Baldur und Hödur u. s. w. wahrscheinlich zum ersten mal in Richard Wagners Musikdramen gehört hat, so wollen wir bei der Beschreibung der Figuren unseres Bildes umständlich zu Werke gehen. Wotan , Allvater der Asen( eines jüngeren Göttergeschlechtes, das aus Asien nach Europa fam) hat seine Nachkommenschaft in das liebliche Asgard zum Spiele geladen. Diese vermenschlichten Naturerscheinungen waren nicht unsterblich, wie uns der Vorgang unseres Bildes belehrt. Kraftäußerung war der höchste Genuß jener potenzirten Menschen und Geschicklichkeit in der Handhabung der Waffen die höchste Ehre. So beschließen die Asen nach leckerem Mahle zur Kurzweil auf Baldur , den Liebling der Götter und Menschen, den Bewahrer des Lichtes und Schöpfer der Blumen, mit dem Bogen zu schießen, welches Vergnügen deshalb ungefährlich ist, weil Frigga, Wotans Gemahlin und Baldurs Mutter, den hölzernen Pfeil dadurch unschädlich machte, daß sie allen in der Erde wurzelnden Pflanzen den Eid abnahm, dem geliebten Sohne niemals zu schaden. Die auf Baumstämmen wuchernde Mistel hat sie zum Unheil des Sprößlings vergessen. Nur Loki , dem Bösen, dem Herrn des Feuers, aus dem der mittelalterliche Teufel gemodelt wurde, ist diese Thatsache bekannt und spornt ihn zur Unthat. Nachdem Thor , der Gott des Donners, dessen gewaltiger Fußtritt wie Sturmwind ertönt, und sein lieblicher Bruder Bragi, der Verleiher der Weisheit und Dichtkunst ihr Treffgeschick erprobt haben, naht sich Loki- Mephisto pheles dem abseits stehenden blinden Hödur, dem Gotte der Finsterniß und Kälte und raunt ihm ins Ohr, doch auch sein Glück zu versuchen. Nachdem er heimlich den Erlenpfeil entfernt und an seine Stelle ein von ihm aus Mistelzweigen geschnigtes Geschoß geschoben, drückt er dem zagenden Todtengott den Bogen in die Hand; die Sehne schwirrt und der Träger des Lichtes stürzt, zu Tode getroffen von dem eignen Bruder, dem Hüter der Nacht. Loki's gelungene List verursacht nicht geringe Aufregung im Kreise der Asen, denn es ist das erste mal, daß das Schicksal gegen die Fügung der Götter seine eigene Bahn wandelt und willkürlich das Werkzeug seiner Laune wählt. Nanna, Baldurs züchtige Hausfrau, die mit bescheidenem Auge den Geist des Gatten bewunderte, stürzt wehklagend an der Seite des Sterbenden zusammen. Allvater Wotan hat sich erschrocken von seinem steinernen Throne erhoben, er ahnt wohl, daß dieser Brudermord ein Vorbote der ihm von Erda geweissagten Götterdämmerung, dem Ende seiner Herrschaft sei. Thor , der Donnerer, der jeden Widerstand mit seinem Hammer zermalmt, hat dräuend die Rechte erhoben und Tyr, der Vertreter der Stärke und Unerschrockenheit, der, hoch wie die Tanne, den Blizz der Schlachten schwingt, scheint sich auf den schleichenden Verderber Loki stürzen zu wollen, allein dieser erwartet gleich allen verneinenden Geistern mit höhnischem Bedacht den Angriff. Die weiblichen Zuschauer gerathen, wie es sich für zartfühlende Göttinnen ziemt, bei der unerwarteten Katastrophe aus Rand und Band. Die Göttermutter Frigga, ihre weissagende Schwester Saga, Eyra, die Aerztin , Gefione, die verschleierte Beschüßerin der Keuschheit, Bragis Gemahlin Jouna, welche die Aepfel der Unsterblichkeit bewahrt, die sie den gefallenen Helden beim Eintritt in Walhall in goldenen Schalen darreicht, jene Aepfel, die allein der Götter ewige Jugend erhalten, Gna, die Botschafterin der Götter, und Lyna, die Sanfte, die im Unglück dem Freund die Thräne auftüßt, die Spenderin der Huld, sie alle geben ihrer Entrüstung in Blick, Geberde und Haltung Ausdruck. Auch der nordische Apollo, Bragi, eilt verstört zur Hülfe herbei. Der von den Stalden dichterisch ausgestaltete und von den Priestern eigennüßig