abgesehen, daß dies auch völkerwissenschastlich nicht haltbar ist, da diese Eigenschaften sich bei Angehörigen anderer Rassen ebenfalls vorfindlich nachweisen lassen, können wir dem durchaus nicht beipflichten. Der Güter höchstes ist nicht die Berserkerwuth! Freilich, deutsche Söldner waren in aller Herren Länder schon früher eine gesuchte Maare; während die Deutschen keine fremden Soldaten hatte, schlugen sie die Schlachten fast der ganzen Welt, besonders wenn man, wie man ja reichs- und rechtsgeschichtlich muß, die Schweizer zum heiligen römischen Reiche deutscher Ration rechnet. Und als Landsknechte(d. i. Knechte vom flachen Land in Deutschland , im Gegensatz zu den bcrgcntstammten Schweizer- söldnern) zeigten deutsche Streiter dieselben kriegerischen Tugenden und Lust zum Reislaufen. Als 1544 Karl V. dieser Sitte ein Ende machen wollte und eine gedruckte Mahnung erließ, die dahin zielte, klagte Frankreichs König, Franz l., der deutsche Kaiser wolle Frankreich wehrlos machen! Macchiavelli , der scharfsichtige Politiker, wurde den deutschen Kriegsknechten vollkommen gerecht, indem er sagte:„Sie sind treffliches Volk, schön von Wuchs, den Schweizern voraus, welche von Person klein und weder gewandt noch schön sind, sie gehen aber nicht schwerer gerüstet, denn mit Spieß und Degen. Sie pflegten zu sagen, sie thäten so, weil sie keinen Feind hätten, als das schwere Geschütz, gegen welches ein ganzer Harnisch oder ein Brustharnisch nicht schirmte. Andere Waffen fürchten sie nicht, indem sie solche Ordnung halten, daß niemand ihnen wegen der langen Spieße nahen kann. Im Felde und in offener Schlacht leisteten sie überall das Beste." Freilich verschweigt der schlaue Kriegs- und Staatskünstler auch ihre geringere Brauchbarkeit für den Belagerungskrieg nicht. Wer die scharfen Zeitangaben und genauen Jahreszahlen liebt, dem kann bei unserem vorliegenden Gegenstand gedient werden. Das Jahr 1487 ist das Geburtslahr der Errichtung des eigen- artigen Standes der Landsknechte, und zwar ist der deutsche Kaiser Maximilian l. der Schöpfer dieser Institution. Der alte Heerbann, welcher sich auf den Boden des Gefolgschafts-, Lehns- und Feudalwesens gründete, war arg in die Brüche gegangen, und der Kaiser des heiligen römischen Reichs deutscher Nation war gar übel dran und ein recht„kranker Mann", wenn er in die Lage kam, Krieg führen zu müssen, da die Herzöge und Fürsten nicht sonderlich sich beeilten, seinem Aufgebote Folge zu leisten. Da that Maximilian denselben Schritt, den einst im republikani- schen Rom Marius gethau hatte: er wandte sich an das niedere Volk. Dieses folgte dem kaiserlichen Rufe mit Freuden, denn neben eingeborner Kampflust wirkten noch andere Gründe mit. Der gemeine Mann jener Tage saß in keinem Rosengarten. Seiner Hände Arbeit war Eigen des Grundherrn, wenn jener zum Landvolk gehörte; fast unfreie, hartarbeitende Menschen waren die kleinen Leute der Städte. Sie mußten aufbringen, was ihre geistlichen und weltlichen Fürsten und Herren in Saus und Braus mit Jagden und sogenannten Wirthschaften, d. h. Fressereien und Saufgelagen im monströsen Stile, mit tollem Schlampampen und dem cynischsten Liebelcben durchbrachten. Wenn diese Großen in Fehde lagen, so waren es wiederum die kleinen Leute, welche die Zeche zahlen mußten und viel duldeten vom Kriegsvolk. Run ist es allzeit besser gewesen, Hammer statt Ambos zu sein, und dazu gab der neue Orden willkommene Gelegenheit. Im Kriegswesen vollzog sich eben damals ein Umschwung. Durch die Erfindung des Pulvers war das Hauptgewicht von der in alter Ritterweise mit Panzer, Arm- und Beinschienen, Schwert und Lanze bewaffneten Reiterei auf das Fußvolk über- gegangen. Vor dem„Gepolder" der Geschützstücke und der Hakenbüchsen, das, wie Ritter Götz gesteht,„nicht jeder leiden mochte," suchte sich das Ritterthum zu schützen, indem es den bisher üblichen Panzer aus Drahtgeflecht mit immer stärker werdenden Eisenblechplatten vertauschte. Aber der neue Geist durchbrach auch diese Schutzwehr des alten Adels und demokratt- sirte die Wehrhaftigkeit immer mehr und mehr. In der Schlacht selbst wirkte man jetzt mehr durch Massen; während sonst eine Feldschlacht ein reiches Tableau von Einzelkämpfen war, werden diese, meist zwischen den Hauptsührern nur noch üblich, immer mehr zum Ausnahmefall. Bresche in diese alte Gewohnheit war geschossen worden schon durch die Bauern- und Bürgerhaufen der Schweizer in ihren siegreichen Kämpfen gegen Burgund und Oestreich. Schon in der Zeit, da noch der Ritterstolz in voller Blüthe stand, that Rudolf von Habsburg den denkwürdigen Ausspruch, der die volle Anerkennung des Fußvolkes beweist: mit ans-
