen? Wir glauben, es ist nicht nöthig, zeigen doch noch heute stockkatholische Länder das Bild völliger Erstarrung des kulturellen Lebens.

Es sei hier nicht vergessen, daß die kirchliche Organisation

selbstsüchtigen, lieblosen Egoismus, dem schärfsten Gegensatz zur christlichen Brüderschaft schließlich zur Stüße wurde und wirth­schaftliche Zustände aufkommen ließ, die wie ein erstickender Alp auf der menschlichen Gesellschaft lasten mußten. Wie aber erklärt sich der Siegeszug, den das Christenthum genommen? Es ist wesentlich in Zugeständnissen zu suchen, die der sinnlichen Welt gemacht wurden, in der Idee der Brüderlichkeit, der allgemeinen Gotteskindschaft und der essäischen Moral nicht aber im Ab­wenden von der Welt, in der Verleugnung aller menschlichen Triebe, die gleichzeitig das Essäerthum der Menschheit zur Pflicht machte.

Die Reformation, jener verzweifelte Ausschrei des durch die Geistesstreiter mißhandelten ,, Fleisches", welcher nach leidenschaft­lichem Ringkampfe dazu führte, ein wenig Licht und Luft in die Christenheit zu führen, hat an diesen Zuständen nichts geändert, wohl auch nichts zu ändern vrrmocht. Auch sie trat in den Dienst des herrschenden Egoismus, erhob wenigstens ihm gegen­über nicht kräftig genug ihre Stimme, und zeigte sich bei allen Freiheitsbestrebungen stets konservativ. Die christlichen Brüder ( Bauern und Wiedertäufer), die den Begriff der ,, christlichen Frei­heit" etwas christlicher auffaßten, fanden auch im Protestantismus ihren unversöhnlichen Gegner.

Wir haben das Christenthum an seinen Quellen kennen ge= lernt und die religiöse Richtung, welche auf der jüdisch- alexan­drinischen Philosophie fußt, als durchaus kulturfeindlich ge­funden. Wir sahen ferner die Menschen im allgemeinen gegen die Lehre vom Verzicht auf die Annehmlichkeiten und Genüsse des Lebens sich auflehnen, und alle Versuche der Kirche, den die Existenz der Gesellschaft bedrohenden Lehren Eingang beim Volke zu verschaffen, scheitern. Die Reformation erschien uns als ein erster Protest gegen diese Richtung; die Spaltung der protestan­tischen Kirche in Orthodoxe und Reformer ist eine weitere Frei­heitsregung des gegen jeden Despotismus des ihm angeblichen gegensätzlichen Geistes ankämpfenden Fleisches". Und die Fort­schritte der Wissenschaften in den letzten anderthalb Jahrhunderten dürfen uns als die sicheren Vorboten des Sieges gelten, welchen das Diesseits mit seinen naturberechtigten Trieben und Anforde­rungen erkämpfen wird über die naturwidrigen Anmaßungen der jahrtausendealten Lehre von der Nichtigkeit des körperlichen Seins.

Dem Schicksal abgerungen.

Novelle von Rudolph von B...... ( Fortseßung.)

Bei diesen Worten hatte sich der amerikanische Schulmeister dem langen Joseph soviel als möglich genähert, und mit leiserer Stimme, sodaß es nur der verstehen konnte, mit dem er redete, sprach er weiter:

" Daß Ihr dem Zeitungsschreiber auch eins auswischen wollt, kann ich Euch nicht im geringsten verdenken. Ich kenne diese nichtswürdige Menschensorte aus Erfahrung und weiß, daß solche Kerle eine Tracht Hiebe immer verdienen. Also nur immer drauf, wenn's denn' mal sein muß und Ihr ihn erst habt, aber ich wiederhole Euch, ein Esel ist, wer sich erwischen läßt."

-

Na, verlaßt Euch drauf, Schulmeister, so'n Esel bin ich nicht. Und, unter uns gesagt, wenn Ihr heut noch wo en Hahn krähen hört, so einen mit em hübschen rothen Kamm, versteht Ihr, wenn der Regen mir nicht etwa den Spaß verdirbt, dann denkt an mich, aber ganz im stillen, Schulmeister, das will ich Euch gerathen haben!"

"

Herr Hampel schnitt ein möglichst unschuldig- dummes Gesicht. " Ich versteh' Euch absolut nicht, Langer, aber was geht's auch mich an. Ihr seid Manns genug, daß man Euch Eure eigenen Wege gehen läßt." Er schien von dem Thema genug zu haben. Ein infam schlechter Weg," sagte er. Man bleibt ja fast im Schmutze stecken. Und dabei das nichtsnußige, steile Bergaufklettern.' S ist, so robust wie ich bin, bald nicht mehr zum Fortkommen. Und wenn der Regen wenigstens aufhörte! Na, wir sind hoffentlich recht bald in dem langenwieser Wirths­hause. Da muß ich en Viertelstündchen ruhen und dann einen Brief schreiben. Ich muß auch nach B. telegraphiren, damit mir mein Bankier Geld schickt. Zur Telegrapherstation wird man doch jemanden schicken können?"

Wir kommen so ziemlich dran vorbei," antwortete einer aus dem Haufen. Etwa eine Stunde hinter Langenwiese, wir mögen gehen, wohin wir wollen."

Nun also drauf los, ihr Leute. Ich denke, wir haben uns heute schon eine tüchtige Portion Schnaps verdient. Na' s soll Saran nicht fehlen, aber Arbeit gibt's heut erst recht noch."

" Wollen's schon machen," schrieen etliche, die von dem entsetz­lichen Wetter erst so recht in verzweifelte Stimmung gebracht worden zu sein schienen. Jetzt ist's nu' mal losgegangen und der Himmel hilft uns; was wir nicht thun, thut der, wenn's so weiter gießt.""

Um zehn Uhr morgens am selben Tage hatte Frizz Lauter schon eine von seiner gewohnten Arbeit sehr abweichende Thätig­keit entfaltet. Wir waren noch zugegen, als Willisch dem Drängen seines jungen Gastes nachgab und zu sofortiger Ausfahrt an­spannen ließ. Das Anspannen war rasch geschehen; ebenso rasch stand Fritz mit seinem Onkel zur Abfahrt fertig in der Haus­thür. Bei dem Hausherrn dauerte die Ausrüstung nur wenige Minuten länger, obgleich dieser es an einer Menge ungewöhn­licher Vorbereitungen nicht hatte fehlen lassen. Von seinen Waffen, die er in den letzten Tagen so besonders liebgewonnen zu haben schien, brachte er einen ganzen Arm voll mit. Davon hatte er für sich einen prachtvollen doppelläufigen Lefaucheux und einen Revolver bestimmt, während er Frizz Lauter gleichfalls mit einem Revolver und den alten Kantor mit einem alten Doppelterzerol bedenken wollte. Frizz Lauter lächelte finster und nahm, ohne ein Wort zu sagen, den Revolver. Der Kantor aber versicherte,