ausgebeutete Vorgang ist ein Sinnbild des Wechsels der Jahreszeiten, des Kampfes zwischen Licht und Finsterniß, zwischen Wärme und Kälte. Die Menschen der Vorzeit, mit der Planetenstellung unserer Erde im Sonnensystem nicht bekannt, suchten die Ursache der Veränderung der Jahreszeiten nicht in der Erdumdrehung, sondern schrieben die ihnen unerklärlichen Wirkungen derselben dem Einflusse guter und böser Geister zu. Eine Zeit, welche die naturwissenschaftliche Forschung noch nicht kannte, leitete jede Kraftäußerung von einem Willen ab, der sie hervorbringt und ihre Wirkungen lenkt, setzte an die Stelle der wesenlosen Naturkraft eine willensbegabte Persönlichkeit, die als eine milde oder strenge, freundliche oder feindliche erschien, je nachdem die ihr zugeschriebenen Wirkungen segensvoll oder verderblich waren. Und da die verschiedenen Wirkungen weit über das Maß menschlicher Kraft hinausgingen, erschienen die sie erzeugenden Personen als überirdische, als Gottheiten, zu denen der Mensch in ein religiöses Verhältniß trat. Das frömmelnde Mittelalter ging noch einen Schritt weiter und führte für jedes unerklärliche Naturereigniß des Glaubens liebstes Kind, das Wunder, ins Treffen. Die Apostel der Aufklärung, die das Ineinandergreifen der Naturkräfte vermutheten, wurden als Kezer verbrannt und gekreuzigt. Erst der neueren Zeit war es vorbehalten, das Räderwerk der Weltuhr wissenschaftlich zu erforschen, doch wird es noch lange dauern, bis aus den zerstreuten Bausteinen der Tempel der Erkenntniß auf
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geführt sein wird, von dessen Zinnen der wissenschaftliche Einblick in den Haushalt der Natur ermöglicht wird. Zum Schluß wollen wir des Gemäldes„ Das Schicksal der Götter" von Julius Naue , dem unser Holzschnitt nachgebildet ist, lobend erwähnen, weil dessen Inhalt für das Volk lehrreicher ist, wie der der Martyrien der christlichen Legende.
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Dr. M. T.
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Mahmud Begada's Harempalast zu Sakedsch.( Bild S. 33.) Er gibt uns ein Bild früherer glänzender Herrschaft des Muhamedanismus in Indien , die ebenso der Vernichtung anheimfiel, wie dieses sie hier in der Blüthe und im Verfall versinnbildlichende großartige monumentale Bauwerk. Der kolossale Umfang desselben zeigt am deutlichsten die Dimensionen, die seine Bestimmung in der üppigen Natur Indiens annahmen, d. h. für die, welche die Mittel dazu hatten die Reichen. Aermere können sich einen solchen Lurus selbstverständlich auch da nicht erlauben, wo ihnen Religion und Sitte den Schein der Berechtigung verleihen. Man behauptet im Gegentheil, daß gewisse arme Hindustämme sich der Polyandrie( Vielmännerei) hingeben, was ebenso unnatürlich und daher unsittlich ist, wie das andere Extrem: die Polygamie( Vielweiberei). Es ist heute noch so, in Indien und auch anderwärts! Dort ist man nur offner, und als der Vater des jetzigen Nizam von Hairadabad 1869 starb, da erhielt sein kaum den Windeln entwachsenes Söhnchen und Nachfolger, Mir Mahbul Ali Kahn, einen Harem mit 2000 Insassen zugestellt und verblieb in den Frauengemächern unter Leitung(!) seiner Mutter und Großmutter bis zum Jahre 1874, wo er sich erst seinem Volke als König zeigte*). Die Männer, oder vielmehr Knaben, denn sie sind meist noch im Kindesalter, heiraten überhaupt in Indien sehr früh und zwar ältere Frauen, was natürlicherweise zu allerhand Ausschweifungen in sittlicher Beziehung führen muß. Von größerem Jnteresse ist die heutige Illustration in kunsthistorischer Hinsicht. Man hat bekanntlich die alten Grottenbauten zumeist Tempel des Buddha und des Brahma als den Ursprung der