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herabgesunken ist. Der tägliche Arbeitsverdienst eines Webers im Eulen­gebirge beträgt 60 Pfennige. Erdarbeiten, für welche am Bau der Eisenbahn von Dittersbach nach Glaß einige Gelegenheit vorhanden, werden infolge der übermäßigen Konkurrenz im Arbeitsangebot mit 75 Pfennigen täglich gelohnt; doch sind die Weber dazu in der Regel nicht mehr kräftig genug und vermögen daher auch im Afford nicht auf einen höheren Lohn zu kommen. ( Fortseßung folgt.)

Karl der Große   und sein Gefolge.( Bild Seite 5.) Wie im Alterthum verschiedene Städte sich um die Ehre stritten, wo Homers  Wiege gestanden, so wissen wir auch nichts Zuverlässiges über den Ort, wo der große Frankentönig Karl im Jahre 742 geboren wurde. Einige Geschichtsschreiber geben das Schloß Salzburg   in Oberbayern  , andere das Schloß Ingelheim   bei Mainz  , noch andere die Stadt Aachen   als seinen Geburtsort an. Mehr als je ein Völkerbeherrscher verdient dieser Frankenkönig den Beinamen des Großen, den die Geschichte ihm bei­gelegt hat. Denn groß war er nicht nur in dem, was sein Zeitalter schäßte, ehrte und suchte, in kriegerischer Wirksamkeit, sondern auch in dem, was es kaum kannte, nicht achtete, am wenigsten suchte und liebte, in Bildung des Geistes und Gründung des Glückes seiner Völker durch dieselbe. Es ist der größere Ruhm seines Andenkens, daß durch ihn der gänzliche Verfall der Wissenschaften im Abendlande verhindert und ihrem schon erlöschenden Lichte neue Nahrung verschafft wurde; daß er die Bildung der Völker für ebenso bedeutend, als ihre Vereinigung und Unterjochung hielt. Noch höher ist dieser Sinn für das Geistige bei einem Fürsten anzuschlagen, der unter Waffenübung und Jagd herangewachsen, aus dem Strudel der Kriege sein ganzes Leben lang nicht herauskam, und in einer Zeit, wo nicht der Reiz schöner Muster geistige Beschäftigung zum Genuß machte, sondern Gelehrsamkeit und Wissenschaft, ohne Anmuth in schwerfälligen Formen einherschreitend, eher zurückschreckte, als einlud. Der grimme Held, dessen siebenund­vierzigjährige Regierung ein einziges Friedensjahr aufzuweisen hat, war ein Freund geistiger Bildung und verdient als solcher den Namen des Wiederherstellers der Wissenschaften und des Lehrers seiner Völker. Durch seine freisinnige Denkungsart zog er die ausgezeichnetsten Ge­lehrten an seinen Hof, unter anderen Alcuin aus England, den er zu seinem eigenen Lehrer wählte, ferner Peter von Pisa, der den Titel seines Grammatikers erhielt, und Paul Warnefried  , bekannter unter dem Namen Paulus Diaconus  , der dem Kaiser in der griechischen und lateinischen Sprache Unterricht ertheilte. Auf Alcuins Rath legte Karl in seinem Balaste zu Aachen   eine Akademie an; den Sigungen derselben wohnte er mit allen Gelehrten und schönen Geistern seines Hofes, dem Leidrados, Theodulph, den Erzbischöfen von Trier   und Mainz   und dem Abte von Corvey   bei. Alle Mitglieder dieser Akademie hatten besondere, ihren Talenten oder Neigungen entsprechende Namen an­genommen; einer hieß Damötas, einer Homer, ein anderer Candidus; Karl selbst nannte sich David. Aus Italien   zog er Lehrer in Sprachen und der Mathematik herbei und stellte sie in den vornehmsten Städten seines Reiches an. Bei den Domstiften und Klöstern, den einzigen Kulturstätten dieser barbarischen Zeit, errichtete er Schulen für huma­nistische Wissenschaften und für Theologie, welche damals von dem Dogmenzwang noch nichts wußten. Er selbst bestrebte sich unablässig, durch den Umgang mit Gelehrten seinen Geist auszubilden und sein Wissen zu bereichern, und seine einzige und liebste Unterhaltung blieb bis an seinen Tod dieser Umgang. Er sprach mehrere Sprachen fertig, besonders lateinisch. Weniger gelang ihm das Schreiben, weil er sich erst in höheren Jahren darauf gelegt hatte. Im Winter las er viel und ließ sich selbst bei Tische vorlesen. Daß er das Steckenpferd der Kirche ritt, wird ihm niemand