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Vorsicht und vernünftige Abhärtung nöthig. Wer täglich gründ­lich sich wäscht, bedarf keines Ohrlöffels, um das Ohrenschmalz zu entfernen, weil dies bei der Waschung sich entfernt. Man belästige niemals sein Ohr.

Der Schlaf und das Wachen sind Zustände, auf welche die Gesundheitspflege ihr Hauptaugenmerk richten soll; denn die Art, in der dieselben verlaufen, entscheidet über die ganze leibliche und seelische Gesundheit, über die Handlungen des Menschen, über dessen inneres und äußeres Schicksal.

Um durch ein Bild zu sprechen, können wir sagen, der Schlaf stelle im Haushalte des Leibes die Harmonie her, welche durch das über einen bestimmten Zeitpunkt verlängerte Wachen gestört wurde. Halten wir an dieser Vorstellung fest, so begreifen wir das Gefährliche, ja Verderbliche allzusehr verlängerten Wachens, verstehen aber auch, daß allzu langes Schlafen der Gesundheit nachtheilig sein müsse.

Einerlei, welche Umstände und Verhältnisse Schlaflosigkeit veranlassen, wir müssen immer darauf bedacht sein, diesen Zustand bei scheinbar Gesunden und wirklich Kranken energisch zu be­kämpfen und baldmöglichst das naturgemäße Gleichgewicht zwischen Wachen und Schlafen wiederherstellen.

Dem Schlafe geht Ermüdung voran. Ermüdung drückt aus, daß in Muskeln und Nerven bereits an Stoffen es fehle, bei deren Zerfall Wärme frei wird und die Kraft in Bewegung sich umsetzt. Diese Materien ergänzen sich vorzugsweise während der Ruhe, während des Schlafes; fehlt es an Ruhe, an Schlaf, so fehlt es an Muskel- und Nervenkraft, und damit sinkt das Baro­meter der Zurechnungsfähigkeit: der übermüdete Mensch ist kein normaler Mensch, seinen Handlungen fehlt es an der nöthigen physischen Grundlage. An sehr vielen Unglücksfällen, die im Bereiche der Eisenbahnen sich zutragen, hat einzig und allein die Uebermüdung der Bediensteten die Schuld. Bestraft man diese Unglücklichen, so begeht man das größte Verbrechen.

Der höchst barbarische Grundsatz Zeit ist Geld", den kom­mende wirklich civilisirte Geschlechter nur als Ausdruck natur­widriger Selbstsucht brandmarken werden, stört nicht nur das Wachen oft genug in cynischer Weise, sondern auch den Schlaf, begünstigt so die Zustände des Blutmangels und der nervösen

Erregbarkeit, und hilft Generationen mehr oder minder unglück­seliger Geschöpfe erzeugen.

Weil der Mensch keine Arbeitsmaschine, sondern ein Orga­nismus, und zwar ein gebrechlicher Organismus ist, darum be­darf er täglich einer gewissen Zeit hindurch der Ruhe, des Schlafes. Auf der Höhe des Lebens, im Alter der Reife also, ist bei Ge­sunden die Zahl von sieben Stunden im allgemeinen für den Schlaf genügend. Kinder, Greise, Frauen, Kranke und Rekon­valeszenten bedürfen längerer Schlafenszeit, und zwar desto längerer, je mehr es an Widerstandsvermögen und Kräften ihnen fehlt.

In öffentlichen Anstalten ist eine Stunde für das Zubett­gehen und Aufstehen festgesetzt. Beschränkt sich der Zeitraum zwischen beiden auf sieben Stunden, so ist dies durchaus un­genügend; denn der eine Mensch bedarf längeren, der andere minder langen Schlafes, um in das Gleichgewicht seiner Kräfte, seines Wohlbefindens und zu sich selbst zu kommen. Je kürzer die allgemeine Schlafenszeit bemessen, je mehr alle Bewohner der Anstalt über einen Leisten geschlagen, desto mehr Krankheiten. Der beste Regulator des Schlafes ist angemessene Ernährung und überhaupt Gesundheitspflege, andererseits vernünftige Er­ziehung zu Arbeit und Sittlichkeit. Damit einem jeden die nöthige Zeit zum Schlafen bleibe, ist es erforderlich, daß durch Vor­richtungen der Humanität der Kampf um das Dasein daran gehindert werde, Wellen zu schlagen, welche den einzelnen mit Vernichtung bedrohen oder gar vernichten.

Zu gutem Schlafe gehört ein gutes Bett und ein gesundheits­gemäß beschaffenes Zimmer mit der Lage nach dem Aufgange der Sonne. Es ist unbedingt nöthig, an eine etwas niedere Temperatur des Schlafgemaches sich zu gewöhnen, und ferner niemals in einer Stube ohne Fenster die Nacht zu verbringen. Es ist unerläßlich, Darm und Blase vor, dem Schlafengehen zu entlasten, Gesicht und Hände zu waschen und ein Glas Wasser zu trinken.

