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,, Und mir ist noch was besonderes geschehen. Sie wissen, daß, nach einer talmudischen Sage, bei der Geburt eines Kindes im Himmel ausgerufen wird: der und der bekommt die und die! Wie ich nun geboren worden, wurde mir auch meine Frau ausgerufen, aber dabei heißt es: sie wird leider Gottes einen Buckel haben, einen schrecklichen. Lieber Gott, hab' ich da gesagt: ein Mädchen, das verwachsen ist, wird gar leicht bitter und hart, ein Mädchen soll schön sein. Lieber Gott ! Gieb mir den Buckel und laß das Mädchen schön und wohlgefällig sein..." ,, Kaum hatte Moses Mendelssohn das gesagt," so erzählt Berthold Auerbach , der diese hübsche und für den jüdischen ,, als ihm das Mädchen Weisen charakteristische Episode wiedergiebt, als ihm das Mädchen um den Hals fiel, und sie ward seine Frau, und sie wurden glücklich mit einander und hatten schöne und brave Kinder, von denen Nachkommen noch leben bis auf den heutigen Tag."
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Mit seinem ältesten, ausgezeichnet befähigten Sohne Joseph- sein zweiter Sohn Abraham sollte der Vater des Komponisten Felix Mendelssohn- Bartholdy werden und einigen anderen strebsamen und einigen anderen strebsamen jungen Leuten pflegte er in den Morgenstunden zuweilen Auseinandersegungen über die wichtigsten philosophischen und religiösen Wahrheiten zu halten, und er kam in deren Verlauf auf den Gedanken, die Resultate seines gesammten Denkens in einem ausführlicheren Werke unter dem Titel Morgenstunden" der weiteren Deffentlichkeit darzulegen. Der erste Band davon erschien 1785 und wurde von allen freigesinnten Lesern auf das freudigste willkommen geheißen. An der Fortsetzung der Arbeit hinderte ihn sein bald darauf eingetretener Tod.
Mendelssohn's leßte That war ein Werk der Freundschaft. Der Gefühlsphilosoph Fr. Heinrich Jakobi hatte nämlich 1785 unter dem Titel: Ueber die Lehre des Spinoza " eine an den jüdischen Weisen gerichtete Schrift veröffentlicht, in welcher Lessing in verleßender Weise angeklagt war, ein Anhänger der Lehre des Spinoza gewesen zu sein. Mendelssohn , durch die Angriffe auf den todten Freund auf das ärgste erbittert, glaubte diese Schrift um so mehr widerlegen zu sollen, als die darin ausgesprochenen Prinzipien auch seinen eigenen tiefsten Ueberzeugungen durchaus entgegenliefen, und machte sich, obgleich schon sehr leidend, an die Niederschrift der Arbeit: Moses Mendelssohn an die Freunde Lessing's ." Er hatte ihr den leßten Rest seiner Kräfte geopfert, der ohnehin schwächliche, gebrechliche Mann, dessen Weisheit, Selbstbeherrschung, Mäßigkeit und Seelenruhe es allein zuzuschreiben ist, daß er bei seiner Konstitution die Flamme des Lebens 57 Jahre lang zu erhalten wußte. Nur wenige Tage, nachdem er seine Schrift zum Drucke abgeliefert, stand sein großes, schönes Herz still. Während er verschied, stand die Büste seines unvergeßlichen, unsterblichen Freundes Lessing auf dem Tische ihm gegenüber vor seinen brechenden Augen; er hatte sie von der Wand über dem Sopha herabnehmen und dahin stellen lassen, um dem Edlen bis zum letzten Augenblick in die vergeistigten Züge seines Angesichts schauen zu können. Ein Schlagfluß endete sein irdisches Sein. Es war am 4. Januar 1786 früh 7 Uhr. ,, Wie ein müder Wanderer nach wohl zurückgelegten Tagesreisen" war er entschlummert.