erkorenen viertausend Helmen und vierzigtausend deutschen Fuß- Volkes wolle er jede Macht der Welt angreifen.„Ihr Kern ist das Fußvolk," sagt von den alten Germanen der alte Römer Tacitus , der zuerst von deutscher Geschichte berichtet. Es hatte sich auch hier wieder einmal der geschichtliche Kreislauf vollendet: bei dem altgermanischen Fußvolkkampf war man wieder angelangt, freilich wirkten die Reiterei und die neue Waffen- gattung der Artillerie daneben mit. Der Hauptgewährsmann für unsre Kenntniß des Landsknechts- Wesens, Leouhart Fronsperger ,„Burger zu Vlm," schrieb ein„Kriegsbuch", einen festen Folianten von der Dicke beinahe einer Viertelelle, welcher, mit derben Holzschnitten von der kunst- reichen Hand Jost Ammans ausgeschmückt, alles enthält, was in Kriegskunst und Kriegswissenschaft bis ins 17. Jahrhundert in Uebung war. Nach diesem Autor und nach dem, was sonst von Grschichts- schreibern, Dichtern, Chronisten, Kultur- und Literarhistorikern beigebracht ist, entwerfen wir unser Gemälde.--— Es geht ein Butzemann im Reich herum, Didum, didum, Vidi, bidibum! Der Kaiser schlägt die Trumm Mit Händen und mit Füßen, Mit Säbeln und mit Spießen! Didum, didum, didum!— Mit diesen stets wiederkehrenden Reimzeilen beginnt ein kriege- risches Volkslied jener Zeit; es stellt uns das Bild eines bunten Drängens und Treibens vor, welches sich entwickelte, wenn die Werbetrommel gerührt wurde und zahllos die kriegstüchtigen, beutelustigen Schaaren deutscher Volkskraft sich zusammenfanden. Und nicht blos unterhaltlose, gesellschaftlich verlorene Existenzen waren es, welche diesen Werberufen Folge leisteten, wenn auch mancher Abenteurer mit darunter sich befunden haben mag; kecke Bursche aus allen Ständen, auch unzufriedene Edelleute, deren Fehdelust durch den von kaiserlicher Majestät gebotenen Land- frieden unbequeme Bccinttächtigung erfuhr, verdrossene Zunft- angehörige und allerlei Volk war es, welches aber immer noch etwas zuzusetzen haben mußte, da diese Leute ihre Ausrüstung selbst zu bestreiten und mitzubringen hatten. Wamms und Schuhe, die ini Gegensatz zu den spitzen Schnabelschuhen der Ritter vorn bei den Zehen von beträchtlicher Breite waren, Blechhaube, Schwert und Hellebarde oder langer Spieß, auch wohl eine Hakenbüchse waren die nöthigsten Erfordernisse einer Landsknechtsausstattung. Die Werbung ging aus von einem adeligen oder auch bürger- lichen Kriegsmann, dem der Kaiser einen Bestallungsbrief aus- fertigte, der als Werbevollmacht galt, benebst einem Artikelbrief, der feststellte, welche Rechtssatzungen geübt werden sollten. Als „ein Staat im Staate" erweist sich ein Landsknechtsheer schon durch den Namen„Regiment" und ausdrücklich sagt ein Zeit- genösse, daß Maximilian, der„letzte Ritter" und„Held von theuren Gedenken" mit Hülfe Georgs von Frundsberg„den Krieg in einen ordentlichen Staat verfassete." Man kann diese Regimenter wohl mit Recht, wie es auch geschehen, Soldaten- republiken nennen, nur daß einem solchen Staate der physische Untergrund festen Bodens und Landbesitzes mangelt und er so einer schwimmenden Insel verglichen werden mag. Nachklänge altfreien Gemeinderechts, wie sie sich in der Handhabung des „Malefizgerichts", dem Nachklang des alten Volksgerichts zeigten, dienen uns als Beweise dafür, daß die Landsknechte das Be- wußtsein hatten, einen solchen Staat zu bilden. An das alte Rechtsprechen der Gesammtheit der Freien im altgermanischen Volksstaate erinnert besonders das Recht„mit den langen Spie- ßen", wie es genannt wurde. Daß es nicht stets und allgemein bekannt war, sondern beim Zusammentreten eines Regimentes diesem als eine Gerechtsame zugestanden wurde, ist dafür be- weisend. Dabei waren nämlich die sämmtlichen Angehörigen eines Regiments die berufenen Richter über höchste, todtwürdige Vergehen, an sie wurde appellirt, sie waren auch die Vollstrecker der Strafe. Wenn der Profos den Thäter schlimmer That ent- deckt hatte, wurde das Fähnlein zusammenberufen, dem der„arme Mann", so wurde der Delinquent genannt, angehörte; es wurde der bedeutsame Ring gebildet, der im altdeutschen Religions- und Rechtswesen eine so wichtige symbolische Rolle spielte, in dessen Mitte der Frevler stand und der Profos trug seine Klage vor. Kläger und Beklagter erhielten jeder einen Fürsprecher. Die Fahnenträger steckten ihre Fahnen mit der Spitze in die Erde, weil das Regiment erst wieder„ehrlich" war, wenn der