verargen, weil die Kirche damals das Gemüth der Menschen vollständig beherrschte und somit ein wichtiger politischer Faktor war. Karl, nichts weniger als ein Frömmler und blinder Anhänger der Bischöfe von Rom  , war ein großer Freund der römischen Kirchengebräuche und wollte dieselben auch in seinen Staaten einführen, allein die Geistlichkeit, die an den alten heidnischen Ge­bräuchen hing, leistete großen Widerstand. Nur allmälich gelang es dem Frankenkönig, den Festen der Wyhnacht und Ostara einen christ­lichen Stempel aufzudrücken und die Brandopfer der Sonnenwende in die Johannisfeier umzuwandeln. Auch dem Kirchengesange ließ er eine Verbesserung angedeihen. Obzwar er sich in einer so stürmisch bewegten Zeit, wie die feinige, hüten mußte, durch eine Vereinigung aller seiner Vasallen zu einem Staatskörper mit gleichem Rechte jedes derselben, ihnen ein gemeinsames Handeln wider ihren Regenten möglich zu machen, strebte er doch die Centralisation auf nichtpolitischem Gebiete an. Bei all' den von ihm besiegten Völkern, denen er nicht ganz ihr Herkommen und ihre Geseze entzog, führte er doch die Gleichheit des Maßes und Gewichtes, sowie die einheitliche Prägung der Münze durch. Ein andrer großer Plan seiner Regierung war die Verbindung des Rheins mit der Donau   und dadurch des Atlantischen Ozeans   mit dem Schwarzen Meere vermittelst eines Kanals. Das ganze Heer mußte in Friedens­zeiten, die leider nur von kurzer Dauer waren, daran arbeiten, aber er konnte nicht ausgeführt werden, weil es in jener Zeit noch an Kenntnissen im Wasserbau fehlte, die sich erst eine spätere Zeit erwarb. Dafür errichteten die von ihm beschüßten Künste andere köstliche Dent­mäler für die Nachwelt. Die Stadt Aachen   wurde besonders von ihm ausgeschmückt. Sie erhielt ihren französischen Namen Air- la- Chapelle ( Bäder zur Kapelle), von einer prächtigen Kapelle, die er aus ita­

| lienischem Marmor erbauen ließ. Die Pforten diefes Tempels waren von Bronze, und sein Dom trug eine massivgoldene Kuppel. Die kaiserliche Pfalz war äußerst prachtvoll, aber auch Bäder ließ Karl nach klassischen Mustern erbauen, in denen mehr als hundert Personen in warmem Wasser schwimmen konnten. Frankreich   verdankt ihm die ersten Fortschritte des Seewesens. Er ließ die seit der Völkerwanderung eingestürzten Leuchtthürme wieder aufrichten und die versandeten Häfen ausbaggern. Er hob die Schranken auf, die der Geiz seiner Vor­fahren dem Handel gezogen hatte und begünstigte das Handwerk und den Ackerbau. Das heute noch vorhandene Gesez über die Meiereien ( de villis) ist ein Beweis seiner tiefen Einsicht in die Landwirthschaft. Er versammelte Konzilien, Parlamente, machte die Kapitularien und farolinischen Bücher bekannt, schrieb viele Briefe, von denen mehrere noch vorhanden sind, auch eine Grammatik, sowie verschiedene lateinische Gedichte. Nach der Lage und Ausdehnung seines Reiches, welches ganz Frankreich  , den größten Theil von Catalonien  , Navarra   und Arra­gonien, dann die Niederlande, Deutschland   bis an die Elbe   und Eider, Ober- und Mittelitalien  , Istrien und einen Theil Slavoniens umfaßte, haben weder die Franzosen das ausschließliche Recht ihn ihren Charlesmagne, noch die Deutschen   ihn ihren großen Karl zu nennen. Sein bunt zu ſammengewürfeltes! Imperium hielt nach seinem Tode dem Ansturm der Zeit ebensowenig Stand, wie das des Säbelkaisers Napoleon  ; aber sein Ruhm erfüllte bei seinen Lebzeiten nicht nur den Occident, sondern auch den Orient. Er empfing Gesandte vom Patriarchen von Jerusalem  , von den griechischen Kaisern Nicephorus und Michael und zweimal ließ ihn der berühmte Khalif von Bagdad   Harun Al- Raschid   durch Gesandt­schaften begrüßen, die er seinerseits erwiderte und dadurch die Errungen­schaften der Erd- und Völkerkunde nicht unerheblich vermehrte. Wenn wir in ihm noch die Eigenschaften des gütigen Vaters, zärtlichen Gatten und großmüthigen Freundes hervorheben, und ihn