Betrachtet man das edle Charakterbild Moses Mendelssohns, die Güte und den Reichthums seines Gemüths und Geistes, den er in seinen Schriften niedergelegt, so muß man sich, wie immer, wenn man das Wollen und Wirken ausgezeichneter Männer zu erfassen sucht, stets aufs neue fragen, warum die Menschen im allgemeinen nicht schon viel besser geworden, warum Edelsinn und Hochherzigkeit in der Regel noch immer ihr Martyrium erdulden und die Schlechtigkeit und Niedertracht sich so breit machen in der Welt. Nichtsdestoweniger aber darf der Menschenfreund jeden, der etwa an der scheinbaren Erfolglosigkeit seiner Kulturarbeit verzweifeln wollte, mit der Bürgschaft beruhigen, die eben in den Werken der Besten und Weisesten, die über die Erde gegangen, für das endliche Gelingen derselben gegeben ist, und in diesem Sinne mag diese Skizze, gewiß im Geiste Moses Mendelssohns*), dem sie gewidmet, mit den verheißungsvollen, siegesgewissen Worten Lessings beschlossen sein: Nein, sie wird kommen, sie wird gewiß kommen, die Zeit der Vollendung, da der Mensch, je überzeugter sein Verstand von einer immer besseren Zukunft sich fühlet, von dieser Zukunft gleichwohl Bewegungsgründe zu seinen Handlungen zu erborgen nicht nöthig haben wird, da er das Gute thun wird, weil es das Gute ist, nicht, weil willkürliche Belohnungen darauf gesezt sind, die seinen flatterhaften Blick ehedem blos hesten und stärken sollten, die innere Belohnung derselben zu erkennen...... Sie wird kommen, die Zeit eines neuen, ewigen Evangeliums."
*) Als ein Werk, welches in bequemer Weise einen tieferen Einblick in das Leben und Wirken Mendelssohns vermittelt, kann den Lesern das ,, Lessing- MendelssohnGedenkbuch"( Leipzig , 1879) empfohlen werden. Der Verf.
Am Henkersteg zu Nürnberg. ( Bild Seite 608.) Keine deutsche Stadt gewährt in ihren äußeren Formen ein so anschauliches und scharf ausgeprägtes Bild von der Bedeutung der Reichsstädte im Mittelalter, von ihrem Wohlstand, ihrem Kunst- und Schönheitssinn, als Nürnberg . Ihre bemoosten Thürme, die zackigen Dächer mit zahllosen Erkern und Terrassen, mit Wetterfahnen und rostigen Morgensternen, die sturmtrogigen Warten und krenelirten Mauern: sie alle erzählen wie eine verkörperte alte Sage von der eisenstarrenden Streitmacht eifersüchtiger Fürsten, die an dem vom Volke errichteten Bollwerk zerschellte. Nürn
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berg ist nicht wie Augsburg , Regensburg , Passau , Mainz , Köln und Wien aus einem römischen Lager entstanden, nein, sie verdankt ihr Keimen und Emporblühen kerndeutscher Volkskraft. Um das Jahr 745 hat der Glaubensverbreiter Sebaldus die an den Ausläufern des Fichtelgebirges und der Fränkischen Höhen wohnenden jubarischen Noriker zum Christenthum bekehrt. Deshalb der Name der ersten Kirche Noris, Norimberg , Nürenberg , Nürnberg . Man mag über die Verdienste des Sebaldus denken wie man will, das eine ist ihm nicht abzusprechen, daß er die herumziehenden Jäger und Fischer zum Ackerbau anhielt. Die Seßhaftigkeit förderte das Handwerk und bezweckte im Jahre 1039 die Marktfreiheit des rasch emporblühenden Fleckens, der, seltsamerweise für die Anschauung des Mittelalters, niemals ein Bischofsiz gewesen ist. Deshalb war es auch der Lieblingsaufenthalt der meisten deutschen Kaiser, die stets mit der Kirche in Streit lagen. Erst im 12. Jahrhundert tritt der Hauptfaktor der nürnberger Herrlichkeit, der Handel, auf. Um das Jahr 1147 begann er seine Fittige zu schwingen; die bisher öde Umgegend wurde belebter; Dörfer entstanden auf dem ausgerodeten Waldboden und die zunehmende Bevölferung bot immer reichere Absazquellen dar. Nürnberg wurde mit einem male eines der wichtigsten Glieder in der Handelskette zwischen dem Abend- und dem Morgenlande, der bedeutendste Stapelplatz der indischen Handelsartikel im Herzen von Deutschland . Daß der aufgespeicherte Reichthum einzelner Familien die Freiheit des Gemeindewesens schmälert, davon liefert Nürnberg den unumstößlichen Beweis. Seit dem Jahr 1264 haben sich die