Hindukunst bezeichnet. Die Engländer haben sich jedoch, seitdem sie im Besitz der Herrschaft von Ostindien sind, nicht allein die größte Mühe gegeben, diese in merkantilischer Hinsicht für sich auszubeuten, sie haben sich auch nicht minder große Verdienste in der Erforschung der indischen Alterthümer erworben und dadurch scharfsinnigen Fachmännern die Mittel an die Hand geliefert zu dem Nachweis, daß die oben angeführte Hypothese nicht nur falsch, sondern daß die indische Grottenarchitektur der Schluß einer sehr alten, vieltausendjährigen Epoche ist. Die ältesten Felsenbauten sind Höhlen, theils von Natur vorhanden, theils durch Menschenhand geschaffen, welche als Wohnungen gedient haben. Man rechnet die auf der Insel Salsetta bei Kanheri, 12 Kilometer von der Station Bhandup der Peninsularbahn, zu den ältesten und sollen sich dort gegen hundert befinden; Felsentempel sind am gleichen Ort über zwanzig vorhanden. Das Schiff dieser Tempel schließt oben als Tonnengewölbe ab und ist am Ende als Halbkuppel geformt. Semper behauptet in seinem Hauptwerke: Der Stil", daß diesen kolossalen Felsenbauten der Holz- und Backsteinbau voraufgegangen sein müsse. Noch höheren Werth legt er auf die ursprüngliche Bekleidung architektonischer Werke durch Stuck, Holz, Farbe, Metall u. dgl., während diesem hinwiederum die textile Kunst erst zu Grunde liegen müsse, da die architektonische Gliederung der Steinskulptur weiter nichts sei, als die Uebertragung erster Dekorationsweisen auf den Stein. Später, als die Brahmanen die Buddhisten vertrieben hatten, bemühten auch diese sich, in dieser Baukunst fortzufahren, und man vermuthet, daß die mystisch- phantastisch und meist übermäßige Ausschmückung der Felsenbauten mit menschlichen und thierischen Figuren, sowie sonstigem Ornament von ihnen herrührt. Bald mag sich auch der Einfluß der persischen Kunst bemerkbar gemacht haben. Cuningham, der Direktor des archäologischen Instituts zu Bombay, behauptet nicht allein dies, sondern auch die Einwirkung der griechischen Baukunst, die jedenfalls durch den Zug Alexanders des Großen mit herübergebracht worden sei. Der Einfluß des letzteren Stils mache sich selbst in den Gegenden, wo die griechische Säulenordnung wenig Eingang gefunden, bemerkbar. Unser Bild dürfte dieses zur genüge veranschaulichen. Das ihm zu Grunde liegende Original gehört wohl zu den Bauwerken In diens , die erst seit dem 11. Jahrhundert entstanden und wegen des dazu verwandten schlechten Materials bald dem Zahn der Zeit wieder zum Opfer fielen. Der Niedergang der muhamedanischen Herrschaft mag auch zum zeitigen Verfall beigetragen haben. Daß im übrigen die Muhamedaner auch in dieser Richtung in Indien auf die Architektur eingewirkt haben, zeigt, abgesehen von vielem andern, schon die Gräberstadt von Golkonda in Nr. 45 vor. Jahrgangs.
nrt.
*) So erzählt von dem kundigen E. Schlagintweit in dem Prachtwerk: Indien in Wort und Bild. Leipzig , H. Schmidt& C. Günther.
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Inhalt. Die Schwestern, Roman von M. Kautsky( Fortsetzung). Wasserversorgung und Wasserreinigung, von Rothberg- Lindener ( Fortsetzung). Die deutschen Landsknechte. Kulturhistorische Skizze von M. Wittich. Heißsporne und Sicherheitskommissarien im Gebiete der Naturwissenschaft, von Bruno Geiser( Schluß). Mein Freund, der Klopfgeist. Eine Spiritistengeschichte aus dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts, von H. E.( III.) Die Herde des Hungers im schlesischen Eulen- und sächsischen Erzgebirge , von Dr. M. Vogler( Schluß).— Baldurs Tod( mit Illustration). Mahmud Begada's Harempalast zu Satedsch( mit Illustration).
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