Mein Freund, Eine Spiritistengeschichte aus dem letzten Drit (III. Vor der Geistersitzung. Die passiven Theilnehmer und das Medium.) Herr Aloys Metzig hatte den vr. pdil. Hans Eckart neu- gierig gemacht. Zudem hatte besagter Doktor ja eigens zu dem Zwecke sein neues Logis bezogen, um genauere Bekanntschaft mit dem Humbug des Magnetismus und Spiritismus zu machen. Item war es nicht verwunderlich, daß ich mich gleich am nächsten Sonnabend gegen 9 Uhr abends in jenem Zimmer meines Wirthes einfand, in welchem die Patienten und Gläubigen der wundersamen Dinge harrten, die da kommen sollten. Allsonnabendlich und ebenso allmittwöchig nämlich hatte jeder- mann Zutritt zu einer andächtigen Versammlung von Männlein und Weiblein, die sich durch Herrn Chlodwig Cannabäus und seinMedium" erbauen ließ. Wenn ich davon bislang nichts gemerkt, so gehört das nicht zu den Wundern, denn ich war abends, besonders Mittwoch und Sonnabend, nie zuhaus, und von einem Verkehr zwischen meinem Wirth nebst den Seinen oder den sonstigen Hausmitbewohnern und mir war nicht die Rede. Ich hatte geglaubt, durch mein Erscheinen im Kreise der Gläubigen etwas Aufsehen zu erregen. Aber ich hatte mich ge- täuscht: keine Menschenseele kümmerte sich um mich. Auf Bänken mit rohrgeflochtenen Sitzen saßen zwölf Menschen an drei von den Zimmerwänden umher fünf alte Frauen, zwei alte Männer, eine alternde Jungfer, ein Mann in den besten Jahren und drei junge Mädchen. Die Frauen gehörten alle den ärmeren Ständen an, die alternde Jungfrau dagegen verrieth durch ihre Kleidung sowohl als durch ihre selbstbewußte Haltung günstige Lebensverhältnisse; nicht minder machte einer von den älteren Männern den Eindruck der Wohlhabenheit, und zwei von den jungen Mädchen mochten sogar reicher Familie angehören. Die meisten der Anwesenden verharrten stumm und in sich gekehrt. Nur die überreife Jungfer und der ältere Herr unter- hielten sich leise und desgleichen thaten die beiden jungen Damen. Zwischen der Jungfrau, deren Jungfräulichkeit nicht mehr als Zierde erschien, und ihrem Nachbar zur Linken, dem augenschein- lich dem leidlich situirtcn Kaufmannsstande angehörenden Manne in den fünfziger Lebensjahren, war ein tüchtig Stück Raum frei auf der Rohrbank. Hier ließ ich mich nieder. Mein gutes Gehör machte mich zum stillen Theilnehmer an der Unterhaltung meiner nächsten Nachbarn. Sie sind also jetzt auch felsenfest überzeugt?" flüsterte die Jungfrau. Vollkommen!" gab der alte Herr zurück.Was er mir von meiner seligen Frau mitgetheilt hat, war so ganz aus der Seele der Verewigten gesprochen, daß ich sie selbst zu hören glaubte und daß eine Täuschung für mich zu den Unmöglichkeiten ge- hört--" O, wie Bebaute ich, daß ich das letztemal grade fehlte, daß ich diese herrliche Manifestation versäumen mußte, die einen so geistvollen und gebildeten Mann zu einem der unsrigen gemacht hat. Hat er Ihnen Hoffnung auf eine direkte Unterhaltung mit Ihrer Seligen gemacht?" Auf meine dahingehende Bitte wollte er heute antworten. Ich bin daher aufs äußerste gespannt und bewegt." O, das ist himmlisch interessant, das ist rührend. Auch mir steht heute vielleicht eine große Freude bevor. Es ist allerdings kein verstorbener Mensch, nach dessen Verbleiben im Jenseits ich ihn gtffragt habe, nnd ich schäme mich beinahe, es zu gestehen, aber Sie, hochgeschätzter Herr, werden die Gefühle eines ver- einsamten Mädchens zu begreifen wissen, und ich hätte auch wirk- lich garnicht nach ihm zu fragen gewagt, wenn er nicht meinen nie ausgesprochenen Wunsch in meiner Seele gelesen hätte ich sage Ihnen, in meiner Seele gelesen. ,Du hast noch etwas auf dem Herzen, liebe Seele/ sagte er..Ach ja/ antwortete ich seufzend..Ich weiß, was du auf dem Herzen hast, liebe Seele/ sprach er wieder. Ich schlug die Augen nieder und wußte nicht, was ich antworten sollte. ,Du hast ein Wesen besessen, das dir über alles theuer war, liebe Seele, die du schon seit Jahren ganz allein stehst unter den Menschen. Es war ein Thierchen, das du unter Schmerzen zu einem bessern Leben eingehen sahst. Von ihm möchtest du hören, ist es so, liebe Seele? Mir flössen die hellen Thränen über die Wangen, ja, es war wirklich so."