ältesten Geschlechter der Stadt in den erblichen Besiz aller einflußreichen Stellen gesezt. Aus ihnen wurden Bürgermeister und Gemeinderäthe ernannt und diese städtischen Behörden, mit fürstlichem Rang bekleidet, ließen ihre Gewalt das Volk härter fühlen, als es dieses ertragen mochte. Zwiespalt im Gemeinwesen war die Folge dieses sich auch in anderen Städten Deutschlands zeigenden Uebelstandes, und bald gab sich die mühsam verheimlichte Feindschaft durch Reibungen zwischen Patriziern und Plebejern( Erbgesessenen und Stadtangehörigen) fund. Das heilige römische Reich bekam damals, nach dem Tode Ludwig des Bayern, statt einem zwei Kaiser, Günther von Schwarzburg und Karl IV . Die Patrizier waren für den letzteren und die Plebejer für den ersteren. Damit trat eine bisher unbekannte Macht auf die politische Bühne, es waren die Zünfte, welche nach einem heftigen Straßenkampf den Senat sammt seinem patrizischen Anhang zur Stadt hinauswarfen. Dieser Sieg verhalf den Plebejern zum Eintritt in den Senat und beschränkte für immerdar die Gewalt der Patrizier. Damit sie aber nicht, wie einst die Patrizier, übermüthig würden, mahnte sie ein unerwartetes Ereigniß an die Bergänglichkeit des Jrdischen. Mit den feinen Spezereien und den fostbaren Erzeugnissen seiner Industrie sendete der Orient seine tödtlichen Krankheiten. Die orientalische Best, in Deutschland der schwarze Tod genannt, brach in Nürnberg aus und richtete unter der entsetzten Bevölkerung gräuliche Verheerungen an. Das furchtbare Wesen dieser Seuche und die Erfolglosigkeit aller gegen sie angewendeten Mittel brachten bei der entsetzten Menschheit Verzweiflung hervor und ein in diese zitternden Massen geschleudertes Frevelwort: die Brunnen sind vergiftet von den Juden!" rief den abscheulichsten Haß gegen die Semiten auf. Dreitausend Wehrlose wurden abgeschlachtet. Man mordete, um pländern zu können. Vor diesen schaudererregenden Szenen, die nur die reichen Juden betrafen, muß der Genius der Menschheit sein Antlig verhüllen. Die Raubgier und der Uebermuth des Adels weckten den Stolz der ihre Kraft fühlenden Städte, welche in Norddeutschland ( 1364) im Hansabund, in Süddeutschland ( 1384) im schwäbischen Städtebund sich zu Schuß und Truzz verbanden. Die geistige Fühlung der schwäbischen Bundesstädte, wozu auch Nürnberg gehörte, ist unleugbar fruchtbringend gewesen, der materielle Nutzen dagegen blieb gleich Null. Troßdem die Stadt durch die Plackereien der Hussiten und der Markgrafen von Brandenburg , die zugleich Burggrafen von Nürnberg waren, unsäglich zu leiden hatte, stieg sie unentwegt zum Gipfelpunkt ihrer Blüthe empor. Während außen wilde, zerstörende Kämpfe mit allen möglichen Schnapphähnen tobten, schafften in der Stadt der Handel und die Industrie eine Blüthe des Reichthums, der Gewerbthätigkeit und der Künste, deren wundervolle Reste heute noch Bewunderung erregen. Nürnberger Hand geht durch alle Land", war ein berechtigtes Sprüchwort im Mittelalter, denn eine Menge in Nürnberg gemachter nüglicher und einträglicher Erfindungen bereicherten den Handel und das Gewerbe mit neuen und gangbaren Artikeln. Daß Peter Hele ( 1500) die Taschenuhren, Rudolph( 1440) das Drahtziehen, Lobsinger die Windbüchsen und ein Ungenannter( der Sage nach Doktor Faust ) das Räderschloß an den Flinten erfand, ist bekannt gleich der Thatsache, daß tausend andere Manufakturartikel in Nürnberg erfunden und zuerst verfertigt wurden, und daß von diesen manche noch heute im Gebrauch sind, wie z. B. die 1380 in Nürnberg erfundenen Spielkarten. ( Schluß folgt.)
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ganz
Johann Joachim Winkelmann*).( Illustr. Seite 609.) Man ist fast daran gewöhnt, es als das Loos großer Geister anzusehen, erst ein Leben voll Elend wenige Ausnahmen abgerechnet und Sorge durchkämpfen zu müssen, bevor ihr wahrer Werth für Mitund Nachwelt erkannt wird. Die kleinen beschränkten Seelen waren
*) Da sich Winkelmann selbst bald mit t, bald mit d schrieb, so behalten wir die erstere Schreibweise bei.