troß seines äußeren Aufwandes als Muster von Sparsamkeit im inneren Hauswesen schil­dern, so haben wir die Lichtseiten seiner Erscheinung erschöpft. Sein politisches Wirken, zuweilen nachsichtig bis zur Unklugheit, ist nur zu oft streng bis zur Grausamkeit gewesen. Zu Karls Charakteristik auch nach dieser Richtung hin müssen wir einen kurzen Umriß seines thaten­reichen Lebens entwerfen. Karls Vater und Großvater, Pipin der Kleine und Karl Martell  ( der Hammer), waren tüchtige Heerführer, die sich vom Haus- und Reichsheerverwalterposten zur Königswürde Frankreichs  durch nichts weniger als ehrliche Mittel aufschwangen. Karl Martell  , der Maurenbesieger in der Schlacht bei Boitieu, der die Staatsgeschäfte seines königlichen Herrn aus dem Hause der Merowinger per procura führte, ließ diesen Schattenkönig dem Namen nach bestehen, doch der fleine, aber energische Pipin machte furzen Prozeß, steckte ihn in's Kloster und nahm seine Stelle ein. Sein Sohn Karl  , der die Herrschaft mit seinem Bruder Karlmann theilen sollte, machte es ebenso mit dem Bayernfürsten aus dem Hause der Agilolfinger, Tassilo  . Nach Karl­manns Tode schickte er die Wittwe mit den Kindern und ihre Schwester, seine eigene Frau, dem Vater Desiderius  , dem Longobardenfürsten zu­rück und nahm eine andere Frau, wahrscheinlich diejenige, deren Belter auf unserem Bilde der schmucke Edelknabe führt. Den Aufstand der Vasallen von Aquitanien  , der zu Gunsten der Söhne seines ver­storbenen Bruders aufloderte, schlug er blutig nieder. Um den Frei­heitssinn der Unzufriedenen zu bändigen und ihre Aufmerksamkeit von den inneren Angelegenheiten des stets wachsenden Reiches abzulenken, mußte er sie in auswärtigen Unternehmungen beschäftigen. Der Eifer für die Ausbreitung des Christenthums diente ihm als Ausrede zu dem Plan, die Sachsen zu unterwerfen. Diese heidnischen Bewohner, denen die Unabhängigkeit das erste Gut des Lebens war, widerstanden zwei­unddreißig Jahre dem Ansturm der Franken  . Erst als ihr Land zur Einöde verwandelt war, ließen sich ihre Führer Wittekind und Alboin taufen, nach damaligen Begriffen die sicherste Bürgschaft der Unter­werfung. Ein glänzender Beweis für Karl's Feldherrntalent ist die bei dem Zustande des Heerbanns, der bekanntlich alle Winter ausein­ander lief, fast unerklärliche Thatsache, daß er zu gleicher Zeit mit den Sachsen  , den Longobarden, den Hunnen, den Saraceyen, den Britanniern, den Dänen und mit seinen empörten Vasallen fertig wurde. Ueberall siegreich, schien er überall anwesend zu sein, gewiß ein Kunststück bei dem erbärmlichen Zustande der Straßen, die gleich dem heute noch bestehen­den Rennstieg in Thüringen  , um Sümpfen und Urwäldern auszu­weichen, zumeist über den steilgewundenen Grat der Berge hinliefen. Von dem römischen Bischofe Hadrian  , dem ersten, der den Großmachts­kizel der Päpste spürte, nach Italien   berufen, zertrümmerte er nach zäher Belagerung von Pavia   das Longobardenreich und sperrte nach dem Beispiele seines Vorfahren seinen Schwiegervater Desiderius   und seine Schwägerin mit ihren Kindern in ein Kloster. Vier Jahre später ( 778) sehen wir ihn in Spanien   bei der blutigen Arbeit. Nach der Eroberung der maurischen Festungen Pampeluna   und Barcelona   wollte er sich über die Pyrenäen   zurückziehen und erlitt bei dieser Gelegenheit im Thale Ronceval eine fürchterliche Niederlage. Hier fiel einer seiner berühmtesten Paladine, der von vielen Geschichtsschreibern für eine fabelhafte Person gehaltene Roland. Sein treues Schwert Durenthal hochschwingend, reitet er auf unserm Bilde zwischen dem Pfaffen Turpin und dem Geheimschreiber Eginhard  . Lezterer war nicht nur ein geheimer Schreiber, sondern auch geheimer Anbeter der Kaiserstochter Emma. Bisweilen liebt es die Geschichte, sich zu wiederholen. Gleichwie Napoleon   im Anfang unsres Jahrhunderts mit seinen Brüdern die ver­schiedenen Throne Europa's   besezte, so gab Karl   den verschiedenen