Man liege nicht auf dem Unterleibe, sondern auf dem Rücken, mit sanfter Neigung nach der Seite, strecke grade sich aus, decke so sich zu, daß man weder friere noch schwiße, und bestrebe sich, mit guten Gedanken und reinem Herzen einzuschlafen.

Irrfahrten.

Von Ludwig Rosenberg. ( Fortsetzung.)

Kann ich auch mit Bestimmtheit nicht sagen, daß Elisabeth dir mehr als freundschaftlich zugethan ist, sagte ich eines Tages zu Freimann, so habe ich doch Grund zu glauben, daß sie deine Werbung, wenn sie zartfühlend und behutsam geschieht, nicht ausschlagen werde.-" Ich würde das Mädchen nicht begreifen, welches sich seiner Bewerbung gegenüber ablehnend berhielte," sagte sie, als ich das heikle Thema berührte. Freimann ging nach dieser Antwort im Zimmer auf und ab. Er wiederholte Elisabeths Ausspruch und setzte hinzu: Gewiß, ich bin ihr nicht gleichgiltig. Sie wird mich lieben, wenn ich Sie wird mich lieben, wenn ich mich mehr mit ihr beschäftige. Daß sie dich nicht liebt, das heißt, daß sie dich nicht wie einen Bräutigam liebt, das habe ich gleich erkannt, als ich die Vertraulichkeit bemerkte, mit der ihr zusammen verkehrtet und noch verkehret. Elisabeth ist dir eine Schwester, du ihr ein Bruder, eine andere Liebe, als diese geschwisterliche Liebe, ist undenkbar." Ich saß auf dem Sopha, als Freimann dieses sagte, und hatte mein Antlitz hinter der Provinzzeitung versteckt. Ich hätte am liebsten géantwortet: Du lügst, du betrügst dich! Aber ich schwieg. Was ich über die Lippen bringen konnte, war nur ein geheucheltes: Wohl möglich, wohl möglich." Freimann hatte meine Antwort überhört oder nur halb vernommen, sonst würde er gewiß nicht über dieses Wohl möglich" hinweg gegangen sein. Zu der Frage: Was fannst du mir in dieser Sache rathen?" versetzte ich: Du bist von einer köstlichen Naivetät," und obwohl es mir nicht grade lächerlich zu Muthe war, so schien mir diese Frage doch so sonder bar, daß ich laut auflachte. Ich dachte an die Geschichte, in welcher einer den andern bestiehlt und dem Bestohlenen noch zur Be­dingung macht, das Diebesgut in sein Haus zu bringen.- Rathen ," sagte ich ,,, warum nicht auch helfen? Nein, Theuerster, wenn deine Liebe auf solch' schwachen Füßen steht, so bist du

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Elisabeth nicht würdig. Ich gehe in diesen Tagen auf Reisen. Während meiner Abwesenheit magst du dein Glück versuchen. Gelingt's, dann Glück auf! Gelingt's nicht, dann behalte ich meine Freundin." Die Freundin wirst du verlieren," rief Freimann; dieses Kunststück wirst du von mir ausführen sehen. D, ich bin nicht so zaghaft, wie du glaubst. Ich werde dir schon eine Probe meiner Energie geben." ,, Aber nur, wenn es mir gefällt!" antwortete ich etwas erregt. ,, Wenn es dir gefällt? Du leidest wohl doch an Eitelkeit?" Ich lachte, und indem ich den Freund auf die Schulter klopfte, sagte ich:" Du weißt, gegen, Muß hilft keine Medizin. Du hast also gut energisch sein, Spielerei!"- ,, Du bist heute in poetischer Stimmung, Heins," rief Freimann. Ja," gab ich zurück, in einer gehobenen Stimmung. Hättest du nur einen Begriff von ihr!"- Nach dieser Unterhaltung erging ich mich im Freien und, weiß der Teufel, wie es fam auf einmal stand ich vor Liebers Haus. Ich wollte mich wieder davon machen, aber Elisabeth hatte mich schon gesehen, und als sie das Fenster öffnete und mit dem Finger drohte, da war doch keiner glücklicher, als ich; und als ich neben ihr saß, den altgewohnten Klang ihrer Stimme vernahm und sie mich wieder mit ihren seelenvollen Augen an­blickte, da kam ich mir in dem Gedanken an das baldige Ende unsrer Liebe vor wie ein Selbstmörder, aber einer, den man zum Selbstmorde zwingt. Entweder- oder! D, Elisabeth, du süßes Weib, schließ in dein Gebet all' meine Sünden ein! Nicht sündigen wollen und doch sündigen müssen,- Verrätherei begehen müssen und wissen, daß darüber Herzen brechen können!

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Postkarte.

Theuerste Seele! Ich reise morgen ab. Es ist alles in Ordnung gebracht. Wir sind genügend versorgt und das Wetter