der Klopfgeist. l des neunzehnten Jahrhunderts. Von K. E. Das Zwiegeflüster der beiden wurde unterbrochen. Die Thür öffnete sich leise und herein trat Herr Aloys Metzig. der Raseur. Er trat eigentlich nicht herein, sondern er schlich herein, sich nach allen Seiten beinahe ängstlich umschauend und verbeugend. Aber dem Herrn Aloys Metzig erging es nur wenig besser, als mir ich war der einzige, der ihn beachtete und durch eine Handbewegung einlud, au meiner Seite Platz zu nehmen. Die Unterhaltung meiner Nachbarn hatte mich heiter und mittheilungs- lustig gestimmt; ich erzählte daher, natürlich auch so leise als möglich, meinem von seiner gewohnten Redseligkeit anscheinend gründlich im Stich gelassenen Raseur, welch' hoher Genuß uns erwarte: das Erscheinen der Geister der Gattin des alten Herrn und des Hündchens der ältlichen Dame wäre für heute bereits angesagt. Das gab Herrn Metzig die Sprache wieder. Der Himmel steh' uns bei, Herr Doktor," flüsterte er mir ins Ohr, aber so leise, daß ich es selbst kaum verstand.Die beiden Seligen Hab' ich gekannt. Wer von beiden am besten hat keifen können nun, der liebe Herrgott wird es jetzt wissen, aber Virtuosen Virtuosen sage ich Ihnen, Herr Doktor, waren sie alle beide drin." Herr Metzig war übrigens grade vor Thoresschluß gekommen. Eine alte, dunkelgrau gekleidete Frau erschien jetzt, durchschritt ernst und würdevoll das Zimmer, verschwand zu der Thür hinaus, die in den Vorsaal führte, und schloß dann diese von außen ab. Sie sperren uns ein, damit wir vor den Geistern nicht aus- kneifen," flüsterte der Raseur, dessen quecksilberner Spektakelnatur die erwartungsvoll peinliche Stille des abgeschlossenen Zimmers durchaus nicht behagte, halb humoristisch, halb äygstlich. Nach ungefähr fünf Minuten öffnete sich wieder die nach dem sogenannten Konsultationszimmer des Herrn Chlodwig Cannabäus führende Thür und herein trat langsamen Schrittes ein Wesen, dem man es auf den ersten Blick wirklich hätte glauben können, wenn es sich für einen Geist ausgegeben hätte. Aber es war kein Geist wenigstens kein körperloser. Dies in tiefftes Schwarz gehüllte, hohe, geisterhaft bleiche Mädchen, welches in der Mitte des großen Zimmers an einem kleinen, schwarzbehangenen Tische, den die die alte Dienerin jetzt herein- trug, auf einem Sessel mit hoher Rückenlehne sich niederließ, war Athanasia Cannabäus das Medium. Haarsträubend schön ist sie, Hab' ich recht, Herr Doktor?" zischelte der Raseur, der bei ihrem Anblick in sich zusammenzuckte, als liefe es ihm eiskalt über den Rücken. Er hatte nicht ganz unrecht mit demhaarsträubend schön", nur war mir nicht recht klar, wieviel von der Wirkung der Schön- heit und dem Eindruck des Erschreckenden auf Rechnung der Dämmrung zu schreiben war, welche das Zimmer bedeckte. Außer der Dämmerung konnte ich übrigens vorläufig nichts Verdächtiges entdecken, so scharf ich umherspähte. Die alte Dienerin setzte sich hinter das Medium doch so, daß sie das ganze Zimmer und alle Anwesenden überschauen konnte, schlug ein Gesangbuch auf und sagte mit halblauter Sttmme: Wach auf, mein Herz, die Nacht ist hin." Darauf ließ sich ein minutenlanges Blättern in alten, mit raschelndem, vertrockneten Druckpapier versehenen Büchern ver- nehmen, und dann sang der größte Theil der Anwesenden, ins- besondere Frauen, mit gedämpfter Stimme das religiöse Lied, von dem die alte Dienerin die Eingangsworte zitirt hatte: Wach auf, mein Herz, die Nacht ist hin, Die Sonn' ist aufgegangen. Ermuntre deinen Geist und Sinn, Den Heiland zu empfangen, Der jetzo aus des Todes Thür Gebrochen aus dem Grab hersür Der ganzen Welt zur Wonne." Auf Herrn Aloys Metzig übte diese musikalische Leistung er- greifende Wirkung. Selbiger stöhnte schon bei der zweiten Strophe erbärmiglich. Auch meine Geduld ward bis zur Beendigung des wie ein Grabgesang schleppend und wie Katzenmusik uu- melodisch vorgetragenen Gesanges mit seinen neun Strophen auf eine harte Probe gestellt. Aber ich gab kein Zeichen meines Martyriums von mir, sondern verharrte im Vollbewußtsein meiner Aufgabe, als der eines wissenschaftlichen llntersuchers des hier